Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

G 600 20 
Der Gesetzgeber hat also die Lobologebräuche 
nicht aufgehoben, aber er hat sie, worauf des näheren 
einzugehen ist, modifiziert: Vor allem hat er die 
Klagbarkeit der Rückforderungsansprüche aufgehoben,t) 
wir erinnern uns, welche Bedeutung es nach der 
Meinung der Kommission hatte, diese Ansprüche im 
Rechtswege geltend machen zu können. 
Diese Anordnung des Gesetzgebers steht in Zu- 
sammenhang mit einer weiteren Bestimmung?) des 
Code, nach welcher Eingeborene- Cheleure nicht mehr 
wie früher aus eigener Macht und willkürlich die 
Ehe trennen können, sondern an bestimmte im Code 
aufgeführte Scheidungsgründe gebunden sind, und 
nach der eine rechtsgültige Trennung der Ehe nur 
nach besonderem Verfahren durch Spruch der Be- 
zirksgerichte erfolgen kann. 
Diese Gerichte haben durch den Code die Be- 
sugnis erhalten, im Einklange mit der Beurteilung 
der Schuldfrage, die Rückgabe des Lobolo, ganz 
oder zum Teil in Natur oder cinem Aquivalent 
anzuordnen oder das Lobolo dem Empfänger zu 
belassen.3) 
Die nach der Auffassung der Kommission den 
alten Lobolobräuchen innewohnende Kraft eines 
Korrektivs für das Verhalten der Chegatten zu- 
einander ist also trotz Aufhebung der Klagbarkeit 
des Rückforderungsanspruchs nicht verloren, seine 
Handhabung aber dem Gericht übertragen, das über 
die Schuldfrage erkennt, und den Parteien entzogen. 
Damit ist zugleich manchem späteren Streit die 
Grundlage entzogen, dem Kolonialen Gericht aber 
ein neues, ihm bisher nicht zugängliches Erziehungs- 
mittel in die Hand gegeben. 
Die zweite Neuerung, die der Code bei den 
Lobolobräuchen einführt, wendet sich gegen die Miß- 
stände, die aus der Sucht des Vaters eines heirats- 
fähigen Mädchens nach einem möglichst hohen Lobolo 
entspringen können. Wir haben im vorhergehenden 
Abschnitte bereits erwähnt. daß das Versprechen 
eines reicheren Lobolos seitens eines der Tochter 
nicht genehmen Freiers ihrem Vater Anlaß geben 
könnte, einen Zwang auf seine Tochter auszuüben. 
Der Code sucht hier zu bessern, indem er je nach 
der Stellung des Vaters des Mädchens die Höhe 
des Lobolo genau bestimmt, die Forderung oder 
Hingabe eines höheren Lobolos als des gesetbzlich 
bestimmten verbietet und die Konfiszierung aller 
über das zulässige Maß hinaus gegebenen Lobolo- 
stücke anordnet.!)) Wird hierdurch einem gegen- 
seitigen Uberbieten rivalisierender Freier entgegen- 
gewirkt, so wird ein habgieriger Vater auch seltener 
in die Versuchung kommen, seine Tochter zu zwingen, 
1) Agl. Code, Sec. 182. 
2) Agl. unten den Abschnitt über Auflösung der Ebe. 
3) Vgl. Sec. 168, 169. Im Falle der Nichtinkeit 
einer Ehe ist das Lobolo mit allen vorhandenen Früchten 
beraus zugeben. Code, Sec. 173. 
4) Vgl. Code, Sec. 178 bis 180 und Scc. 10 Act 40 
Of 1896 to amend the (Code. 
  
einem reicheren Freier gegen ihren Willen vor dem 
genehmeren den Vorzug zu geben. 
Die genannten Bestimmungen werden im Straf- 
recht des Code dadurch ergänzt, daß die Annahme 
eines höheren Lobolos als des gesetzlich bestimmten 
unter Strafe gestellt wird (Sec. 278). 
7. Ehehindernisse. 
Ehen zwischen Blutsverwandten sind bei den 
Kaffern nicht erlaubt, und zwar ohne Rücksicht auf 
den Grad der Verwandtschaft, dagegen ist Schwäger- 
schaft kein Hindernis für eine eheliche Verbindung. 
Der Code nimmt den letzteren Grundsatz insofern 
auf, als er in Sec. 153 sagt: „Ein Mann darf 
die Schwester seiner Frau heiraten.“") Dadurch 
sind Bedenken bezüglich der Gese mäßigkeit solcher 
Chen vermieden. 
Weitere Bestimmungen auf diesem Gebiet hat 
der Code nicht. Blutsverwandtschaft jeden Grades 
wird also nach wie vor ein Chehindernis bei den 
Kaffern bieten, das Eingeborenen-Recht zieht hier 
engere Grenzen als das Kolonialrecht. 
. Auflösung der Ehe. 
1. Scheidung. 
Das Recht der Kaffern ließ dem Manne volle 
Freiheit, seine Frau zu verstoßen, ohne daß er 
dabei auf bestimmte Scheidungsgründe beschränkt 
war, oder es dazu eines gerichtlichen Verfahrens 
oder der Genehmigung des Häuptlings bedurfte. 
Die Frau schien eine ähnliche Freiheit zu haben, 
sich von ihrem Manne zu trennen, doch sorgten die 
Lobolo-Gebräuche und praktische Bedenken dafür, 
daß Scheidungen nicht zu häufig vorkamen. Die 
Kinder verblieben in allen Fällen dem Vater.) 
Der Code hat in dieser Materie den Boden 
des Eingeborenen-Rechts im wesentlichen verlassen. 
Eine Eingeborenen-Ehe kann jetzt nur beim Vor- 
liegen bestimmter Scheidungsgründe und auch dann 
nur durch richterlichen Spruch auf Grund eines 
gerichtlichen Verfahrens geschieden werden, dem ein 
wiederholter Sühneversuch durch den Vater oder 
Vormund der Frau und den Häuptling voraus- 
gegangen sein muß. 
Wird die Ehe geschieden, so hat das Gericht 
in dem Urteil auszusprechen, daß die geschiedene 
Frau bis zur Wiederverheiratung in die Gewalt 
ihres Vaters oder seines gesetzlichen Stellvertreters 
zurücktritt, und zu bestimmen, wer die Fürsorge für 
1) Ugl. The Jativres of South Aftila. S. 2, 
Maclean, S. 63, 115. 
2) Im Roömisch-Oolländischen Recht waren Cben 
zwischen Verschwägerten in auf= und abfsteigender Linie 
und in der Seitenlinie bis zum dritten Grade ver- 
boten. #9 züglich der Seitenlinie ist dieser Grundsat 
von der kolonialen Gesetzgebung durchbrochen worden. 
Val. Morice, S. 7. 
3) Vgl. darüber Maclean, S. 70, 116.
	        
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