Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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Komerun. 
Bongor und seine belden. 
Von Oberleutnant Königs. 
(Mit einer Kartenskizze.) 
Der Bongor-Bezirk wird bewohnt von fol- 
genden großen Heidenstämmen: dem Gahar-, dem 
Wulija-, dem Gumei-Stamm, einem Teile des 
Musgum= oder Mussug-Stammes, den folgenden 
kleineren selbständigen Stämmen: dem Bugudum-, 
dem Gissei= und dem Wina-Stamm und endlich 
von dem kleinen deutschen Teil des großen, auf 
französischem Gebiet wohnenden Massa-Stammes. 
Die genannten drei großen Heidenstämme 
kann man unter dem Namen „Bana“ zusammen- 
fassen. Die Eingeborenen dieser Stämme nennen 
sich gegenseitig und zum Unterschied von anderen 
Stämmen „Bana“, d. h. wörtlich „Freund“. Diese 
drei Stämme haben die gleiche Sprache, ebenso 
noch der Bugudum-Stamm. Doch findet man 
bei diesem einzelne dialektische Unterschiede. Der 
Musgum= oder Mussug-Stamm hat eine Sprache 
für sich. Diese Heiden nennen sich selbst „Mussug“, 
die Fulbe und Haussas sagen „Musgum“. 
In Bongor selbst befindet sich eine Haussa- 
Niederlassung, die im November 1907 eine männ- 
liche Bevölkerung von 250 Köpfen zählte. 
Der Bongor-Bezirk wird nach Vereinbarung 
mit den Nachbarbezirken begrenzt: im Norden von 
den Mussug-Stämmen der Fulum, Birmi und 
Mohena, im Osten von dichtem Laubwaldbusch, 
im Süden von der französischen Grenze, im Westen 
von dem Gebiet des Heidenhäuptlings Tschatibali, 
dem Lamidat Kalfu und dem Lamidat Mendif. 
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Die Heiden wohnen in runden Lehmhäusern, 
welche mit Strohdächern bedeckt sind. Der Durch- 
messer des Hauses beträgt etwa 4 m, die Höhe 
der Lehmmauer 2 bis 3 m. 
Mehrere solcher Häuser, je nach Größe der 
Familie, vier, fünf und mehr, bilden zusammen 
einen Kreis, in dessen Innerem größere und klei- 
nere Lehmgefäße zur Aufbewahrung des Getreides 
aufgestellt find. Diese Lehmgefäße, die wie riesige 
Urnen aussehen und deren größte bis 4 m Durch- 
messer erreichen, stehen — zum Schutze des Ge- 
treides gegen Termitenfraß — auf einem Gerüst 
aus Eisenholz. 
Die Bekleidung der männlichen Heiden besteht 
in einem Schurzfell aus Schaf-, Ziegen= oder 
Wildleder; in der Form sieht es genau wie ein 
Frackschoß aus. Mit diesem Fell bedeckt der Mann 
nur die Verlängerung des Rückens. Die Frack- 
zipfel reichen etwa bis an die Kniekehlen. Die 
Scham trägt der Heide völlig unbedeckt. 
  
Die Bekleidung der Frauen besteht nur aus 
einem dicken, rotgefärbten Baumwollstrick, der 
zwischen den Oberschenkeln durchgezogen wird 
und dessen beide Enden an einem Bindfaden, der 
rund um die Hüften läuft, befestigt wird. Die 
Mädchen gehen bis etwa zu ihrem 13. Lebens- 
jahre völlig nackt. Die Frauen verunzieren ihr 
Gesicht dadurch, daß sie in die Ober= und in die 
Unterlippe kleinere und größere Holzteller einlegen. 
Man sieht Holzteller in der Größe einer Mokka- 
untertasse. 
Die Bewaffnung der Heiden besteht aus einem 
1 bis 1½ m langen und im Durchmesser etwa 
3 cm dicken Knüppel aus eisenhartem Holz, ferner 
aus dem Speer und dem Wurfeisen. Bogen und 
Pfeile sowie Gift kennen die Leute nicht. Die 
Fechtweise mit dem Knüppel ist nicht ohne Kunst. 
Sie hat sehr viel Ahnlichkeit mit dem militärischen 
Säbelfechten verbunden mit Zurückspringen, Ducken 
und Ausfällen. Man sieht regelrechte Paraden 
wie bei uns zu Hause gegen Prim, Quart und 
Terz. Die Jünglinge werden von den Alten 
von früh auf in dieser Fechtkunst eingeschult. 
Die Kampfweise mit dem Knüppel ist dem 
Heiden die geläufigste. Des Speers und Wurf- 
eisens bedient er sich meist nur aus der Deckung 
heraus, wie z. B. bei der Verteidigung seines 
Gehöfts. Das Wurfeisen ist ein etwa 
75 cm langer platter, scharfgeschliffener 
Eisenstab mit umgebogener Spitze. Et- 
was unterhalb der Spitze zweigen sich 
zwei parallel laufende, etwa 20 cm lange 
scharfgeschliffene Eisenarme ab. Der 
Handgriff des Eisens ist meist mit Bast 
umwickelt. Dieses Eisens bedient sich der 
Heide hauptsächlich gegen Angriffe Be- 
rittener. Er soll es mit großem Geschick 
an die Fesseln der Pferde werfen und 
diese dadurch zu Fall bringen. 
Der Heide liebt den Kampf Mann gegen 
Mann. Es steckt viel Ritterlichkeit in den Leuten 
und man darf sie nicht deshalb unterschätzen, weil 
sie vor den Präzisionswaffen des Weißen und 
seiner Soldaten die Flucht ergreifen. In den 
Gegenden, in denen die Heiden unsere Hinterlader 
noch nicht kannten, sind sie mit großer Tapferkeit 
gegen diese vorgegangen. Diese Heiden, mit Ge- 
wehren versehen, und seien es auch nur Vorder- 
lader, wären nicht zu unterschätzende Gegner. 
Vor den Vorderladern der Fullahs fürchten 
sie sich gar nicht, wie vor Kurzem ein Beispiel 
bewies. Sechs Fullahleute drangen in eine Hei- 
denlandschaft ein, um dort Weiber und Vieh zu 
rauben; sie schossen auf zehn ihnen entgegentretende 
Heiden ihre Gewehre ab, wobei ein Heide nieder- 
geschossen wurde. Trotzdem drangen die Heiden, 
nur mit dem Knüppel bewaffnet, tapfer weiter 
 
	        
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