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Pubertät erreicht hatte. Mit diesem Zeitpunkte
begann für ihn die Pflicht, seinem Häuptling Ge-
borsam zu leisten, seinen Stamm gegen Feinde zu
verteidigen, für seine Eltern zu sorgen und die über-
lieferten Gebräuche und Zeremonien zu beobachten.
Anderseits trat er auch in den Genuß der Privi-
legien eines vollgültigen Mitgliedes der Stammes-
gesellschaft, er durfte heiraten und ein Haus be-
gründen.!1)
Die Gesetzgebung hat sich mit der Beschneidung
in ihrer Bedeutung für den Status des Kaffern-
knaben nicht befaßt, daran also auch nichts geändert.
Der Gebrauch besteht also fort und übt weiter seine
Wirkung auf die Stellung des Kaffernknaben in
der Stammesgemeinde, denn weder der Brauch an
sich noch die genannten Wirkungen verstoßen gegen
das allgemeine Prinzip, nach dem sich die Gültig-
keit eines Eingeborenen-Rechtsbrauches regelt.
Dagegen gibt der Code wieder Aufschluß über
die Geschäfts= und Prozeßfähigkeit im Eingeborenen-
Recht.
Die Selbständigkeit, in deren Genuß der junge
Kaffer nach der Beschneidung eintritt, hat aber nicht
die Bedeutung der Großjährigkeit. Der junge Mann
bleibt vielmehr bezüglich seiner persönlichen An-
gelegenheiten von dem Kraalsvater vorläufig ab-
hängig, ist also in der Geschäftsfähigkeit beschränkt.)
Die Erlangung der vollen Geschäftsfähigkeit ist
an Bedingungen geknüpst, die verschieden sind, je
nachdem der Mann zur Familie des Kraalsvaters
gehört oder nicht.
Im ersteren Falle wird er geschäftsfähig, wenn
er sich verheiratet und behält die Geschäftsfähigkeit
auch, wenn er Witwer wird.
Im zweiten Falle erlangt er die Geschäftsfähig-
keit, wenn er vollkommen erwachsen ist (Code Scc. 72).
In allen Kraalsangelegenheiten bleibt aber jeder
Kraalsangehörige, solange er im Kraal wohnt, der
Autorität des Kraalsvaters unterworfen (Code
Sec. 90, 91).
§. Der Frauen.
Die Frauen haben stets die Stellung Minder-
jähriger außer in dem Falle, daß sie die Stellung
eines „kraalheade einnehmen. Sie sind natürlich
wie alle Kraalsangehörige in Kraalsangelegenheiten
der Autorität des Kraalsvaters unterworfen. Im
übrigen unterstehen sie, wenn sie unverheiratet sind,
der Gewalt ihres Vaters oder Vormundes, und
wenn sie verheiratet sind, der Gewalt ihres Ehe-
mannes. Geschiedene Frauen treten wieder in die
!) AUgl. Maclean, S. 97 ff., 157 ff.
2) d. h. für den Code, er kann weder Eigentum
veräußern noch Verträge schließen ohne Einwilligung
des Kraalsbaters. Alle Rechtsgeschäfte eines solchen
Mannes, mit Ausnahme solcher rechtlichen Akte. durch
welche der Kraal oder eins seiner Häuser einen Vorteil
orlangt, sind vielmehr ungültig, wenn nicht der Kraals-
vater zugestimmt oder mitgewirkt hat. Code Sec. 72.
Stellung unverheirateter Töchter zurück und Witwen
unterstehen den ihnen zugewiesenen Vormündern. 7
c. Prozeßfähigkeit.
Prozeßfähig sind nur die Kraalsväter und die-
jenigen Kraalsangehörigen, welche volle Geschäfts-
fähigkeit erlangt haben.2)
d. Emanecipatio.
Die Angehörigen des Kraals bleiben der Anto-
rität des Kraalsvaters in allgemeinen Kraals-
angelegenheiten auch unterworfen, wenn sie im
übrigen geschäftsfähig sind. Eine Anderung dieses
Verhältnisses kann jedoch eintreten durch Entlassung
eines Mitgliedes des Kraals aus der Gewalt des
Kraalsvaters. Dies kann bei solchen Männern ge-
schehen, die erwachsen ?), verheiratet oder verwitwet
sind. Es bedarf dazu neben dem Willen des Kraals-
vaters der Einwilligung des Häuptlings und der
Genehmigung seitens des Bezirksbeamten (magistrate
als administrator of Native Law).
Ist ein Mann rechtswirksam emanzipiert, so
wird er von seinem früheren Kraalsvater vollkommen
unabhängig, kann selbst einen Kraal errichten und
Kraalsvater werden. Er kann sich aber auch unter
den Schutz eines anderen Kraalsvaters begeben und
Mitglied von dessen Gemeinde werden.“)
e. Enterbung.
Ein enterbter Sohn verliert Status und Stimme
in der Kraalsgemeinde seines Vaters und darf sich
einem anderen Kraal anschließen oder selbst einen
Kraal gründen (Code Sec. 93, 141).
3. Samilienrecht.
a. Polygamie.
Das Familienleben der Eingeborenen Südafrikas
erhält seinen charakteristischen Stempel aufgeprägt
durch das Bestehen der Polygamie. Mit den sich
daran knüpfenden Fragen hat sich die Natire
Affairs Commission eingehend beschäftigt und bei
der Wichtigkeit jener Institution und bei der
Autorität der Kommission in Eingeborenenfragen
erscheint es gerechtfertigt, deren Ausführungen in
den Hauptpuntten wiederzugeben.?)
Die Institution der Polygamie datiert aus
frühesten Zeiten, ist also entstanden unter Verhält-
nissen, die den heutigen ziemlich fremd waren.
Bevor europäische Kolonisierung Frieden und
Ordnung unter die Eingeborenen gebracht hatte,
1) AUgl. Code Sec. 91, 91.
2) Code Scc. 91.
3) Ein Verheirateter braucht noch nicht erwachsen
sein. Die Chemündigkeit tritt bereits mit der Be-
schneidung ein.
4) VUgl. zu Emancipatio Code Sec. 92. In dem
letzten Falle würde ein mit dem früheren Kraalsvater
verwandter, erwachsener Mann, der als Unverheirateter
nicht geschäftsfähig war, in dem neuen Rraal als er-
wachsener Extranens geschäftsfähig werden.
5) Vgl. Report. Sec. 290 bis 299.