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Das Auftreten der Weißen in Samoa und die
frühzeitig erfolgende Bekehrung der Samoaner zum
Christentum — Missionare wirken bereits seit 1830 in
Samva — indern an diesem Verhältnis nicht viel.
Im Gegenteil wurde die Lage durch die Einfuhr von
Tausenden von Hinterladern durch die weißen Kaufleute
und Händler eher verschlechtert. Doch spielten sich die
Streitigkeiten und Kämpfe der Samoaner stets unter-
einunder ab. Angriffe gegen die Weißen erfolgten
nicht, obwohl bereits seit 1857 die Hamburger Firma
Godeffroy, jetzt Deutsche Handels= und Plantagen-
gesellschaft der Südseeinseln, eine bedeutende Nieder-
lassung in Apia begründete, und späterhin weitere
Handelsniederlassungen und Pflanzgungen dort ent-
standen. Die Anwesenheit von Angehörigen verschie-
dener Nationen, besonders von Deutschen, Engländern
und Amerikanern, und die daraus resultierende Eifer-
sucht, Einfluß auf die Eingeborenen zu gewinnen, trug
nicht zur Beilegung der Zwistigkeiten der Samoaner
bei. Beschädigungen von Pflangungen und von
sonstigem Eigentum von Europäern sind nicht
selten bei den Kämpfen vorgekommen, obwohl die
Angriffe niemals gegen die Weißen als solche ge-
richter wurden. Wiederholt sahen sich deutsche,
englische und amerikanische Kriegsschiffe genötigt, ein-
zugreifen. 1888 griff ein deutsches Landungskorps,
in der Absicht, aufständische Samoaner zu entwaffnen,
in die Kämpfe der Eingeborenen ein. Es kam zu
einem Kampfe, bei welchem zwei Secoffiziere und drei-
zehn Matrosen den Heldentod starben. Als aber im
folgenden Frühjahr 1889 ein schwerer Orkan über
Samoa hinbrauste, in welchem zwei deutsche Kriegs-
schiffe und eine größere Anzgahl braver deutscher Sce-
leute ihren Untergang fanden, da benutzten die feind-
lichen Samoaner nicht nur nicht diese schwierige Si-
tuation zum Angriff gegen die Deutschen, sondern
leisteten ihnen sogar Hilfe in der Not. Ebensowenig
wie bei dem erwähnten Kampfe zwischen deutschen
Matrosen und Samoanern letztere zu Angriffen gegen
die deutschen Ansiedler geschritten sind, haben sie sich
bei späteren Konflikten mit englischen und amerikani-
schen Truppen 1899 zum kriegerischen Vorgehen gegen
die im Lande angesessenen Augehörigen dieser Nationen
hinreißen lassen. Es ist dies in der Tat ein Ver-
halten, durch das diese naiven Naturkinder in vorteil-
haftester Weise von den afrikanischen Stämmen ab-)
stechen, mit denen Deutschland ja zum Teil sehr trübe
Erfahrungen hat machen müssen. Wenngleich die Sa-
moaner auch ihre Untugenden besitzen, als welche
hauptsächlich IJndolenz, Mangel an Wahrhaftigkeit und
Lust zur Intrige zu nennen sind, so verdienen sie doch
nicht, von den Fremden wie blutdürfstige Wilde be-
handelt zu werden, die zum Schutz der eigenen Lands-
leute niederkartätscht werden müssen, sondern mehr wie
unartige Kinder, die trotz ihrer Fehler im Grunde
gutartig und harmlos sind. Selbst bei ihren schlimmsten
Fehden untereinander haben sie niemals Frauen und
Kinder verletzt, was von vielen an materieller Kultur
über den Samoanern stehenden Völkern nicht gesagt
werden kann.
Schon vor der Hissung der deutschen Flagge in
Samoa waren von europäischer Seite verschiedene
Versuche gemacht worden, den Zustand beständiger
Zwistigkeiten und Fehden der Samoaner zu beseitigen
und eine gefestigte Regierung einzusetzen. Jusbesondere
hatte Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderte
ein amerikanischer Colonel Steinberger, der sich zum
„Premierminister“ des „Königs"“ Malietoa aufschwang,
eine Verfassung nach dem Muster Hawaiis einführen
wollen, jedoch ohne dauernden Erfolg. Ende der 80er
Jahre organisierte der frühere deutsche Hauptmann
Brandeis die Regierung des Königs Tamasese, doch
erwuchs diesem ein mächtiger Nebenbuhler in der Person
des Häuptlings Mataafa, des jetzigen höchsten Häupt-
lings von Samva, der allmählich die Mehrheit der
Samoaner in sein Lager herüberzugiehen verstand.
Die 1889 abgeschlossene Samoa-Akte führte zu einer
kompligierten Dreiherrschaft der drei Großmächte
Deutschland, England und Amerika, welche keineswegs
geeignet war, den Frieden im Lande und eine ein-
heitliche feste Regierung zu gewährleisten. Während
schon früher mancherlei Zwistigkeiten stattgesunden
hatten, kam es 1899, nach dem Tode des bis dahin
anerkannten Königs Malietoa, wiederum zwischen den
Kandidaten um die Königswürde, Mataafa und Ma-
lietogn Lann, zu größeren Kämpfen, welche zeitweise
internationale Konflikte zwischen den drei Großmächten
herbeizuführen drohten. Eine von den letzteren nach
Samoa entsandte Kommission erwirkte glücklich eine
partielle Entwaffnung der Samoaner und das An-
erkenntnis der Abschaffung der NRönigswürde. Schließ-
lich wurden die Wirren endgültig beendigt durch den
Samoa-Vertrag vom Jahre 1899, durch welchen Deutsch-
land Samoa bis auf einige den Amerikanern zuge-
fallene kleinere Inseln erhielt. Die deutsche Flagge
wurde am 1. Märg 1900 gehißt. Der deutsche Gou-
verneur I10r. Solf sah sich indessen noch recht schwierigen
Verhältnissen gegenüber. Trotz des formell ausge-
sprochenen Verzichtes auf die Königswürde betrachteten
sich doch der von der überwiegenden Majorität der
Samoaner anerkannte Mataafa und seine Häuptlinge
als die Herren des Landes. Auch die Entwaffnung
der Samoaner war keineswegs voll durchgeführt. Dem
sehr geschickten Auftreten des Gouverneurs, der zunächst
jedes Eingreifen in samoanische Verhältnisse über das
gebotene Maß hinaus sorgfältig vermied, gelang es,
den Frieden unter den feindlichen Parteien aufrecht-
zuerhalten, die Eutwaffnung der Samoaner vollständig
vurchguführen und ohne Anwendung von Gewalt die
deutsche Herrschaft im ganzen Lande zur Anerkennung
zu bringen, während Mataafa der Titel eines Alii
Sili, höchsten Häuptlings von Samoa, und eine kleine
Rente zugestanden wurde. Zunächst wurde die Rats-
versammlung der Samoaner in Mulinnnu bei Apia bei-
behalten, welche unter dem Namen der Taimua als
einer Art Oberhaus, aus Vertretern der Häuptlings-
familien bestehend, und der Faipule, eines Unterhauses
aus Sprechern der verschiedenen Distrikte Samoas
zusammengesetzt, mit Unterbrechung und in wechselnder
Zusammensetzung bereits seit Aufang der 70er Jahre
des vorigen Jahrhunderts bestanden hatte. Doch als
1905 während einer Abwesenheit des Gouverneurs auf
Urlaub einige Unbotmäßigkeiten vorgekommen waren,
löste Dr. Solf diese ständige Ratsversammlung auf
und ersetzte sie durch die Einrichtung einer nur zwei-
mal im Jahre tagenden Häuptlingsversammlung.
Gegen diese Neuerungen, welche im letzten Grunde
auf eine Dezentralisation der Verwaltung und Ver-
minderung der aus der Machtstellung der samoanischen
Häuptlings= und Sprecherversammlungen sich ergeben-
den Schwierigkeiten hinzielten, richten sich die jetzt aus
Samvo berichtetcten Unruhen, welche von dem Sprecher
Lauaki von der Insel Sawaii hervorgerufen sind. Nach
den bisher darüber hierher gelangten spärlichen Nach-
richten wünscht Lauaki die Tumug und Pule wieder her-
zustellen, die in der „guten alten zeit“ in Samoa
ausschlaggebend waren. Nun könnte es ja an sich für
das Deutsche Reich ziemlich gleichgültig erscheinen, ob
für die Verhältnisse des samoanischen Volles, soweit
die Interessen unserer Ansiedler dadurch nicht berührt
werden, die Lumua und Pule herrschen oder nicht, und
ob ein Hänptling dort Tupu oder nur höchster Häupt-