Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

S 
noch etwas kürzer. Es leuchtet ein, wenn der 
Bericht für 1909 ausführt: „Im allgemeinen 
hat der Eingeborene überhaupt kein Geld außer 
seinem Arbeitslohn von 4 bis 20 .X monatlich, 
von dem er den größeren Teil für seinen Lebens- 
unterhalt sofort wieder ausgeben muß. Daß solch 
ein Mann 13½ X für eine Reise von Nairobi 
nach Mombasa — 526 km — zahlen wird, darf 
man füglich nicht erwarten. Sie machen die Reise 
zu Hunderten monatlich, aber sie machen sie zu 
Fuß und brauchen je einen Monat auf den Hin- 
und den Rückweg. Sie ziehen vor, einen Monat 
auf der Straße zuzubringen, was ihnen etwa 
4 X für Verpflegung kostet, als für 13½ K die 
Reise in 24 Stunden zu erledigen. Daß sie dabei 
einen Monatslohn einbüßen, ist ein Einwand, der 
über den Horizont dieser Leute geht, zumal sie 
kein Verständnis für den Satz haben, daß „Zeit 
Geld ist“. Freilich sind 1909 die Durchschnitts- 
kosten für das Personenkilometer schon 2,59 Pf., 
also höher als der Tarif dritter Klasse gewesen. 
(Die Durchschnittseinnahmen eines Personen- 
kilometers haben 3,46 Pf. betragen.) Aber einmal 
stehen die Kosten der dritten Klasse naturgemäß 
unter dem Durchschnitte aller Klassen; außerdem 
würde der Zuwachsverkehr nur einen Teil, den 
sogenannten beweglichen Teil der Betriebskosten 
erhöhen und demnach nicht die heutigen Durch- 
schnittskosten beanspruchen. Es dürfte also noch 
eine Ermäßigung ohne Verlust möglich sein. 
Was den Güterverkehr anlangt, so ist er allem 
Anschein nach in guter, organischer Entwicklung. 
Daß die Güter der Einfuhrrichtung zur Zeit nicht 
steigen (Bild 4 und 5), kann nicht überraschen: 
in den ersten Jahren nach der Inbetriebnahme 
der Bahn ist viel einmaliger, bis dahin unbe- 
friedigter Bedarf gedeckt worden; erst allmählich 
und teilweise tritt an seine Stelle der laufende 
Bedarf; daß dieser nicht stärker, daß er zeitweise 
sogar schwächer steigt, als jener fällt, braucht nicht 
zu beunruhigen. Der Verkehr der Ausfuhrrichtung 
und auch der tatsächlich zur Ausfuhr gekommene 
Teil davon haben, abgesehen vom Fehljahre 1907, 
stetig zugenommen. Zur Zeit gleichen sich der 
Menge nach der Tal= und der Bergverkehr fast 
völlig aus, was betriebstechnisch recht vorteilhaft 
wirkt. Demgemäß ist auch die Ausnutzung der 
Züge, wie sie in der Durchschnittsfracht, Bild 10, 
D, zur Darstellung kommt, in ständiger Zunahme 
gewesen, während die Durchschnittskosten eines 
Tonnenkilometers ebenso ständig gesunken sind 
(Bild 11). 
Der Verkehr der Einfuhrrichtung besteht aus 
den üblichen Bedarfsartikeln; im Talverkehr sind 
die folgenden Posten bemerkenswert: 
  
  
172 20 
Anteil d 
. sen 
an Gewicht Es#mahmen 
des Güterverkehrs 
in Prozent 
4 
Getreide und Hülsenfrüchte 15,2 
Häute und Fellel 5,2 6½ 
essfa 3.6 2¾ 
Erdnüsse 2,2 1½ 
Baumwollsamen. 2,0 
Kohbaumwolle 2,7 8 
Etwa drei Viertel der Häute und Felle, ein 
Drittel des Sesams, 95 v. H. der Erdnüsse, ein 
Drittel der Baumwollsamen und mehr Baumwolle, 
als auf die Bahn übergeht, bringen die Dampfer 
des Sees heran, wie denn der See mit seinen 
Häfen im Ein= und Ausgange einen ganz er- 
heblichen Anteil, einen Anteil von vollen 60 v. H. 
an den Einkünften des Unternehmens hat. 
In der Ausfuhrrichtung bestehen neben den 
gewöhnlichen Tarifen (Bild 15) noch viele Sonder- 
vergünstigungen, z. B. neuerdings für Mais und 
Bohnen. Insbesondere hat sich die Verwaltung 
angelegen sein lassen, die Ausfuhr aus dem See- 
gebiet durch Sondertarife zu heben. So zahlen 
z. B. Erdnüsse und Sesam vom deutschen Hafen 
Muansa bis Mombasa (1361 km) nur 48,63.0# (t 
oder 3,57 Pf. /tkm, während sich die Durchschnitts- 
kosten eines Tonnenkilometers für 1909 — aller- 
dings nur auf der Bahn — auf 5,43 Pf. gestellt 
haben. Immerhin läßt sich gegen diese Tarifierung 
nichts sagen, da dieser spezielle Verkehr wohl kaum 
3,57 Pf./tkm Kosten verursachen dürfte. Mit der 
kürzlichen Ermäßigung der Frachtrate für Baum- 
wollsamen im selben Verkehr auf 30,82 oder 
2,26 Pf. tm dürfte man indes die Grenze des 
Möglichen erreicht haben. Ob es im übrigen 
nicht doch angezeigt wäre, im Talverkehr der 
küstennäheren Stationen hier und da häöhere 
Frachten zu erheben, sei dahingestellt. Im Berg- 
verkehr möchten wir das bejahen. Eine Bahn 
von dieser Länge muß unseres Erachtens für den 
Verkehr der Einfuhrrichtung, der überwiegend 
überseeischen Ursprungs ist, Staffeltarife mit starker 
Degression, nicht aber kilometrisch unveränderliche 
Streckensätze einführen, damit die notwendige ver- 
hältnismäßige Niedrigkeit der Frachtpreise der 
äußersten Binnenstationen wettgemacht wird durch 
einträglichere Frachtsätze der küstennäheren 
Stationen. Freilich beginnt das Gebiet mit 
reicherem Verkehr erst etwa bei Nairobi, runk 
500 km von der Küste (Nairobi selbst ist mit 
27 v. H. am Verkehr beteiligt), so daß eine Staffe- 
lung unter 500 km wenig verschlagen würde- 
Das kommt auch in der Länge des durchschnitt- 
lichen Frachtwegs zum Ausdruck, der sich für 1909 
(Bild 4, zu rund drei Vierteln der Bahnlänge 
rechnet. Um so mehr wäre die Staffelung für die
	        
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