Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

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seits stets vor Augen halten, ob und in welchem 
Umfange auch die Kolonien Nutzen aus ihnen 
ziehen können. Monopolartige Rechte, welche in 
früheren Zeiten wegen der wenig gesicherten Ver- 
hältnisse in unseren Schutzgebieten eine gewisse 
Berechtigung gehabt haben mögen, werden bei 
dem derzeitigen Entwicklungsstadium, in dem sich 
unsere kolonialen Besitzungen befinden, im all- 
gemeinen nicht mehr verliehen werden. 
Ich habe geglaubt, Ihnen heute, wo diese 
Kommission zum ersten Male zusammentritt, selbst 
auf die Gefahr hin, Ihnen Bekanntes zu sagen, 
einen kurzen Überblick über den derzeitigen Stand 
der Kolonialwirtschaft geben zu sollen. Gestatten 
Sie, daß ich noch der Hoffnung Ausdruck gebe, 
daß es der Kolonialverwaltung in gemeinsamer 
Arbeit mit Ihnen gelingt, wobei ich bemerke, daß 
ich für jede Anregung und jeden Rat aufrichtig 
dankbar sein werde, Gedeihliches für die Weiter- 
entwicklung unseres zu schönen Hoffuungen be- 
rechtigenden Kolonialbesitzes zu schaffen.“ 
# 1 
Darauf trat die Versammlung in die Tages- 
ordnung ein, deren erster Punkt die Frage der 
Kreditorganisation in den deutschen Schutz- 
gebieten, mit besonderer Berücksichtigung von 
Südwestafrika betraf. Die Kommission hat sich 
dann bei ihren zweitägigen sehr eingehenden Ver- 
handlungen auf die gründliche Erledigung dieses 
Punktes beschränkt. Der zweite Punkt, betreffend 
Maßnahmen gegen Mißstände bei der 
Gründung kolonialer Unternehmungen, 
wurde zunächst einer Subkommision über- 
wiesen. 
Die Verhandlungen über die Ausgestaltung 
des Kreditwesens in den Schutzgebieten verliefen 
durch die rege Anteilnahme aller Mitglieder der 
Kommission außerordentlich interessant und leb- 
haft. Nachdem der Staatssekretär auf die Wichtig- 
keit und Schwierigkeit der zu lösenden Aufgaben 
aufmerksam gemacht und mitgeteilt hatte, daß 
seitens des Gouverneurs in Südwestafrika die 
Beschaffung von Kredit für die Farmer, besonders 
für Bewässerungszwecke, als dringend notwendig 
bezeichnet worden sei, erstattete Geheimrat 
Dr. Zoepfl vom Reichs-Kolonialamt das Referat, 
in dem er die für die Beurteilung der ein- 
schlägigen Fragen wichtigsten Materialien und 
Gesichtspunkte darlegte. Hieran anschließend, be- 
trachtete der Geschäftsinhaber der Disconto-Gesell- 
schaft, Dr. Salomonsohn, in seinem Korreferate 
die Mittel und Wege zur Verwirklichung der vor 
allem notwendigen Kreditorganisation in Südwest- 
afrika. Nach dieser Beleuchtung der Frage seitens 
des Leiters eines universellen Bankinstitutes, die 
durch Bemerkungen der Herren Franzv. Mendels- 
  
sohn-Berlin und Frhrn. v. Oppenheim-Köln 
ergänzt wurden, wurden die einzelnen Fragen 
von den eingeladenen Sachverständigen, so für 
den Genossenschaftskredit durch den Präsidenten 
der Preußischen Zentral-Genossenschaftskasse, Dr. 
Heiligenstadt, und für den Hypothekarkredit 
durch den Direktor der Pfälzischen Hypotheken- 
bank, Dr. Tröltsch-Ludwigshafen a. Rh., unter 
den besonderen Gesichtspunkten der von ihnen 
gepflegten Kreditarten eingehend erörtert. Aber 
auch die übrigen Mitglieder der Kommission, die 
nicht Vertreter von Kreditinstituten sind, sondern 
aus den Kreisen des Handels und der Industrie 
stammen, wie namentlich die Herren Woermann 
und Strandes-Hamburg, Seiler-Nürnberg, 
Fabarius-Bremen, Langen-München-Glad- 
bach, beteiligten sich rege an der Diskussion, in 
der neben dem Staatssekretär auch die Kommissare 
des Reichs-Kolonialamts und Reichs-Schatzamt#s 
zu informatorischen Darlegungen mehrfach das 
Wort ergriffen. 
Als Ergebnis der Verhandlungen konnte 
schließlich eine allgemeine Übereinstimmung 
der Kommission bezüglich der wichtigsten grund- 
sätzlichen Fragen konstatiert werden. Es wurde 
allgemein anerkannt, daß ein dringendes Bedürfnis 
vorliege, den Farmern in Südwestafrika Kredit 
zu verschaffen. Für die weitere Ausgestaltung 
des reinen, ohne bestimmten Meliorationszwe 
gegebenen ländlichen Bodenkredits sind aber nach 
dem einstimmigen Urteil der Kommission die Vor- 
bedingungen zur Zeit nicht vorhanden. Dagegen 
wurde die Förderung des ratenweise unter Kon- 
trolle des Verwendungszwecks und gegen reale 
Sicherheit zu gewährenden langfristigen Melio- 
rationskredits warm empfolen, ebenso die weitere 
Ausbildung des kurzfristigen Betriebskredits ohne 
solche Sicherheitsleistung, also eines reinen Personal“ 
kredits. Für die nach diesen beiden Richtungen 
zu entwickelnde Kreditorganisation muß nach An- 
sicht der Kommission eine solide, den besonderen 
Verhältnissen von Südwestafrika entsprechende, 
möglichst das ganze Land umfassende genossen, 
schaftliche Organisation unter Benutzung der bereit 
hierfür vorhandenen Ansätze als Grundlage und 
Voraussetzung geschaffen werden. Durch die ge“ 
nossenschaftliche Organisation werde die Verank- 
wortung und Kontrolle der wirtschaftlichen Ver- 
wendung der Kredite zum guten Teil den Farmern 
selbst auferlegt, und diese würden dadurch zur 
Selbsthilfe erzogen, die das Endziel sein müsse. 
Wenn auch die Verhältnisse in Südwest- 
afrika die Verhandlungen weit überwiegend in 
Anspruch nahmen, so wurden doch auch die * 
strebungen nach Organisation des Kredirs in 
Ostafrika und in Samoa eingehend gewürdigt 
in verhältnismäßig kürzerer Zeit wurde ein
	        
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