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Aus dem Berriche der Missivnen und der Antisklaverei- Bewegung.
Missionswoche in Dervnhut.
Vom 15. bis 19. Oktober d. Is. fanden in
Herrnhut, dem ältesten Sitz deutscher evangelischer
Missionstätigkeit, Missionsversammlungen größeren
Stils statt. Diese seit 1900 zum dritten Male
tagende Missionswoche wurde von den 21 deutschen
Missionskonferenzen veranstaltet und hat zahlreichen
Besuch aus allen Teilen Deutschlands aufzuweisen.
Als sachkundigste Berater waren auch diesmal
Missionare aus allen Gegenden der Erde zugegen,
darunter nicht wenige aus unseren Kolonien. Die
Brüdergemelne, in der auf kleinstem Raum ein
überraschendes Maß weltumspannender Interessen
vereinigt ist, nahm das lebhafteste Interesse an den
Verhandlungen. Diese suchten an der Hand plan-
mäßig ausgewählter Referate einen Überblick über
das gesamte Missionswerk der Gegenwart zu geben,
wobei die Arbeit der deutschen Gesellschaften und die
gerade im Vordergrund des allgemeinen Interesses
stehenden Gebiete bevorzugt wurden.
Aus der Reihe der gehaltenen Vorträge sei
zuerst der des Missionars Kunze aus Tsingtau
hervorgehoben.
und die Missionsschule.
Noch stärker berührte der vom Direktor der
Orientmission Dr. Lepsius gehaltene Vortrag über
Mission und Islam die kolonialen Interessen.
Der soeben von einer größeren Reise durch den
Orient zurückgekehrte Redner entwarf ein anschau-
liches Bild von dem zwischen dem christlichen
Europa und seinen hauptsächlichsten Missionsgebielen
Er behandelte das neue China
der 25 Gesellschaften vertreten waren, ist als erster
Schritt auf diesem Wege zu bezelchnen.
Hatten diese Vorträge nur mehr oder weniger
zahlreiche Berührungspunkte mit unserer Kolonial-
politik aufzuweisen, so lenkte Lic. Trittelvitz, der
Leiter der evangelischen Missionsgesellschaft für
Deutsch-Ostafrika, die ihren Sitz kürzlich von Berlin
nach Bethel bei Bielefeld verlegte, die Blicke aus-
schließlich auf unser größtes Kolonialgebiet. Er be-
sprach Deutsch-Ostafrika als Missionsfeld. Da
die Besiedelung durch Weiße nur in gewissen Teilen
dieses Geblets möglich ist, kann seine Erschlleßung
und Entwicklung nur mit Hilfe der Eingeborenen
geschehen, und diese müssen hierfür erzogen werden.
Die Mission bietet sich freiwillig als eine der hier-
bei in Betracht kommenden Erzieherinnen an. Ein
Überblick über die in Deutsch-Ostafrika vorhandenen
Missionsstationen, den Arbeiterstab, die eingeborenen
Christen, Schulen und Schüler zeigte, daß die beiden
christlichen Konfessionen hier ungefähr gleich stark
vertreten sind. Für die Einzelheiten kann auf die
Beilagen zu Nr. 1 und 14 des Deutschen Kolonial-
blattes verwiesen werden. Ihre Arbeitsfelder
schieben sich vielfach ineinander hinein, nur der
Nordwesten ist fast ausschließlich von der katholischen
Kirche besetzt; die evangelische Mission ist von dort
fern geblieben, da jene vor ihr daselbst eintrat.
Die gesunderen und besser bevölkerten Berg-
länder sind von der Mission größtenteils besetzt.
Wenn auch die evangelischen Missionare ihrer kirch-
lichen Stellung und Nationalität nach verschieden
liegenden mohammedanischen Block und zeigte hierauf,
daß der Islam noch immer eine starke Ausdehnungs-
kraft an den Tag legt. Das missionierende Christentum
wird hier vor ein besonders schwieriges Problem
gestellt. Es ist zwar bisher nicht ganz am Moham-
medanismus vorübergegangen, hatte aber in seinen
Ursprungsländern nur geringe Erfolge aufzuweisen.
Günstiger sind die Aussichten der Mission unter
den ehemaligen Heidenvölkern, die erst in neuerer
Zeit vom Islam erobert wurden, oder wo die
christlichen Missionare mit den Sendboten des
Mohammedanismus zusammentreffen.
Ein Vertreter der Rheinischen Mission konnte
das mit den Erfahrungen seiner Gesellschaft in
Niederländisch-Ostindien bestätigen. Günstige Aus-
sichten für die Zukunft ergeben sich aus der Tat-
sache, daß von den 233 Millionen Mohammedanern
jetzt 161 unter christlicher Herrschaft leben. Groß-
britannien hat 92 Millionen mohammedanischer Unter-
tanen, Frankreich und Holland je 29, Rußland 16;
auch Deutschland ist in seinen afrikanischen Be-
sitzungen hieran beteiligt. Dr. Lepsius betonte, daß
zu einem kraftvollen Betrieb der Mohammedaner-=
mission ein Zusammenschluß der in Betracht kommen-
den Missionsgesellschaften und eine besondere Vor-
bildung der Missionare nötig sei. Die im April
dieses Jahres in Kairo veranstaltete Konferenz, bei
sind, so besteht doch das beste Einvernehmen unter
ihnen. Wo ihre Gebiete sich berühren, findet eine
brüderliche Auseinandersetzung und Grenzregulierung
statt. Der Vortragende, der vor einiger Zeit eine
Vlsitatlons= und Studienreise nach Ostafrika unter-
nahm, charakterisierte hier die einzelnen Missions-
gesellschaften nach ihrer Elgenart. Die Berliner
Mission hat, wie er soagte, das Bestreben, nach den
in Südafrika gemachten Erfahrungen die Einge-
borenen auf eigenem Besitz anzusiedell. Im
Arbeiterpersonal der Brüdergemelne ist eine wohl-
gelungene Mischung von lehrenden Missionaren und
Laienbrüdern zu erkennen. Die Leipziger Mission
im Dschaggalande und den dem Kilimandscharo
benachbarten Bergländern hat das Volksschulwesen
am besten entwickelt, in der Untversitätenmission
dagegen findet man schon ein mehrfach gegliedertes
höheres Schulwesen usw. Zuletzt entwarf der
Redner ein anschauliches Bild von der Tätigkeit
seiner eigenen Gesellschaft in Usambara.
Aus diesem Tell des Berichts sei nur noch eine
Mitteilung hervorgehoben, welche die kulturelle Be-
deutung der Mission beleuchtet. Die in Hohen-
friedeberg und Umgebung wohnenden christlichen
Eingeborenen wollen demnächst unter Anleitung ihrer
Missionare eine nur aus ihrem Kreis zu be-
schickende landwirtschaftliche Ausstellung veranstalten.