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einem langen Marsch nicht gewachsen war, über-
nahm ich die Aufgabe, diesen Dolmetscher, der
nicht allzuweit wohnen sollte, aufzusuchen und
der „Langeoog“ zuzuführen. Hinter dieser ganzen
Küste bis zum Flusse und über diesen zum Teil
hinaus bis zum Ramu dehnt sich eine ungeheure
Lagune aus, in der sich unzählige große und
kleine, mit Mangroven und Sagopalmen bestan-
dene Inseln befinden. Man fährt auf dieser
Lagune zuweilen wie auf einem großen Binnensee,
auf dem Wind und Wellen dem schwankenden
Einbaum gefährlich werden, zuweilen wie auf
einem mächtigen Strom mit ganz erheblicher
Strömung. Dann wieder glaubt man auf einem
Urwaldfluß von mittlerer Breite zu sein und
schließlich auf schmaler Wasserrinne, über welcher
die Mangroven ein Laubdach bilden, wo es nach
fauligem Holz und stagnierendem Wasser riecht,
wo unzählige Moskitos und nicht wenige Alliga-
toren ihre unerfreuliche Tätigkeit entfalten. Die
Eingeborenen dieser Gegend nennen die Lagune
Avok. Ich ließ mir in Morik einen Einbaum
geben, nahm einen Soldaten und einen Diener
mit und fuhr zwei Stunden auf dieser Lagune
zunächst in südöstlicher, schließlich in annähernd
östlicher Richtung. Der Unkundige kann in einem
solchen Einbaum nur flach auf dem Boden sitzen
oder liegen. Sobald er oben auf dem Rande
Platz nimmt, bringt er das Fahrzeug unfehlbar
zum Kentern. Die Eingeborenen aber stehen auf-
recht in dieser schwankenden Barke, die sie ver-
mittels langer Pagajen mit wunderbarer Sicherheit
und Schnelligkeit durchs Wasser treiben.
Am Ende dieser Fahrt wurde Limagerip,
ein breiter, aber flacher Ausfluß der Lagune ins
Meer, erreicht und überschritten. Meine drei
Morikleute zogen hier ihren Einbaum auf den
Strand und versteckten ihn im Ufergebüsch.
Ein etwa zweistündiger Marsch am Meeres-
strand führte uns zu einem anderen, tieferen, für
Boote und kleinere Fahrzeuge passierbaren Ausfluß
der Lagune, Derpuap genannt. Im geleich-
namigen, am Westufer gelegenen Ort sollte unser
Mann wohnen. Draußen vor dem Riff und etwa
eine Stunde weiter nach Osten war die „Langeoog“
vor Anker gegangen. Ein von ihr für mich aus-
gesandtes Boot fuhr gerade in den Ausfluß hin-
ein, als ich zu Lande dessen Westufer erreichte.
Oben auf dem Vorbau eines mächtigen Pfahlbaues
von Derpuap fand große Versammlung statt.
Man brachte mir eine Matte und reichte mir eine
angerauchte Zigarette zur Begrüßung; ich gab
den Häuptlingen je eine Stange Tabak. Dabei
stellte sich heraus, daß der gesuchte Dolmetscher
nach einem mehr nach Osten liegenden Platz ver-
zogen war. Ein junger Mann aber, der die
Sprache der Uferbewohner des Unterlaufs des
Kaiserin Augustastroms verstand, wollte mit mir
gehen, um ihn zu holen. Beide wollten dann
als Dolmetscher die „Langeoog“ stromaufwärts
begleiten. Mit diesem Mann und dieser Nachricht
kam ich an Bord zurück. Hier war aber inzwischen
der Leitung die Zeit zu lang geworden; man
hatte sich zwei andere, wie man meinte, aus-
reichende Dolmetscher besorgt und wollte nicht
mehr die eine Stunde opfern, um jenen Einge-
borenen auch noch zu holen. Wir fuhren ohne
ihn ab. Diese Unterlassung sollte sich als ein
schwerer Fehler erweisen. Zweieinhalb Tage
während der dreieinhalbtägigen Fahrt waren wir
völlig außerstande, uns mit den Eingeborenen zu
verständigen. Auch nicht ein einziger Ortsname
konnte oberhalb der Stelle, die der Dampfer
„Siar“ im Juli erreicht hatte, einwandsfrei fest-
gestellt werden. Aber genug des Interessanten
und Lehrreichen blieb übrig.
Die Karte unserer Südsee-Besitzungen wimmelt
geradezu von modernen, nichtssagenden, unwissen-
schaftlichen Namen, die jetzt aber glücklicherweise
nach und nach wieder verschwinden. Kapitän
Roscher von der „Langeoog“ hat die Nachteile
dieses Systems für die Navigation in unvermessenen
Gewässern wiederholt schwer empfunden. Man
kann es sich noch gefallen lassen, wenn die Namen
verdienter Entdecker verewigt werden; wenn aber,
um ein Beispiel zu nennen, ein Klosett= und
Badewannenfabrikant von Sydney, der auch nicht
die geringsten Verdienste um die Südsee oder
auch nur die leisesten Beziehungen zu ihr hat,
im Hannam-Hafen, in der Hannam-Insel und
im Hannam-Berge seit Jahren mit seinem Namen
das Kartenbild unseres schönen Neu-Pommern
ziert, dann kann man nur hoffen, daß das Ver-
schwinden unerwünschter Namen und ihr Ersatz
durch Bezeichnungen deranwohnenden Eingeborenen
ein schnelleres Tempo annehmen möge. Der
große Strom Neuguineas aber wird den Namen
unserer verewigten Kaiserin behalten, auch aus
geographischen Gründen. Denn diese Südwasser-
ader, die bei den Eingeborenen des Mündungs-
gebiets Azimar heißt, wird schon einige Kilometer
weiter oberhalb von den Uferbewohnern Kokuan
genannt. In dieser Weise geht es offenbar den
ganzen Strom hinauf weiter; einen durchgehenden
Eingeborenenstamm gibt es hier ebensowenig, wie
dies am Mississippi oder am Marañon der Fall
war. Ich glaube, daß man sich im deutschen
Volk kein richtiges Bild davon macht, welch
mächtiges Gewässer wir in diesem Strom besitzen.
Ich bin den Mississippi und den Yangtse von ihren
Mündungen an hinaufgefahren und habe den
Eindruck, daß der Kaiserin Augustastrom mit diesen
in eine Reihe gehört. Er ist verhältnismäßig
nicht lang, aber sehr mächtig.