Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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wir erst den Futterbeutel füllen und dann einzeln 
den Tieren vorhängen mußten. 
Mittags erschienen auf den Bergen plötzlich 
sechs halb verhungerte Hunde. Da wir kurz vor 
Obib eine frische Fußspur gesehen hatten, ver- 
mutete ich, daß diese Hunde Buschleuten gehörten, 
die, wohl hinter den Klippen versteckt, es nicht 
wagten, zu uns ans Wasser zu kommen. Trotz- 
dem ich durch unsere Eingeborenen sie rufen und 
ihnen Tabak versprechen ließ, kamen sie nicht 
zum Vorschein. 
Nachmittags ritten wir weiter. Die Pad nahm 
wieder südliche Richtung und führte nach ungefähr 
18 km durch hohe, mit niedrigem Buschwerk und 
spärlicher Weide bestandene Sanddünen, in denen 
sich auffallenderweise zwei unbewachsene Wander- 
dünen befanden. Dieser Dünengürtel war un- 
gefähr 5 km breit. Als wir nach zweistündiger 
Rast in diesen Dünen uns zum Weitermarsch 
fertigmachen wollten, erschraken die Maultiere 
vor den Kamelen, rissen sich los und rannten 
fort. Die Eingeborenen verfolgten sofort die 
Spur der Maultiere, mit denen sie erst am nächsten 
Morgen zurückkamen. Nachmittags konnten wir 
endlich weiterreiten. 
Hinter den Dünen dehnt sich eine freie, von 
niedrigen Kuppen umgebene Fläche aus, die nach 
dem Oranje zu abfällt. Von dieser Fläche führte 
die Pad in steilem Aufstieg auf eine sandige Höhe, 
wo niedriges Gestrüpp, Milchbüsche und die (von 
den Eingeborenen so genannten) Arubüsche wuchsen. 
Dieser Arubusch hat dicke, grüne, wasserreiche 
Blätter, die Blüte ähnelt der Rosenblüte. 
Auf dieser Höhe wehte uns ein frischer, kalter 
Südwestwind entgegen; am Horizont tauchte der 
bewölkte Himmel in einen dunkelblauen Streifen 
unter, den wir für das Meer hielten. 
Bei Sonnenuntergang rasteten wir zwei 
Stunden und ritten dann die ganze Nacht hin- 
durch mit kleinen Pausen. Endlich bei den ersten 
Strahlen der aufgehenden Sonne sahen wir vor 
uns und links von uns als silbernen Streifen 
den Oranje, zu dem die Höhe, auf der wir uns 
befanden, nach links (Osten) steil, nach Süden 
allmählich abfiel. 
Bald konnten wir auch die Häuser von Groß-= 
Derm, Angwigarub und Kord Dorn unterscheiden. 
Unsre Tiere, die am Tage vorher nicht hatten 
getränkt werden können und jetzt wohl die Nähe des 
Wassers witterten, griffen tüchtig aus. Nach kurzem 
Trabe hielten wir vor dem Pontok des Kauf- 
manns Tempel, der sich seit Juni in Angwigarub 
aufhielt. Die Farm Angwigarub hat der Bur 
Flores Brand von der Lüderitzgesellschaft ge- 
pachtet. 
Sein Viehbestand war noch gering, weil er 
erst nach Friedensschluß seine Farm bezogen 
  
hatte. Während des Orlogs hatten ihm die 
Hottentotten 1905 das ganze Vieh abgetrieben. 
Er selbst war mit seiner Familie nach Groß- 
Derm zu seinem Vetter, Hendrik Louve, geflüchtet, 
bei dem er für 10 ./7 monatlich Arbeit erhielt. 
Der Oranje hat hier eine Breite fast von zwei 
Kilometern. An den Ufern steht dichtes Gebüsch, 
im Strom sind lange Sandbänke und sieben mit 
Buschwerk, Schilf und Weide bewachsene Inseln 
zu sehen. Bei niedrigem Wasserstande kann man 
die Inseln trockenen Fußes erreichen, während bei 
abkommendem Flusse die Verbindung aufhört und 
die Sandbänke unter Wasser stehen. 
Tempel sorgte für uns in liebenswürdigster 
Weise, stellte seinen Pontok zur Verfügung und 
verschaffte mir bei den Buren Gelegenheit, frisches 
Fleisch zu kaufen. Am Nachmittag begleitete er 
mich nach Sandkraal, das der Bur Giel Louve 
ebenfalls von der Lüderitzgesellschaft gepachtet hat. 
Der Weg von Angwigarub bis Sanddkraal 
führt dicht am Fluß entlang. Das Gelände ist 
frei und offen, welliges Hügelland mit niedrigem 
Buschwerk, am Ufer grüne Weiden. Ein kleiner 
Berg erhebt sich halbwegs Sandkraal, der 
Swartkop, an dem der Oranje eine Breite von 
fast drei Kilometern erreicht. 
Bur Giel Louve hat sich während des Orlogs 
beizeiten über den Oranje geflüchtet, er besitzt 
jetzt eine stattliche Herde von 400 Bockies und 
ungefähr 20 Pferde. 
Von Sandkraal bis zur Küste sind es noch 
sechs Kilometer. Wir ritten erst am nächsten 
Morgen ans Meer. Doch merkt man bereits in 
Sandkraal seine Nähe. Ein frischer, kalter Süd- 
westwind weht, die Flut dringt über Sandkraal 
hinaus bis Seekooidragi vor, wo das letzte Ge- 
büsch am Oranje steht. 
Am Meer schiebt sich von Norden eine lange 
Sandbank nach Süden vor; sie läßt dem Oranje 
nur 60 m Mündung. Tausende von Flamingos 
saßen am Wasser, in dem sich wilde Enten, 
Gänse und Möven tummelten. Bei der flachen 
Küste ist die Brandung nicht bedeutend. Auch 
das englische Ufer ist flach, erst in weiter Ferne 
sieht man einzelne Bergrücken sich erheben. 
Am Oranje-Ufer von Sandkraal bis kurz vor 
das Mcer hat Giel Lonve große Binsenanpflan- 
zungen angelegt, um den Schlamm zum Anbau von 
Kornfeldern urbar zu machen. An der Brue- 
Insel liegt sein Boot, das er zum Fischfang be- 
nutzt. Die Netze strickt er selbst. 
Von Angwigarnb ritt ich den Fluß aufwärts, um 
die Stelle zu erreichen, wo wir wenige Tage zu- 
vor den Oranje verlassen hatten. Ich will in 
diesem Zusammenhange den Lauf des Oranje von 
Sendlingsdrift flußabwärts kurz beschreiben.
	        
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