Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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tungen zur Holzeinnahme für große Fahrt ist, so 
wird allabendlich gegen 4 Uhr gelandet, um Holz 
zu schlagen oder bei einem sog. Holzposten auf bel- 
gischer oder französischer Seite des Kongo Holz 
zu kaufen. Nächtliche Fahrten können der Un- 
sicherheit des Fahrwassers wegen nur in hellen 
Vollmondnächten durchgeführt werden. Da der 
Dampfer keine Passagiereinrichtung hat, war ich 
gezwungen, allabendlich am Lande im Zelt zu 
übernachten. 
Am vierten Tag geriet das Schiff bei voller 
Fahrt auf einen Felsen. Ich selbst wurde aus 
dem Stuhle geschleudert. Einer der farbigen 
Heizer stürzte auf die Kommandobrücke und meldete, 
daß das eindringende Wasser bereits das Feuer 
gelöscht habe, und daß der Dampfer im Begriffe 
sei, zu sinken. Eine unbeschreibliche Verwirrung 
entstand an Bord. Der Kapitän forderte mich 
auf, schleunigst in eines der beiden an den Seiten 
des Dampfers angeketteten, eisernen Boote zu 
steigen, da höchste Gefahr im Verzuge wäre. Das 
Notwendigste wurde in das eiserne Boot gepackt 
und, als der Kapitän, ich und die Mannschaft 
das Schiff verlassen hatten, nach dem Lande ab- 
gestoßen. Dort schlug ich sofort mein Zelt auf 
und bereitete mich, so gut es ging, auf einen 
längeren Aufenthalt vor. Der Unfall fand im 
Couloir statt, in der Nähe der Dunda-Post der 
amerikanischen Konzession. Der Kongo hat an 
dieser Stelle eine Breite von ungefähr 1500 m. 
Der Dampfer sank indessen nicht, trotz der 
heftigen Strömung, in der er sich befand; er 
hatte sich an mehreren Stellen auf den Felsen 
aufgesetzt. Der Kapitän kehrte deshalb mit 
einigen Leuten an Bord zurück, um die Ladung, 
vor allem auch mein Privatgepäck, an Land zu 
bringen, in dem sich u. a. ein wertvolles Mikro- 
skop befand. Die Ladung war am 10. September 
völlig aus dem Dampfer entfernt. Dadurch 
wurde dieser wieder flott. Die Löcher waren 
vorher mit Säcken verstopft worden, so daß es 
möglich war, den Kessel zu heizen und Dampf 
aufzumachen. So wurde der Dampfer auf der 
französischen Seite des Kongo zur Reparatur auf 
Sandstrand aufgesetzt; die drei Löcher wurden 
mit zwei Tonnen Zement gedichtet. Unsere 
Weiterfahrt begann am 14. September mit halber 
Kraft, nachdem anfänglich der Plan bestanden 
hatte, nach Brazzaville zurückzukehren, um dort 
den Schaden gründlich auszubessern. Der 
Dampfer leckte immer noch so, daß zwei Leute 
fortwährend Wasser auszuschöpfen hatten. 
Während des sechstägigen Landaufenthalts 
unter dem Zelte wurde ich weniger von Moskitos 
als von Glossinen heimgesucht. An heißen Tagen 
war die Zudringlichkeit der Glossinen unerträglich; 
sie stachen durch Oberkleider und Unterzeug und 
  
verkrochen sich in den Kleiderfalten, um Blut zu 
saugen. Der Stich war momentan nicht schmerz- 
haft, hinterließ aber große juckende Stellen. 
Jedenfalls habe ich die Glossinen in Kamerun 
niemals, auch nicht in heißester Mittagszeit oder 
vor einem Gewitter, so angriffslustig gefunden 
wie hier am Kongo. Ich bin ungefähr zwanzig 
Mal täglich gestochen worden, trotz des so dringend 
empfohlenen „mechanischen Schutzes“, d. h. trotz 
ausgiebiger Bekleidung. Die zahlreichen Kroko- 
dile im Kongo, stumpf= und spitzschnauzige, bieten 
den Glossinen reichliche Nahrung, aber die Arzte 
Dr. Broden und Martin stehen der Auffassung 
sehr skeptisch gegenüber, daß eine Ausrottung der 
Krokodile der Schlafkrankheit irgendwie Abbruch 
tun würde. Die Glossinen würden dann eben 
an anderen Reptilien und Geschöpfen anderer 
Tierklassen Nahrung suchen. Ich erinnere nur 
an die zahlreichen Buschschweine, die nirgends 
auszurotten sind. Wie vielseitig die Glossinen 
in der Wahl ihrer Nahrungsquellen sind, habe 
ich erfahren, als ich am Dscha auf dem Marsche 
im Busch von einer glossina fusca gestochen 
wurde. Ich habe das Exemplar konserviert, um 
jedem Irrtum vorzubeugen. 
Leider gelang es mir nicht, auf unserer Fluß- 
fahrt eines der Krokodile, von denen die breit- 
schnauzige Art als sehr gefährlich gilt, zu erlegen. 
Blutausstriche wären mir sehr erwünscht gewesen. 
Bei dem niederen Wasserstande wurden oft 
mehrere Tiere von respektabler Größe auf den 
Sandbänken ruhend gesehen. Sie werden jedoch 
beim Herannahen des Dampfers häufig von einer 
Art Strandläufer derartig umschwärmt und viel- 
leicht auch angestoßen, daß sie erwachen, den 
meist im Schlafe geöffneten Rachen schließen und 
im Wasser verschwinden, bevor ein Schuß an- 
gebracht werden kann. 
Während meines unfreiwilligen Aufenthalts 
am Lande besuchte mich ein Belgier, der auf der 
amerikanischen Konzession angestellt war; er stellte 
mir Eier und Hühner zur Verfügung. In seiner 
Begleitung besuchte ich zwei Dörfer der Ein- 
geborenen. Die Bafurunga sind ein Volksstamm, 
der auf 20 000 Seelen (2) berechnet wird und 
zwischen dem Kongo und dem Sekwango wohnt. 
Die Eingeborenen sollen sich erst neuerdings 
wieder dem Ufer des Kongo nähern, nachdem in 
früherer Zeit die Schlafkrankheit enorme Opfer 
von ihnen gefordert hat. Ein Dorf war provi- 
sorisch aus großen Blättern der Borassuspalmen 
errichtet. Die eigentlichen Hütten sind rechteckig, 
mit gewölbtem Dach aus Rohr und Palmblätter- 
geflecht. 
Die Eingeborenen tragen die mittleren oberen 
Schneidezähne bis auf den Wurzelkanal so zu- 
gefeilt, daß das äußere Drittel des Zahnes er-
	        
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