Metadata: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

728 II. 2. Belle Alliance. 
neigung und zeigte so üblen Willen, daß ihn Gneisenau, sicher mit Unrecht 
französischer Sympathien beschuldigte. Baares Geld, woran Wellington 
Ueberfluß hatte, fehlte den Preußen gänzlich; schon seit anderthalb Mo— 
naten war der Armee kein Sold bezahlt worden. Der treffliche General— 
intendant Ribbentrop wußte keinen Rath mehr. Blücher schrieb dem 
Staatskanzler zornig: „der niederländische König ist der ungefälligste, 
heimlichste, interessirteste Mensch.““) Um der dringendsten Noth abzuhelfen, 
stellte er eigenmächtig Wechsel aus, die von den Elberfelder Kaufleuten 
auf seinen großen Namen hin bezahlt wurden. Seine Truppen mußte 
er vorläufig von den Bauern verpflegen lassen und ebendeshalb weiter 
als räthlich war im Norden der Maas und Sanbre zwischen Fleurus, 
Namur, Cinay und Hannut zerstreuen. Alle diese Sorgen fochten ihn in 
seiner Siegeszuversicht gar nicht an. Auf den ersten Blick durchschaute er 
die innere Schwäche des neuen Kaiserreichs: „die Nation ist bei Weitem nicht 
so vor Bonaparte portirt wie die französischen Blätter es ausposaunen.“ 
Er sagte mit prophetischer Sicherheit voraus, daß die Entscheidung hier 
auf dem belgischen Kriegsschauplatze fallen werde. „Beendigen wir den 
Krieg glücklich“, schrieb er dem Staatskanzler, „so gerathen alle großen 
Herren in meine Schuld; und gut soll und wird es gehen, denn die 
große Macht, so sich die Sicherheitscommissarien von Bonaparte träumen, 
ist ein Hirngespinnst. Es fehlt ihm an Allem und besonders hat er das 
Zutrauen zu sich selbst und seinem Anhang verloren.“**) 
Auch über die Forderungen, welche Deutschland nach dem Siege an 
die Franzosen zu stellen habe, war Blücher von Haus aus mit sich im 
Reinen; „ich hoffe“, so schrieb er schon zu Anfang Mai, „dieser Krieg wird 
sich so endigen, daß Frankreich in Zukunft Deutschland nicht mehr so 
gefährlich sein wird. Elsaß und Lothringen müssen sie hergeben.“ Und 
wunderbar, derselbe Mann, in dem sich der nationale Stolz und Haß 
des norddeutschen Volkes verkörperte, war zugleich ein Kosmopolit im 
edelsten Sinne. Es wird in alle Zukunft eine stolze Erinnerung für 
unsere Nation bleiben, wie jener weitherzige deutsche Weltbürgersinn, der 
bisher nur unserer Bildung zu Gute gekommen, für unser Staatsleben ein 
Fluch gewesen war, jetzt einmal unter höchst außerordentlichen Verhält- 
nissen auch politisch fruchtbar wurde und Deutschlands Feldherren be- 
fähigte europäische Politik großen Stiles zu treiben. In Blücher's Augen 
war dieser Kampf ein heiliger Krieg der verbrüderten Völker Europas 
für die gemeinsame Freiheit, und nichts schien ihm selbstverständlicher als 
daß der Bruder für den Bruder einstehen müsse bis zum letzten Bluts- 
tropfen. Mit einer rückhaltlosen Selbstvergessenheit, deren schlechterdings 
nur der deutsche Idealismus fähig war, erklärte er sich bereit alle Kräfte 
  
*) Blücher an Hardenberg, Namur 27. Mai 1815. 
**) Blücher an Hardenberg, Namur 2. Juni 1815.
	        
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