GW 597 20
folgen im Range unter Bevorzugung der Häuser
der linken Seite vor denen der rechten. 1) Der
Rang der nachgeheirateten Frauen entspricht nicht
notwendig der Reihenfolge, in der sie geheiratet
sind, sondern wird am Hochzeitstage vom Che-
manne öffentlich bestimmt.2)
Wird infolge weiterer Heiraten die Anlage neuer
Häuser erforderlich, so werden diese Häuser dem
Indhlunkulu oder dem Haupthause der linken oder
dem der rechten Seite affiliiert und stehen zu ihrem
Haupthause in einem besonderen erbrechtlichen Ver-
hältnis.
Die Einteilung der Seitenhäuser in „QOadi“= und
„Kohlo“-Häuser ist übrigens keine notwendige; be-
steht sie nicht, so sind die Häuser voneinander
unabhängig — soweit sie nicht afflliiert sind —
und rangieren nach dem Zeitpunkt des Abschlusses
der Ehe, welcher sie ihre Entstehung verdanken.
Stirbt in einem so zusammengesetzten Kraal die
oberste Frau zu Lebzeiten ihres Mannes, so rückt
die ihr im Range nächststehende Frau in ihre Stellung
ein. Dies hat jedoch keine Wirkung auf die Rechte
der Kinder der verstorbenen Frau.
Wie bereits erwähnt, können in einem Kraal
außer den Häusern der Angehörigen des Kraalsvaters
auch noch fremde Häuser vorkommen. Armen Ver-
wandten eines Kraalsangehörigen oder Leuten, die
dem Kraal einen besonderen Dienst geleistet haben,
wird nämlich oft das Recht eingeräumt, sich im
Kraal ein Haus anzulegen, und etwas Milchvieh
zur Benutzung überwiesen. Solche außerhalb der
eigentlichen Kraalssamilie stehende Häuser haben
einen niederen Rang als die übrigen Häuser und
werden in der Nähe des Tores angesiedelt, wodurch
ihre untergeordnete Stellung auch äußerlich zum
Ausdruck gebracht wird.
Wir haben im vorhergehenden die Entwicklung
der Kraalsfamilie nur in der ersten Generation
kennen gelernt; wie sich die Verhältnisse in der
zweiten Generation gestalten, wenn die Söhne der
einzelnen Häuser heiraten und eigene Häuser an-
legen, sagt der Code nicht ausdrücklich. Das
Prinzip der Dreiteilung der Häuser gilt im Ein-
geborenen-Recht aber nicht nur für Kraalsväter,
sondern ist das allgemein übliche. 3)
Die neuen Häuser bleiben auf derselben Kraal-
seite, der das Haus angehört, aus dem der Be-
gründer hervorgegangen ist, und bilden die jüngeren
Häuser") der Seite.
Einer Uberfüllung des Kraals wird das Streben
der Männer aus untergeordneten Häusern nach
Selbständigkeit eine natürliche Schranke bieten.
Diese Selbständigkeit ist bei dem festen Gefüge der
Kraalsverfassung nur durch Ausscheiden der be-
!1) Agl. Code Sec. 102f.
2) Agl. Code Sec. 125, 126.
3) Ugl. Jatives of South Africa S. 29.
4) Zwischen „junior honses“ und Caftiliated hounses“
wird unterschieden, z. B. in Code Scc. 120.
treffenden Häuser aus dem Kraalsverbande erreich-
bar. Der Code hat diesen Verhältnissen seine Be-
achtung geschenkt und die Regeln ausgenommen,
unter denen eine solche Trennung zu geschehen
pflegte. Danach ist der Kraalsvater berechtigt, die
Abtrennung einzelner Abschnitte des Kraals vorzu-
nehmen. 1)
Das Haupthaus und die Nebenhäuser der aus-
geschiedenen Seite des Kraals bilden dann einen
Unterkraal, dessen Angehörige bleiben aber zu Leb-
zeiten des Oberhauptes des Stammkraals seiner
Autorität in derselben Weise wie vor der Trennung
unterworfen. Volle Selbständigkeit erlangt der
Unterkraal erst mit dem Tode des alten Kraalsvaters.
Dann wird der Erbe des Haupthauses der abge-
trennten Seite Vater des neuen Kraals (Sec. 117
bis 120) und ist unabhängig von dem Kraalserben.
Ein Ausscheiden einzelner Angehöriger aus
einem Kraal kann auch infolge der Emancipatio
oder der Enterbung eintreten. Wir verweisen des-
halb auf das oben zu 2 d und e Gesagte.
c. AUkungena.
Eine eigenartige Erscheinung in dem Familien-
leben der Eingeborenen ist die Verbindung einer
Witwe mit einem Angehörigen, meist einem Bruder
oder Halbbruder ihres verstorbenen Ehegatten, zu
dem besonderen Zwecke, gemeinschaftlich mit Rücksicht
auf den Verstorbenen und in seinem Namen Ge-
treide anzubauen. Diese Einrichtung?) hat wahr-
scheinlich die Bedeutung einer Familienunterstützung
für die Witwe und ihr Haus.
Die Native Affairs Commission bekämpft
diese Einrichtung jedoch ohne Angabe von Gründen
(Report Sec. 238). Man wird hier unwill-
kürlich an die Abneigung der Engländer gegen eine
Ehe zwischen Schwager und Schwägerin erinnert.)
Wahrscheinlich entspringen die Bedenken der Kom-
mission aber einem gewichtigeren Grunde, nämlich
der Erfahrung, daß Ukungena-Verbindungen oit
auch zwischen der Witwe und einem Sohne —
natürlich nicht dem Kinde der Witwe — des Ver-
storbenen eingegangen werden und häufig zu einer
Geschlechtsverbindung führen.
Der Code erkennt die Gesetzmäßigkeit der
Ukungena-Verbindung an, indem er in Sec. 129
aus dem Eingeborenen-Recht die Bestimmung auf-
nimmt, daß den aus der Ukungena-Vereinigung
hervorgegangenen Kindern im Hause der Witwe
die erbrechtliche Stellung zuteil wird, die sie
1) Er ist dabei aber den Bestimmungen unterworfen,
welche der Gouverneur als Oberhäuptling für solche
Verlegungen von Häusern und die Mindestzahl der
für einen Kraal notwendigen Häuser gibt. Vgl. Code
Sec. 42, 117.
2) Sie erinnert an die Leviatscbe.
3) Erst kürglich hat die Gesetzgebung in dieser Be-
ziehung eine andere Stellung in dem „Decensed wite’s
Ssister act of 100 angenommen.