Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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Die Bestimmungen über die Vertragsvergütung 
geben die Gewähr, daß der Fiskus mit dem 
veranschlagten Baukapital auskommen wird, da 
alle etwaigen Mehrkosten zu Laßen der Bau- 
firma gehen. 
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Deutsch-MNeuguinea. 
eEingeborenen-„Kriege“ auf der Gazelle-Palbinsel.-) 
Kurze Fehden und lange Kriege gehören 
auf der Gazelle-Halbinsel wie im ganzen Bismarck- 
Archipel zur Tagesordnung. In früheren Zeiten 
noch mehr wie jetzt, denn der Einfluß der An- 
siedler und der Kaiserlichen Verwaltung beginnt 
glücklicherweise einen Wandel zum Besseren zu 
schaffen. Wo jedoch dieser Einfluß nicht vor- 
handen ist, da genügt der geringfügigste Grund, 
um die Eingeborenen zu den Waffen greifen zu 
lassen. Glücklicherweise sind diese Kriege, obgleich 
mit großem Lärm in Zzene gesetzt, nicht sehr 
blutig. Einige wenige Tote auf beiden Seiten 
genügen, um Friedensverhandlungen anzubahnen; 
benachbarte Freunde sind stets geneigt, als Ver- 
mittler aufzutreten, denn als solche haben sie von 
beiden Parteien besondere Einnahmen und Spor- 
teln, die recht annehmbar sind. Obgleich nun 
diese Kriege manche Nachteile für die Parteien 
zur Folge haben, bin ich doch nach lang- 
jähriger Beobachtung zu der Überzeugung ge- 
kommen, daß es falsch ist, wenn man in ihnen 
den Grund zu der Abnahme der Bevölkerung 
sieht. Leugnen läßt sich allerdings nicht, daß in 
der Regel die getöteten Feinde Männer im besten 
Lebensalter sind, aber anderseits glaube ich, daß 
der Krieg auf die Eingeborenen auregend wirkt, 
ihre geistigen Kräfte schärft und auch die phy- 
sischen Eigenschaften entwickelt. Ohne Krieg und 
Fehde erschlafft ein Naturvolk, wird geistig und 
körperlich indolent und verschwindet im Laufe 
der Zeit von der Bildfläche. Wir sehen dies 
vielfach auf den kleinen Inseln des Stillen 
Ozeans, wo die Natur der Bevölkerung reichliche 
Unterhaltsmittel gewährt, die ohne sonderliche 
Körperanstrengung zu erlangen sind. Auf allen 
diesen Inseln, wo weder Krieg noch Arbeit die 
Anspannung der geistigen und physischen Kräfte 
erfordern, geht die Bevölkerung zurück, trotz 
anscheinend kräftiger Konstitution. Wenn wir 
daher den Eingeborenen die Kriegführung ver- 
*) Diese interessanten Ausführungen entnehmen 
wir dem im „Kol. Bl.“ bereits besprochenen Werle: 
Dreißig Jahre in der Südsee. Von R. Par- 
kinson. Herausgegeben von Dr. B. Ankermann. 
Verlag Strecker & Schröder, Stuttgart. (Fünf Liefe- 
rungen sind bis jetzt erschienen.) 
  
bieten, müssen wir darauf bedacht sein, ihnen ein 
anderes Anregungsmittel zu geben, und ein solches 
ist die Arbeit. Wenn die Bevölkerung des Ar- 
chipels zu einer täglichen, regelmäßigen Arbeit 
angehalten werden könnte, dann würden die 
weiten unkultivierten Flächen, die jetzt überall zu 
finden sind, bald verschwinden, und eine kräftigere 
und gesündere Bevölkerung würde allmählich 
heranwachsen. Aus eigener Initiative wird jedoch 
wohl nie ein Eingeborener zur regelmäßigen 
Arbeit greifen, und es ist die Pflicht der Regierung, 
der Missionen wie der Ansiedler, durch einen ge- 
linden Druck die Eingeborenen zur Arbeit an- 
zuhalten, um aus ihnen nützliche Mitglieder des 
Gemeinwesens zu machen. 
Doch wieder zurück zu den „Kriegen“ der 
Gazelle-Halbinsel! Den casus belli bilden am 
häufigsten die Weiber. Der Anhang des Be- 
leidigers beeilt sich sofort, der beleidigten Partei 
die für den bestimmten Fall übliche Quantität 
an Tabu (Muschelgeld) durch eine neutrale Partei 
zuzustellen; die Annahme verhindert den Ausbruch 
der Feindseligkeiten. Um aber auf jeden Fall 
vorbereitet zu sein, macht man sich kriegsbereit, 
stellt Posten aus, um einen etwaigen Überfall zu 
vereiteln, schickt die Taburollen mit den Weibern 
zu befreundeten Eingeborenen der Nachbarschaft 
oder verbirgt, wenn Gefahr im VBerzuge sein 
sollte, den Schatz an vorher bestimmten Plätzen 
im Walde. Die schwächere Partei räumt auch 
wohl ihre Wohnplätze und begibt sich nach dem 
kamare oder Kampfplatz, in der Regel einem 
offenen Grasfelde, von wo aus man die An- 
näherung des Feindes beobachten kann. 
Wird das angebotene Sühnegeld nicht an- 
genommen, so beginnt der eigentliche Krieg, 
winaruba oder winarua. Die Parteien stehen 
sich nun gegenüber, hüten sich jedoch recht sehr, 
handgemein zu werden. Es werden Scheinangriffe 
gemacht, jede Partei verhöhnt die andere und 
nachdem dies eine Zeitlang angehalten hat, 
namentlich bei hereinbrechender Dunkelheit, zieht 
sich der ganze Haufe zurück, denn die Nacht ist 
keines Menschen Freund; es schläft sich besser in 
der Hütte als auf dem weiten Kampffeld. Am 
folgenden Tage geht die Geschichte wieder los 
und dauert nun so lange, bis die Vermittler mit 
der beleidigten Partei über eine bestimmte Sühne- 
zahlung einig sind und diese erlegt ist. 
Komplizierter wird der Fall, wenn einige 
besonders große Helden aus dem Hinterhalt einen 
der Gegenpartei töten. Dies kann nur durch 
Blutrache gesühnt werden; die Anzahl der Ge- 
fallenen muß auf beiden Seiten eine gleiche sein, 
ehe man an eine friedliche Lösung denken kann. 
Bei einer solchen zahlt jede Partei der anderen 
ein bestimmtes Sühnegeld für die Erschlagenen, 
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