Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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folgen im Range unter Bevorzugung der Häuser 
der linken Seite vor denen der rechten. 1) Der 
Rang der nachgeheirateten Frauen entspricht nicht 
notwendig der Reihenfolge, in der sie geheiratet 
sind, sondern wird am Hochzeitstage vom Che- 
manne öffentlich bestimmt.2) 
Wird infolge weiterer Heiraten die Anlage neuer 
Häuser erforderlich, so werden diese Häuser dem 
Indhlunkulu oder dem Haupthause der linken oder 
dem der rechten Seite affiliiert und stehen zu ihrem 
Haupthause in einem besonderen erbrechtlichen Ver- 
hältnis. 
Die Einteilung der Seitenhäuser in „QOadi“= und 
„Kohlo“-Häuser ist übrigens keine notwendige; be- 
steht sie nicht, so sind die Häuser voneinander 
unabhängig — soweit sie nicht afflliiert sind — 
und rangieren nach dem Zeitpunkt des Abschlusses 
der Ehe, welcher sie ihre Entstehung verdanken. 
Stirbt in einem so zusammengesetzten Kraal die 
oberste Frau zu Lebzeiten ihres Mannes, so rückt 
die ihr im Range nächststehende Frau in ihre Stellung 
ein. Dies hat jedoch keine Wirkung auf die Rechte 
der Kinder der verstorbenen Frau. 
Wie bereits erwähnt, können in einem Kraal 
außer den Häusern der Angehörigen des Kraalsvaters 
auch noch fremde Häuser vorkommen. Armen Ver- 
wandten eines Kraalsangehörigen oder Leuten, die 
dem Kraal einen besonderen Dienst geleistet haben, 
wird nämlich oft das Recht eingeräumt, sich im 
Kraal ein Haus anzulegen, und etwas Milchvieh 
zur Benutzung überwiesen. Solche außerhalb der 
eigentlichen Kraalssamilie stehende Häuser haben 
einen niederen Rang als die übrigen Häuser und 
werden in der Nähe des Tores angesiedelt, wodurch 
ihre untergeordnete Stellung auch äußerlich zum 
Ausdruck gebracht wird. 
Wir haben im vorhergehenden die Entwicklung 
der Kraalsfamilie nur in der ersten Generation 
kennen gelernt; wie sich die Verhältnisse in der 
zweiten Generation gestalten, wenn die Söhne der 
einzelnen Häuser heiraten und eigene Häuser an- 
legen, sagt der Code nicht ausdrücklich. Das 
Prinzip der Dreiteilung der Häuser gilt im Ein- 
geborenen-Recht aber nicht nur für Kraalsväter, 
sondern ist das allgemein übliche. 3) 
Die neuen Häuser bleiben auf derselben Kraal- 
seite, der das Haus angehört, aus dem der Be- 
gründer hervorgegangen ist, und bilden die jüngeren 
Häuser") der Seite. 
Einer Uberfüllung des Kraals wird das Streben 
der Männer aus untergeordneten Häusern nach 
Selbständigkeit eine natürliche Schranke bieten. 
Diese Selbständigkeit ist bei dem festen Gefüge der 
Kraalsverfassung nur durch Ausscheiden der be- 
!1) Agl. Code Sec. 102f. 
2) Agl. Code Sec. 125, 126. 
3) Ugl. Jatives of South Africa S. 29. 
4) Zwischen „junior honses“ und Caftiliated hounses“ 
wird unterschieden, z. B. in Code Scc. 120. 
  
treffenden Häuser aus dem Kraalsverbande erreich- 
bar. Der Code hat diesen Verhältnissen seine Be- 
achtung geschenkt und die Regeln ausgenommen, 
unter denen eine solche Trennung zu geschehen 
pflegte. Danach ist der Kraalsvater berechtigt, die 
Abtrennung einzelner Abschnitte des Kraals vorzu- 
nehmen. 1) 
Das Haupthaus und die Nebenhäuser der aus- 
geschiedenen Seite des Kraals bilden dann einen 
Unterkraal, dessen Angehörige bleiben aber zu Leb- 
zeiten des Oberhauptes des Stammkraals seiner 
Autorität in derselben Weise wie vor der Trennung 
unterworfen. Volle Selbständigkeit erlangt der 
Unterkraal erst mit dem Tode des alten Kraalsvaters. 
Dann wird der Erbe des Haupthauses der abge- 
trennten Seite Vater des neuen Kraals (Sec. 117 
bis 120) und ist unabhängig von dem Kraalserben. 
Ein Ausscheiden einzelner Angehöriger aus 
einem Kraal kann auch infolge der Emancipatio 
oder der Enterbung eintreten. Wir verweisen des- 
halb auf das oben zu 2 d und e Gesagte. 
c. AUkungena. 
Eine eigenartige Erscheinung in dem Familien- 
leben der Eingeborenen ist die Verbindung einer 
Witwe mit einem Angehörigen, meist einem Bruder 
oder Halbbruder ihres verstorbenen Ehegatten, zu 
dem besonderen Zwecke, gemeinschaftlich mit Rücksicht 
auf den Verstorbenen und in seinem Namen Ge- 
treide anzubauen. Diese Einrichtung?) hat wahr- 
scheinlich die Bedeutung einer Familienunterstützung 
für die Witwe und ihr Haus. 
Die Native Affairs Commission bekämpft 
diese Einrichtung jedoch ohne Angabe von Gründen 
(Report Sec. 238). Man wird hier unwill- 
kürlich an die Abneigung der Engländer gegen eine 
Ehe zwischen Schwager und Schwägerin erinnert.) 
Wahrscheinlich entspringen die Bedenken der Kom- 
mission aber einem gewichtigeren Grunde, nämlich 
der Erfahrung, daß Ukungena-Verbindungen oit 
auch zwischen der Witwe und einem Sohne — 
natürlich nicht dem Kinde der Witwe — des Ver- 
storbenen eingegangen werden und häufig zu einer 
Geschlechtsverbindung führen. 
Der Code erkennt die Gesetzmäßigkeit der 
Ukungena-Verbindung an, indem er in Sec. 129 
aus dem Eingeborenen-Recht die Bestimmung auf- 
nimmt, daß den aus der Ukungena-Vereinigung 
hervorgegangenen Kindern im Hause der Witwe 
die erbrechtliche Stellung zuteil wird, die sie 
1) Er ist dabei aber den Bestimmungen unterworfen, 
welche der Gouverneur als Oberhäuptling für solche 
Verlegungen von Häusern und die Mindestzahl der 
für einen Kraal notwendigen Häuser gibt. Vgl. Code 
Sec. 42, 117. 
2) Sie erinnert an die Leviatscbe. 
3) Erst kürglich hat die Gesetzgebung in dieser Be- 
ziehung eine andere Stellung in dem „Decensed wite’s 
Ssister act of 100 angenommen.
	        
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