Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

ausgegeben. Man mag es gar nicht ausdenken, 
wohin es geführt hätte, wenn nicht die weißen 
Regierungen — auch die benachbarten Staaten 
— so energisch für das Wohl der Eingebornen 
eingetreten wären. 
Wenn auch die Hauptaufgabe der Missionen 
auf dem Gebiete der Christianisierung der Ein- 
gebornen liegt, so begrüße ich es doch freudig 
und dankbar, daß auch die Missionsgesellschaften 
in immer gesteigertem Maße die ärztliche Ver- 
sorgung der Eingebornen auf ihr Programm ge- 
schrieben haben. Ich bin mir der großen Be- 
deutung und des Segens der Missionen für unsere 
Kolonien voll bewußt, und ich verkenne dabei 
nicht, daß dieselben in manchen Gebieten einen 
sehr schweren Stand bei der Ausbreitung des 
Christentums haben, sei esgegenüber der Wildheitder 
Eingebornenstämme, sei es gegenüber dem schnellen 
Vordringen anderer, nicht christlicher Religionen. 
Erfreulicherweise ist das Verhältnis der Regierungen 
zu den Missionen zur Zeit ein sehr gutes. Ich 
werde darauf halten, daß die Kolonialbeamten 
auch in Zukunft den Missionaren überall freundlich 
gegenübertreten und sie als Faktoren betrachten, 
welche mit der Regierung auf dasselbe Ziel hin- 
arbeiten, nämlich auf die kulturelle Hebung der 
schwarzen Rassen. Anderseits zweifle ich auch 
nicht, daß die Missionare gern den Anordnungen 
der Regierung folgen werden. Ein Hand in Hand 
Arbeiten zwischen Regierung und Mission wird 
für beide von großem Nutzen sein, es wird die 
Autorität beider bei den Eingebornen wesentlich 
stärken. Ich bin selbst von Missionaren gerade 
auf dieses Zusammenarbeiten von Regierung und 
Missionaren noch bei meiner letzten Anwesenheit 
in Deutsch-Ostafrika hingewiesen worden. 
Von ganz besonderer Wichtigkeit ist die Er- 
ziehung der Eingebornen, welche fast ausschließlich 
in Händen der Missionen zur Zeit liegt. Ein 
besonderes Verdienst erwerben sich meines Erachtens 
diejenigen Missionsstationen, welche die Eingebornen 
nicht nur theoretisch unterrichten, sondern sie auch 
praktisch, sei es im Handwerk, sei es im Garten- 
und Feldbau, unterweisen. Auch auf diesem 
Gebiete habe ich wirklich ganz hervorragend 
Erfreuliches bei meiner letzten Anwesenheit in 
Deutsch-Ostafrika auf den Missionsstationen beider 
Konfessionen gesehen, und ich kann nur hoffen, 
daß in dieser Beziehung weiter fortgefahren wird. 
Der Einführung und weiteren Ausdehnung 
der Selbstverwaltung, auf die auch der Herr 
Abgeordnete Bassermann neulich hingewiesen hat, 
wird die größte Aufmerksamkeit geschenkt werden; 
es ist aber meine Absicht, in dieser Frage behutsam 
und mit reiflicher Überlegung vorzugehen. Es 
muß in jedem einzelnen Falle meines Erachtens 
genau geprüft werden, ob die Verhältnisse in der 
  
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betreffenden Kolonie schon so weit vorgeschritten 
sind, daß eine Selbstverwaltung Ersprießliches 
wirken kann, und es ist sorgsam zu erwägen, 
welche Art der Selbstverwaltung für die betreffende 
Kolonie passen wird, auch ob die finanzielle 
Leistungsfähigkeit bereits hinreichend gesichert ist, 
und ob zur Bekleidung der Gemeindeämter eine 
genügende Anzahl von Personen vorhanden ist. 
In Deutsch-Südwestafrika dürfte die Frage der 
Überweisung von Land und öffentlichen Anlagen 
an die Gemeinden, nachdem in dieser Beziehung 
Verhandlungen zwischen den einzelnen Reichs- 
ämtern stattgefunden haben, in einer allseitig be- 
friedigenden Weise gelöst bzw. der Lösung entgegen- 
geführt sein. Der Gouverneur ist zu Verhandlungen 
mit den einzelnen Gemeinden auf der nunmehr 
festgestellten Basis ermächtigt. 
Eine besonders erfreuliche Folge des vorhin 
schon erwähnten erstarkten Allgemeininteresses ist 
die größere Beteiligung des deutschen Kapitals 
an der Erschließung unserer Schutzgebiete in den 
letzten Jahren, und ich kann es mir nicht ver- 
sagen, noch einmal darauf hinzuweisen, daß 
hieran ganz zweifellos meinem Vorgänger ein 
großes Verdienst gebührt. Wir können des Kapitals 
zur Befruchtung und Entwicklung unserer Kolonien 
nicht entbehren, und es müssen daher alle Maß- 
nahmen unterbleiben, die geeignet sind, die Kreise 
des Handels, der Industrie und der Landwirt- 
schaft abzuschrecken, Kapital in unseren Kolonien 
anzulegen. Mit besonderer Freude begrüße ich 
es, daß in letzter Zeit neben dem Handel auch 
die Industrie und die Landwirtschaft sich in 
unseren Kolonien betätigen. 
Es wird ganz allgemein auch von den früheren 
Gegnern anerkannt, daß die Liebig-Kompagnie und 
die Firma Brauß, Mann und Co. auf Grund 
der großen Erfahrungen, welche sie auf dem 
Gebiete der Biehzucht in Argentinien gesammelt 
haben, geradezu Musterbetriebe in Deutsch-Süd- 
westafrika gegründet haben. Nun betätigen sich 
die Baumwollinteressenten schon seit längerer Zeit 
in Ostafrika. Es haben sich neuerdings aber auch 
Kammgarnspinner — und zwar größere Kamm- 
garnspinner — mit Landwirten, welche hier 
Wollschafzucht betreiben, zusammengetan, um die 
Wollschafzucht in Deutsch-Südwestafrika in größerem 
Stile in Angriff zu nehmen. Ich begrüße dieses 
ganz besonders freudig auch deshalb, weil man 
die Absicht hat, auch die Farmer drüben zu 
billigen Preisen mit erstklassigen Wollschafen zu 
versehen. · 
Wenn ich das Kapital als unentbehrlich für 
die Entwicklung unserer Schutzgebiete erklärt habe, 
so bin ich weit davon entfernt, zu glauben, daß 
dieses allein genügte, um unsere Kolonien wertvoll 
zu machen; wir brauchen daneben — und das
	        
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