Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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Aus fremden Kolonien und Droduktionsgebieten. 
Die Baumwollindustrie der Schweis##im Jahre 1906. 
Das Jahr 1906, welches im Bericht der 
Züricher Handelskammer als ein Normaljahr für 
den Baumwollhandel bezeichnet wird, brachte 
günstige Marktverhältnisse. Der Unterschied 
zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Baum- 
wollpreis betrug nur 130/100 d gegenüber 271/100 d 
im Jahre 1905 und 339/100 d im Jahre 1904. 
Erst im letzten Vierteljahr gestaltete sich das Ge- 
schäft etwas aufregender, da sich die beginnende 
Ernte 1906/07 aualitativ recht schlecht auließ 
und sehr enttäuschte. Gegen Ende des Jahres 
waren die Vorräte knapp, und hochklassige und 
gutstapelige Baumwolle stand im Preise ziemlich 
hoch. 
Im Sommer wurde der Baumwollmarkt voll- 
ständig durch die Wetterberichte aus Amerika be- 
herrscht, und da diese im ganzen günstig lauteten, 
gingen die Preise langsam und beständig zurück. 
Eine kurze Hausse, die unter dem Eindruck der 
am 3. Juli erfolgten und hinter den Erwartungen 
etwas zurückbleibenden Schätzung des Standes der 
Ernte eingetreten war, hielt nicht an, und es 
folgte nun eine bis Anfang August dauernde 
Periode der Ruhe. Alsdann begann, verursacht 
durch neue Schätzungen, ein Sinken der Preise, 
die am 23. August auf dem tiefsten Stande des 
Jahres anlangten. Mit ähnlichen Schwankungen 
setzte sich das Baumwollgeschäft bis Ende Sep- 
tember fort, wo dann alarmierende Berichte über 
heftige Stürme in den Baumwolldistrikten die 
Preise sehr stark in die Höhe trieben. Die Preis- 
schwankungen waren zu Anfang Oktober am 
größten. Von Mitte dieses Monats an legte sich 
die Erregung, nachdem man die schlimmen Nach- 
richten als stark übertrieben erkannt hatte, und 
die höheren Ernteschätzungen fanden wieder mehr 
Glauben. Sinken und Steigen der Preise wech- 
selten nun unter dem Einfluß der Spekulation 
ab, ohne jedoch zu unerträglichen Zuständen zu 
führen. Zu Anfang Dezember wurden die durch 
die Haussespekulation angekauften Vorräte liqui- 
diert, und nun setzte ein rascher Preissturz ein, 
der am 19. seinen tiefsten Stand erreichte. 
Allein die Preise stiegen sofort wieder und be- 
haupteten sich nun bis zum Schlusse des Jahres. 
Der letzte Bericht des Zensusbureaus schätzte den 
Betrag der bis zum 13. Dezember entkörnten 
Baumwolle auf nur 11 090 000 Ballen. 
Die Baumwollindustrie nahm im Jahre 1906 
einen Aufschwung, den man wohl gelegentlich 
erhofft, nie aber in diesem Umfang erwartet 
hatte. Und zwar kam er um so unverhoffter, 
als in England, sobald die Lage sich günstiger 
  
gezeigt hatte, eine große Anzahl Spinnereien und 
Webereien neu gebaut worden waren und man 
deshalb eine bald eintretende überproduktion 
vorausgesagt hatte. Wie der Bericht des Schwei- 
zerischen Spinner-, Zwirner= und Webervereins 
angibt, sollen in 195 englischen Spinnereien un- 
gefähr 4 873 000 Spindeln für amerikanische und 
3 662 000 Spindeln für ägyptische Baumwolle 
neu aufgestellt und manche alten Spinnereien, 
deren Betrieb vor drei Jahren sich gar nicht 
mehr gelohnt hatte, neu in Gang gesetzt worden 
sein. Der Kontinent folgte, wenn auch in be- 
scheidenem Maße dem Befehl Englands, und es 
wurde obenfalls eine starke Überproduktion an 
Garnen befürchtet, die indessen nicht erfolgt ist. 
Auch in der Schweiz trat im Laufe des 
Jahres ein Umschwung ein, der für die Spinnerei 
eine äußerst günstige Lage schuf, das Geschäft zu 
einem sehr lebhaften gestaltete und im letzten 
Quartal voll nachholte, was vorher noch etwa 
zu wünschen übrig geblieben war. Für die 
Herbeiführung dieses guten Geschäftsganges wirkten 
verschiedene Faktoren zusammen. Einmal die 
starke Beschäftigung der Weberei und der Stickerei, 
was eine große Nachfrage nach Garnen für Web- 
zwecke wie für Zwirne hervorrief; dann das Auf- 
hören fast jeden Angebots von seiten Englands, 
wo die guten Garne im Inland leicht unter- 
gebracht werden konnten, und endlich die Nach- 
frage nach schweizerischen Garnen für den Export. 
Verglichen mit den Vorjahren ist die Zunahme 
der Ausfuhr allerdings nicht sehr groß, aber sie 
hatte doch neben der stärkeren Inlandsnachfrage 
der Veredlungsindustrie, die insbesondere in ge- 
färbten Garnen ihren überseeischen Absatz bedeu- 
tend vermehren konnte, eine gewisse Bedentung. 
Die Grobspinnerei war zu Anfang des Jahres 
nicht sehr stark beschäftigt, und es sammelten sich 
daher da und dort kleinere Lager an, welche auf 
die Preise drückten. Da jedoch im zweiten Halb- 
jahr die Nachfrage lebhaft einsetzte, konnten die 
Lager liquidiert werden: die Gespinste erzielten 
befriedigende Preise und wurden auf lang hinaus 
verkauft. 
Wohl infolge des Umstandes, daß eine große 
Zahl Webstühle, die man früher für die Her- 
stellung von Kalikos verwendet hatte, nun für 
andere Artikel (Musselin usw.) belegt waren, 
stockte in der ersten Jahreshälfte die Nachfrage 
nach Kalikogarnen. Es hielt schwer, für sie be- 
friedigende Preise zu erhalten. 
Für die Zwirnerei war das Jahr im allge- 
meinen befriedigend. Schon bald machte sich die 
Wirkung des neuen Zolltarifs, der den mittleren 
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