Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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lassen, Eisenbahnen zu bauen, die zunächst wirt- 
schaftlich überhaupt keine Räson zu haben scheinen, 
und in dieses Kapitel gehört die Möglichkeit der 
Unterdrückung von Aufsständen, die nur in den 
allerseltensten Fällen da vorkamen, wo schnell 
Truppen erscheinen können, da sie dann auch für 
eine Ausbreitung keine Möglichkeit haben, weil 
entsprechende Vorbengungsmaßregeln getroffen 
werden können. 
Durch die Eisenbahn wird auch der Wert des 
Kronlandes erhöht, das einen Teil des Finanz- 
vermögens des Staates bildet. Für Südwest- 
afrita wurde von dem kolonialrechtlichen Sach- 
verständigen Dr. Hermann Hesse die Größe des 
Kronlandes, das der Regierung zu Siedelungs- 
zwecken zur Verfügung steht, einschließlich des Be- 
sives der uns im Aufstande feindlich gewesenen 
Stämme, auf 50 000 000 Hektar berechnet. In 
Ostafrika ist der Wert des Kronlandes wohl noch 
bedeutender als in Südwest. Dazu kommt Ka- 
merun mit beträchtlichem Kronland, wogegen 
dessen Bedentung in Togo eine geringere ist. Das 
gleiche wie für das Kronland gilt auch für die 
Regalien, d. h. die Nutzungsrechte des Staates 
bezüglich Jagd, Fischerei, Forsten und besonders 
des Bergbaues — alles Finanzquellen, die bei 
einer fortschreitenden Erschließung des Landes 
durch Eisenbahnen nur gewinnen können. 
Es kommt dazu der Vorteil, daß Epidemien 
und Viehseuchen bekämpft und dadurch wichtige 
Aktiven erhalten werden können. Ebenso wichtig 
ist aber auch, daß durch die Eisenbahn der Ein- 
äug der Kultur materiell und ideell gefördert wird, 
was neben der bereits erwähnten Steigerung der 
Einfuhrzölle auch eine Ausbreitung christlicher Ge- 
littung und eine Erleichterung des Missionswerkes 
bedeuet, und das sind geistige Waffen gegenüber 
Roheit und Unkultur, die nur Toren unterschätzen 
können. Die Missionsfrage ist eine außerordentlich 
schwierige, und ihre Lösung schreitet in Afrika 
ganz besonders langsam vorwärts. Sie würde 
en ansgewandten Mühen der Missionare und 
Lehrer entsprechenden Fortgang nehmen, wenn 
die entsprechenden Verkehrswege geschaffen werden. 
Dies hat sehr fein und geistreich der Pater Acker 
von der Mission in Horrem kürzlich in einem 
Vortrage auseinandergesetzt. Weiter aber sind die 
Eisenbahnen auch ein Vorbeugungsmittel gegen 
eine in unkultivierten und unzugänglichen Ge- 
genden nicht gerade seltene Erscheinung, nämlich 
as Entstehen einer lokalen Hungersnot, die, wie 
er Forschungsreisende Kaiser versichert, z. B. in 
lganda im Jahre 1898 bei einem Stamme nicht 
weniger als 15 Prozent und bei einem anderen 
logar 25 Prozent der einheimischen Bevölkerung 
dahingerafft hat. Schließlich aber geben die Eisen- 
ahnen den Eingeborenen eine leicht erlernbare 
  
Arbeit und Beschäftigung und gewöhnen sic, die 
ja zum großen Teile noch nomadisch leben, an 
eine gewisse Tätigkeit, wie ja auch bei der Uganda- 
bahn im Jahre 1905 bereits über 3000 afri- 
kanische Eingeborene gearbeitet haben, während 
vorher die Arbeiter überwiegend importierte 
indische Kulis gewesen sind. 
Der staatlichen Erbauung und dem Staats- 
betriebe der Eisenbahn sind gleichzustellen solche 
Bahnbauten, welche von Privatunternehmern ge- 
baut, von ihnen auf eine bestimmte, nicht zu lange 
Reihe von Jahren gepachtet sind und welche als- 
dann zu ihrem Zeitwert auf den Staat über- 
nommen werden können; ja in gewisser Beziehung 
genießen diese einen Vorzug so lange, als die 
Einrichtung von Verwaltung und der Ersatz der 
Beamten noch mit Schwierigkeiten verknüpft ist. 
Der nächste Leitsatz beschäftigt sich mit der 
Art der fiskalischen Einnahmen, die aus den 
Kolonien gezogen werden können, und stellt zu- 
nächst unzweifelhaft richtig fest, daß dafür eine 
auf alle Kolonien, besonders wenn sie in ver- 
schiedenen Weltteilen gelegen sind, anwendbare 
Grundnorm nicht gegeben werden kann. Aber in 
dem folgenden Satze wird doch im allgemeinen 
als richtig hingestellt, daß die indirekten und 
Ertragssteuern für Kolonien, die sich aus Ein- 
und Ausfuhrzöllen, Produktionsabgaben, Umsatz= 
steuern beim Verkauf von Grundeigentum, Wert- 
erhöhungssteuern ergeben, unter Hinzuziehung der 
Lizenzen für bestimmte Gewerbe, den Vorzug ver- 
dienen. Direkte Steuern haben schon den Nach- 
teil, daß sie, abgesehen von der rohen Form, in 
der die Hüttensteuer erhoben wird, große Ver- 
anlagungsschwierigkeiten machen und ein unver- 
hältnismäßig großes Personal erfordern, mit dem 
man in den Tropen ganz besonders sparsam zu 
sein hat. So schließt die Steuer= und Abgaben- 
liste der Kapkolonie das Folgende ein: Zölle ein- 
schließlich Hafenabgaben, Hüttensteuer, Grund- 
stener, Versteigerungssteuer, Erbschaftssteuer, Hans- 
steuer, Stempelsteuer, Banknotenstener, Steuer 
auf den Ausschank geistiger Getränke, Gerichts- 
gebühren, Minenabgaben. Dies System der in- 
direkten Steuern, Verkehrs= und Ertragssteuern 
hat den Vorzug, daß es langsam und nach der 
Leistungsfähigkeit der Kolonien eingeführt werden 
kann und hinreichend flexibel ist, auch in un- 
günstigen Jahren keine zu scharfe Belastung zu 
geben. Solange aber eine Kolonie noch nicht 
sehr leistungsfähig ist, solange sie noch im ersten 
Stadium ihrer Entwicklung steht, muß auch der 
Fiskalismus sich eine größere Zurückhaltung auf- 
erlegen, und es ist ganz gewiß ein Fehler der 
deutschen Kolonialverwaltung gewesen, daß sie 
das Fiskalsystem gleich von vornherein zu umfang- 
reich und zu detailliert gestaltet hat und dadurch
	        
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