Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

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beizutragen. Im Jahre 1909 sind in dieser 
Beziehung 4,9 Millionen Mark, im Jahre 1910 
5 Millionen Mark bereitgestellt und für 1911 
6 Millionen Mark veranschlagt worden. Die 
Gesamtentlastung des Reichs in den letzten vier 
Jahren vom Jahre 1908 bis 1911 beträgt nicht 
weniger als 23 Millionen Mark, das heißt, sie 
ist, da dieselbe 1908 43 Millionen Mark betrug, 
um mehr als die Hälfte in diesen vier Jahren 
zurückgegangen; sicher kein ungünstiges Ergebnis. 
Trotzdem wird es nötig sein, mit der größten 
Vorsicht auch in Zukunft zu verfahren, wenn die 
Finanzlage der Schutzgebiete eine gesunde bleiben 
soll; denn in den nächsten Jahren werden sehr 
erhebliche Lasten den Schutzgebieten dadurch ent- 
stehen, daß die Eisenbahnanleihen zu verzinsen 
und zu amortisieren sind. Gegenüber größeren 
neuen Projekten wird sich daher die Kolonial- 
verwaltung, wenn anders die Finanzen nicht 
wieder in Unordnung kommen sollen, der größten 
Zurückhaltung wenigstens so lange befleißigen 
müssen, bis die finanziellen Ergebnisse der neuen 
Eisenbahn feststehen. 
Meine Ansicht über die Aufwärtsbewegung 
in der Entwicklung der Kolonien wird auch be- 
stätigt durch die Handelsstatistik. Man wird zwar 
die außerordentliche, vorhin schon von Herrn 
Lattmann erwähnte Zunahme des Gesamthandels 
unserer Schutzgebiete, der im Jahre 1909 gegen 
das Vorjahr von 138 auf 177 Millionen, also 
um nicht weniger als 39 Millionen gestiegen ist, 
nicht kritiklos als Beweis für die glänzende Ent- 
wicklung unserer Schutzgebiete hinstellen können. 
Aber auch bei nüchterner Betrachtung und, wenn 
man den sprunghaften und außerordentlichen Zu- 
wachs gerade durch die Diamantenförderung in 
Südwestafrika berücksichtigt, sowie die große Ein- 
fuhrsteigerung durch die Eisenbahnbaumaterialien, 
weist derselbe immer noch einen erfreulichen und 
dauernden Zuwachs auf. Erfreulich ist, daß die 
Beteiligung der Ausfuhr an der Steigerung des 
Gesamthandels sehr bedeutend ist. In den Jahren 
1904 bis 1907 betrug sie 30 Prozent jährlich, 
von 1907 bis 1909 40 Prozent, ist also auch 
hier im Steigen begriffen. Das gleiche gilt von 
der Ausfuhr an sich. Die Ausfuhr der Schutz- 
gebiete ist in den Jahren 1903 bis 1906 jährlich 
um 11,3, in den Jahren 1908 und 1909 jährlich 
um 16,3 Prozent gestiegen. Mit der durch die 
höhere Bewertung der Ausfuhrproduktion ver- 
mehrten Kaufkraft der Eingeborenen, mit dem 
günstigen Stand der Anpflanzungen der Weißen 
und mit dem Zuwachs der Bevölkerung ist auch 
die Einfuhr in die Kolonien gestiegen. Erfreulich 
ist dabei, daß der Alkoholkonsum sowohl für 
Südwestafrika als auch in Togo und Neuguinea 
abgenommen hat. 
  
infolge der großen Bewilligungen der Jahre 1908, 
nd 1910 lebhafte Tätigkeit. Um dieselbe nicht 
um Stillstand kommen zu lassen, sind in dem 
Etat für 1911 wiederum 37¼ Millionen, darauf 
32¼ Millionen aus Anleihen angefordert worden. 
Die Verwaltung legt ganz besonderen Wert 
darauf, daß Zubringerwege zu den Bahnen in 
reichlicher Zahl gebaut werden. « 
Die finanziellen Ergebnisse der neuen Bahnen 
haben im allgemeinen den Erwartungen ent- 
sprochen, ja haben sie zum Teil noch übertroffen. 
In Ostafrika ist die Zentralbahn jetzt bis Kilo- 
meter 500 fortgeführt, und es ist zu hoffen, daß 
wir in drei Jahren Tabora erreichen werden, 
also ein Jahr früher als ursprünglich angenommen. 
Mit Ermächtigung der gesetzgebenden Körper- 
schaften ist ferner die Untersuchung für die Fort' 
setzung der Linie bis zum Tanganjikasee in An- 
griff genommen worden. Diese Fortsetzung 
gewinnt in Hinsicht auf das Reformprogramm 
des Kongostaates und im Hinblick auf die ver- 
heerende Seuche der Schlafkrankheit ganz be- 
sondere Bedeutung. Die Randländer des Tan- 
ganjikasees sind nicht dem Atlantischen, sondern 
dem Indischen Ozean tributär, und der kürzeste 
Weg von diesem Binnensee nach der Küfte geht 
durch Deutsch-Ostafrika. Es ist aber auch eine 
Pflicht der Humanität für den Kampf gegen die 
Schlafkrankheit, die rückwärtige Verbindung 
leistungsfähig zu halten. Die Bahn nach dem 
Kilimandscharo hat inzwischen Same erreicht. 
Damit ist dieses wichtige Ansiedlungsgebiet von 
der englischen Ugandabahn über Voi-Taveta un- 
abhängig gemacht worden. Ob und wann die 
Bahn, sei es nach Aruscha, sei es nach anderen 
wirtschaftlichen Gebieten, fortgeführt werden kann, 
muß die weitere Entwicklung zeigen. Die 
Usambarabahn hat, während die Zeutralbahn die 
Betriebskosten deckt, sogar über die Betriebskosten 
und die Rücklagen hinweg eine Verzinsung des 
Arbeitskapitals mit einem Prozent ermöglicht. 
In Kamerun ist die Manengubabahn nahezu 
fertiggestelt. Auch sie wird voraussichtlich gleich 
die Betriebskosten decken. Wegen der Fortführung 
der Bahn nach dem für den Baumwollbau vor- 
aussichtlich sehr aussichtsvollen Gebiet von Bamum 
sind augenblicklich Erkundungen im Gange. Die 
Mittellandbahn schreitet nicht allzu schnell fort 
infolge der sehr großen Geländeschwierigkeiten, 
die wir dort haben, und auch wegen des Mangels 
an Arbeitskräften. Dagegen geht der Ausbau 
des wichtigen Hafens von Duala rüstig voran. 
Wenn die bisherigen Bahnunternehmungen in 
Kamerun zunächst auch die ganze finanzielle Kraft 
des Schutzgebiets in Anspruch nehmen, darf sich 
die Verwaltung doch nicht der Aufgabe entziehen, 
6 Auf dem Gebiete des Eisenbahnbaues herrscht 
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