Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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gewählt, welche von einer etwaigen Aufteilung 
des Landes zu Farmzwecken ausgenommen und 
für die Eingeborenen reserviert werden 
sollten. Ich habe mich zwar nicht der Über— 
zeugung hingegeben, daß es unbedingt richtig 
wäre, Hereros auf diesen Gebieten, sei es, daß 
man ihnen das Land als Eigentum oder als 
Reservat überwiese, anzusiedeln; ich habe aber ge- 
glaubt, auf alle Fälle einen Versuch nach dieser 
Richtung hin machen zu sollen, und habe zu 
diesem Zweck auch nach Aufhebung der Sammel- 
stellen an zwei Orten, bei Otjihaenena und 
Omburo, eine Anzahl Hererofamilien unter Auf- 
sicht je eines Sanitätsunteroffiziers, die den Ein- 
geborenen bereits bekannt waren mit diesen gut 
zusammengearbeitet hatten, belassen. Die Seel- 
sorge in Omburo ist einem Missionar anvertrant. 
Da die Hereros vor dem Aufstande mit ganz 
verschwindenden Ausnahmen in der Nähe der 
Missionsstationen nur Weidewirtschaft betrieben 
haben und der Acker= und Landarbeit unkundig 
und an diesolbe nicht gewöhnt sind, so ist es mir 
in hohem Grade zweifelhaft, ob sic an jenen 
Stellen werden genügend produzieren können, um 
sich selbst zu ernähren. Bis zur nächsten Ernte 
ist deswegen auf alle Fälle Fürsorge getroffen 
worden, daß ihnen aus Regierungsbeständen mit 
Proviant aufgeholfen wird. 
Ich bemerke hierbei, daß die große Anzahl 
von Hereros, welche sich in den Sammellagern 
gestellt hat, kein Stück Bieh mehr ihr eigen nannte 
und, soviel mir bekannt, weder ein Rind noch ein 
Stück Kleinvieh, sondern lediglich drei Pferde ein- 
gebracht und abgegeben hat. Hieraus folgt, daß 
die im Reichstag erwähnte Resolution, daß den 
Hereros so viel Land gegeben werden sollte, daß 
sie in bisheriger gewohnter Weise ihrer Weide- 
wirtschaft nachgehen könnten, nicht ausgeführt 
werden konnte, da die Hereros mit dem Lande 
ohne Vieh nichts machen können. Oerr Wirk- 
licher Geheimrat Deruburg hat im Plenum mit- 
geteilt, daß die Zahl des Viehs, welches die 
Hereros noch vor dem Aufstande besessen haben, 
sich auf 200 000 Stück belausen haben dürfte. 
Ich bin der Meinung, daß diese Zahl niedrig 
gegriffen ist. Wenn man den derzeitigen Preis 
der Rinder in Höhe von 300 Mk. zugrunde legt, 
so würde das Vieh einen Wert von 60 Millionen 
Mark betragen haben, und wenn ich nun annehme, 
daß die Hereros nur noch ein Drittel der ur- 
sprünglichen Zahl betragen, so würden 20 Millionen 
Mark erforderlich sein, um sie mit demjenigen 
Viehbestand auszurüsten, mit dem sie in gewohnter 
Weise ihrem Wirtschaftsbetriebe nachgehen könnten. 
Meine Herren, als am 1. Juni d. Is. in Süd- 
westafrika die Nachricht eintraf, daß die Bei- 
hilse für die durch Krieg Geschädigten vom 
  
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Rrichstage abgelehnt worden sei, hat sich 
der gesamten Bevölkerung die größte Niedere 
geschlagenheit bemächtigt. Aber diese Nieder- 
geschlagenheit wäre in die tiefste Entrüstung um- 
geschlagen, wenn eitwa diejenigen Mittel vom 
hohen Reichstage zur Verfügung gestellt worden 
wären, welche notwendig waren, um der Resolution 
des Reichstages prattische Bedentung zu geben. 
Ohne daß das Gonvernement ausdrücklich zu 
diesen Ausgaben ermächtigt wurde, war es aber 
nicht in der Lage, dieselben zu machen, da etat- 
mäßige Mittel nicht zur Verfügung standen. Es 
ist zweierlei, einen noch so gut gemeinten Be- 
schluß hier zu fassen und ihn draußen prakiisch 
auszuführen. Es wäre geradezu eine Gransam= 
keit gewesen, diese Hereros, so wie sie aus dem 
Folde zurückkamen, ohne Vieh auf das Land zu 
sotzen, wo sie ohne Unterstützung der Regierung 
cinem sicheren Hungertode entgegengegangen 
wären. Denn die Hereros trafen zum großen 
Teil in dem elendesten Zustande, manche geradezu 
zu Skeletten abgemagert, ein, und es bedmifte 
häufig wochenlanger Pflege, bevor sie zur Arbeit, 
oder wenigstens zu ernsterer Arbeit verwendet 
werden konnten. Es ist nun auch die Meinung 
beider Missionen draußen im Schutzgebiet, sowohl 
der katholischen wie der evangelischen, daß es 
kein Glück, sondern geradezu ein Unglück für die 
Hereros wärec, wenn man unter den gegebenen 
Umständen nach Maßgabe jener Resolution mit 
ihnen verführe. Soviel ich weiß, hat die katho- 
lische Mission im Schutzgebiet stets auf diesem 
Standpunkt gestanden, während die evangelische 
sich erst allmählich dazu bekehrt hat. Die letztere 
hat auf der alljährlichen Konferenz der Herero- 
missionare, welche kurz vor meiner Abreise in 
Otjimbingne stattgefunden hat, und an welcher 
anuch der von Deutschland hinübergereiste Missions-= 
inspektor Spieker teilnahm, nach den mir ge- 
machten Mitteilungen einstimmig beschlossen, daß 
die Unterbringung der Hereros in Reservaten an- 
gesichts der gegebenen Verhältnisse nicht wünschens- 
wert sei. Mir ist bekannt, daß der Missions- 
inspektor Spieker ein von der größten Für- 
sorge und tiefsten Sympathie für die Eingeborenen 
beseelter Mann mit ganz anderen Ideren nach 
Südwestafrika hinnusgegangen ist, und daß er sie 
an Ort und Stelle angesichts der Verhältnisse, 
die er vorgefunden hat, und nach Rücksprache mit 
den dort tätigen Missionaren in bezug auf diese 
Reservatsfrage gänzlich geändert hat. Auch die 
Missionen sind davon überzeugt, daß wir zur 
Zeit den Eingeborenen keine größere Wohltat 
erweisen können, als wenn wir sice in humaner 
Weise zur Arbeit erziehen. 
Es ist natürlich der dringende Wunsch des 
Gonvernements, die Eingeborenen, die uns auch
	        
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