Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

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wird die so glücklich von meinem Vorgänger in- 
augurierte Eisenbahnpolitik energisch fortgesetzt. In 
Ergänzung derselben ist von mir ein ausführliches 
Programm zur Hebung der tropischen und sub- 
tropischen Plantagen-, Farm= und Eingeborenen- 
wirtschaft für die afrikanischen Kolonien aufgestellt 
und bereits in der Ansführung begriffen, während 
das Gouvernement des aussichtsreichen Schutz- 
gebiets von Neuguinea mit der Beibringung der 
Unterlagen für die Aufstellung eines Wirtschafts- 
planes beschäftigt ist. Je mehr neue Gebiete der 
Rohstoffproduktion erschlossen werden, desto mehr 
neue Absatzmöglichkeiten bieten sich auch für die 
Erzeugnisse unserer heimischen Industrie. Wie groß 
der Vorteil ist, den bereits heute unser Handel 
und unsere Schiffahrt aus den Kolonien ziehen, 
ergibt sich schon allein aus dem Umstande, daß 
nach unseren afrikanischen Schutzgebieten nicht 
weniger als drei bedeutende sich dauernd ver- 
größernde deutsche Schiffsverbindungen bestehen, 
die wesentlich durch den Export nach und den 
Import aus unseren Kolonien unterhalten werden. 
Es ist erfreulich, zu konstatieren, daß diejenige 
dieser Schiffslinien, deren Bilanz uns zugänglich 
ist, im letzten Jahre eine Dividende von 8 v. H. 
verteilt hat. 
Auch die neueste Handelsstatistik gibt wieder 
ein günstiges Bild. Der Handel ist auch im 
letzten Jahre wieder in sämtlichen Kolonien in 
erfreulicher Zunahme begriffen gewesen. So hat 
er im Jahre 1910 gegen das Jahr 1909 in 
Ostafrika und Kamerun um je 12 Millionen zu- 
genommen und ist damit in Kamerun auf 45, in 
Ostafrika auf 59 Millionen gestiegen, während 
Südwest eine Steigerung von 22 Millionen auf- 
weist, wogegen sich allerdings in diesem Schutz- 
gebiet die Bilanz des ersten Vierteljahres des 
Jahres 1911 verschlechtert hat. Mit geringen 
Steigerungen folgen dann Neuguinea mit 6 Milli- 
onen, Togo, das 1910 besonders unter dem Klima 
zu leiden hatte, und Samoa mit je einer 3/8 Million; 
das bedeutet alles in allem eine Zunahme unseres 
gesamten Kolonialhandels im Jahre 1910 um 
rund 54 Millionen, so daß der Gesamthandel mit 
unseren Kolonien nunmehr 232 Millionen Mark be- 
trägt. In Prozenten ausgedrückt, ist der Handel in 
Ostafrika gestiegen um 26,3 v. H. 
Kamern - -37,2 - 
Südwestafrika - . 39,1 
Togo - = 4 - 
Samoa 2 -10 - 
Dt. Neuguina 
(ausschl. Inseln) "b . 46,5 = 
Inselgebielt - 66,3 - 
der Gesamthandel der Kolonien um 31,4 v. H. 
gestiegen. Die Statistik ergibt, daß die Zunahme 
  
des Einfuhrhandels durchaus nicht allein oder in 
erster Linie durch das Eisenbahnbaumaterial be- 
einflußt worden ist. So hat die Einfuhr von 
Baumwollgeweben in Ostafrika um 1½ Millionen, 
die von Textil-, Filz= und Bekleidungswaren in 
Kamerun um über 3 Millionen zugenommen. 
In Ost= wie Südwestafrika ist eine erhebliche 
Steigerung von Maschinen aller Art zu landwirt- 
schaftlichen, industriellen und Transportzwecken zu 
verzeichnen. 
Ich habe vorhin von der Wichtigkeit der Be- 
schaffung von Rohstoffen aus unseren Schutzgebieten 
für unsere Industrie gesprochen, lassen Sie mich 
auch hier einige vergleichende Zahlen geben, aus 
denen Sie ersehen werden, daß es auch in dieser 
Beziehung stetig aufwärts geht. Ich möchte hier 
nicht nur auf das letzte, sondern auf die letzten 
4 bis 5 Jahre zurückgreifen. Da finden wir, daß 
die Gesamtausfuhr des für unsere Antomobil- und 
die sonstige dieses Produkt benötigende Fabrikation 
so wichtigen Kautschuks in den Jahren 1906 bis 
1910 von 1630 t auf 2900 t gestiegen ist, was 
bei einem Jahresverbrauch von etwas über 
15000 t nahezu ½ des deutschen Bedarfs dar- 
stellt, wobei ich bemerken will, daß ich in diesem 
Sommer in London bei dem Besuch der Kautschuk- 
ausstellung in Gesprächen mit in- und ausländischen 
Industriellen und Pflanzern die bestimmte Über- 
zeugung gewonnen habe, daß wir auch mit unseren 
geringwertigeren Plantagenkautschuken, insbeson- 
dere Manihot und Kicksia, mindestens noch eine 
ganze Reihe von Jahren konkurrenzfähig bleiben 
werden, wenn wir auch unbedingt überall da, wo 
— wie in großen Gebieten von Kamerun und 
Neuguinea — Boden und Klima dazu geeignet 
sind, hochwertigen Kautschuk — vor allem Heves 
brasiliensis — pflanzen sollten. 
Noch weit wichtiger, ja geradezu brennend 
für unsere Textilindustrie ist ja die Baumwoll- 
frage. Ein wie intensives Interesse ich gleich 
meinem Vorgänger gerade diesem Rohprodu# 
zuwende, dürften Sie, meine Herren, aus der 
Denkschrift des letzten Winters ersehen haben- 
Inzwischen ist durch Neugründung einer Reihe 
von Versuchsstationen eine Grundlage für die 
Ausdehnung des Anbaus von Baumwolle ge- 
wonnen worden, so daß zu hoffen ist, daß der 
Export aus unseren Schutzgebieten — vorläufig 
kommen nur Ostafrika und Togo in Betracht 
doch ist die Erkundung von Baumwollgebieten in 
Kamerun eingeleitet —, der in den letzten 4 Jahren 
von 390 t auf 1090 t gestiegen ist, künftig in 
erheblich schnellerem Tempo zunehmen wird. # 
Sehr wichtig für unseren heimischen Markt i# 
weiter die Produktion der Olfrüchte. Von solchen, 
die auch in unseren Kolonien gewonnen werden 
können, sind im Jahre 1909 allein für 175 Millionen
	        
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