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tungen zur Holzeinnahme für große Fahrt ist, so
wird allabendlich gegen 4 Uhr gelandet, um Holz
zu schlagen oder bei einem sog. Holzposten auf bel-
gischer oder französischer Seite des Kongo Holz
zu kaufen. Nächtliche Fahrten können der Un-
sicherheit des Fahrwassers wegen nur in hellen
Vollmondnächten durchgeführt werden. Da der
Dampfer keine Passagiereinrichtung hat, war ich
gezwungen, allabendlich am Lande im Zelt zu
übernachten.
Am vierten Tag geriet das Schiff bei voller
Fahrt auf einen Felsen. Ich selbst wurde aus
dem Stuhle geschleudert. Einer der farbigen
Heizer stürzte auf die Kommandobrücke und meldete,
daß das eindringende Wasser bereits das Feuer
gelöscht habe, und daß der Dampfer im Begriffe
sei, zu sinken. Eine unbeschreibliche Verwirrung
entstand an Bord. Der Kapitän forderte mich
auf, schleunigst in eines der beiden an den Seiten
des Dampfers angeketteten, eisernen Boote zu
steigen, da höchste Gefahr im Verzuge wäre. Das
Notwendigste wurde in das eiserne Boot gepackt
und, als der Kapitän, ich und die Mannschaft
das Schiff verlassen hatten, nach dem Lande ab-
gestoßen. Dort schlug ich sofort mein Zelt auf
und bereitete mich, so gut es ging, auf einen
längeren Aufenthalt vor. Der Unfall fand im
Couloir statt, in der Nähe der Dunda-Post der
amerikanischen Konzession. Der Kongo hat an
dieser Stelle eine Breite von ungefähr 1500 m.
Der Dampfer sank indessen nicht, trotz der
heftigen Strömung, in der er sich befand; er
hatte sich an mehreren Stellen auf den Felsen
aufgesetzt. Der Kapitän kehrte deshalb mit
einigen Leuten an Bord zurück, um die Ladung,
vor allem auch mein Privatgepäck, an Land zu
bringen, in dem sich u. a. ein wertvolles Mikro-
skop befand. Die Ladung war am 10. September
völlig aus dem Dampfer entfernt. Dadurch
wurde dieser wieder flott. Die Löcher waren
vorher mit Säcken verstopft worden, so daß es
möglich war, den Kessel zu heizen und Dampf
aufzumachen. So wurde der Dampfer auf der
französischen Seite des Kongo zur Reparatur auf
Sandstrand aufgesetzt; die drei Löcher wurden
mit zwei Tonnen Zement gedichtet. Unsere
Weiterfahrt begann am 14. September mit halber
Kraft, nachdem anfänglich der Plan bestanden
hatte, nach Brazzaville zurückzukehren, um dort
den Schaden gründlich auszubessern. Der
Dampfer leckte immer noch so, daß zwei Leute
fortwährend Wasser auszuschöpfen hatten.
Während des sechstägigen Landaufenthalts
unter dem Zelte wurde ich weniger von Moskitos
als von Glossinen heimgesucht. An heißen Tagen
war die Zudringlichkeit der Glossinen unerträglich;
sie stachen durch Oberkleider und Unterzeug und
verkrochen sich in den Kleiderfalten, um Blut zu
saugen. Der Stich war momentan nicht schmerz-
haft, hinterließ aber große juckende Stellen.
Jedenfalls habe ich die Glossinen in Kamerun
niemals, auch nicht in heißester Mittagszeit oder
vor einem Gewitter, so angriffslustig gefunden
wie hier am Kongo. Ich bin ungefähr zwanzig
Mal täglich gestochen worden, trotz des so dringend
empfohlenen „mechanischen Schutzes“, d. h. trotz
ausgiebiger Bekleidung. Die zahlreichen Kroko-
dile im Kongo, stumpf= und spitzschnauzige, bieten
den Glossinen reichliche Nahrung, aber die Arzte
Dr. Broden und Martin stehen der Auffassung
sehr skeptisch gegenüber, daß eine Ausrottung der
Krokodile der Schlafkrankheit irgendwie Abbruch
tun würde. Die Glossinen würden dann eben
an anderen Reptilien und Geschöpfen anderer
Tierklassen Nahrung suchen. Ich erinnere nur
an die zahlreichen Buschschweine, die nirgends
auszurotten sind. Wie vielseitig die Glossinen
in der Wahl ihrer Nahrungsquellen sind, habe
ich erfahren, als ich am Dscha auf dem Marsche
im Busch von einer glossina fusca gestochen
wurde. Ich habe das Exemplar konserviert, um
jedem Irrtum vorzubeugen.
Leider gelang es mir nicht, auf unserer Fluß-
fahrt eines der Krokodile, von denen die breit-
schnauzige Art als sehr gefährlich gilt, zu erlegen.
Blutausstriche wären mir sehr erwünscht gewesen.
Bei dem niederen Wasserstande wurden oft
mehrere Tiere von respektabler Größe auf den
Sandbänken ruhend gesehen. Sie werden jedoch
beim Herannahen des Dampfers häufig von einer
Art Strandläufer derartig umschwärmt und viel-
leicht auch angestoßen, daß sie erwachen, den
meist im Schlafe geöffneten Rachen schließen und
im Wasser verschwinden, bevor ein Schuß an-
gebracht werden kann.
Während meines unfreiwilligen Aufenthalts
am Lande besuchte mich ein Belgier, der auf der
amerikanischen Konzession angestellt war; er stellte
mir Eier und Hühner zur Verfügung. In seiner
Begleitung besuchte ich zwei Dörfer der Ein-
geborenen. Die Bafurunga sind ein Volksstamm,
der auf 20 000 Seelen (2) berechnet wird und
zwischen dem Kongo und dem Sekwango wohnt.
Die Eingeborenen sollen sich erst neuerdings
wieder dem Ufer des Kongo nähern, nachdem in
früherer Zeit die Schlafkrankheit enorme Opfer
von ihnen gefordert hat. Ein Dorf war provi-
sorisch aus großen Blättern der Borassuspalmen
errichtet. Die eigentlichen Hütten sind rechteckig,
mit gewölbtem Dach aus Rohr und Palmblätter-
geflecht.
Die Eingeborenen tragen die mittleren oberen
Schneidezähne bis auf den Wurzelkanal so zu-
gefeilt, daß das äußere Drittel des Zahnes er-