Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

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Die systematische Stellung dieser Palme ist 
meines Wissen noch dicht genau festgelegt; die Palme 
kommt sowohl in den Uferwäldern, Ö meist an den 
sumpfigsten Stellen und nahe an Bachbett ge- 
drängt, als auch in der offenen Savanne, reine Be- 
stände bildend, vor. (Vgl. die Abbildungen 2 und 3.) 
Sie hat keinen eigentlichen Stamm; die buschbildenden 
Blattwedel stehen fast senkrecht und sind im oberen 
Drittel ihrer Länge sanft nach außen gekrümmt. Die 
Blattwedel sind 6 bis 8 m lang und tragen in ihrem 
unteren Teile oft auf eine Länge von 2 m keine 
Fiederblättchen. 
Durch den infolge des Vulkanausbruchs am 
Kamerun-Gebirge beschleunigten Rückmarsch war es 
mir nicht möglich, Herbar= und Untersuchungsmaterial 
zu beschaffen, doch ist die Station Dschang unter gleich- 
zeitiger Ubersendung einer genauen Anleitung ange- 
wiesen, das betreffende Material zu beschaffen. c 
halte die besprochene Raphia identisch mit der von 
Schweinfurth aus dem Tsadsee-Gebiet als 
ia vinisera beschriebenen Art. Diese wurde 
von rude genauer untersucht und von 
Raphia vinisera verschleden gefunden. Drude nennt 
sie nach dem für sie charakleriftäschen Standorte Raphia 
NMonbuttorum.“) 
Der Nutzen, den diese Raphia den Eingeborenen 
gewährt, ist oft beschrieben und hinlänglich bekannt. 
Sie ist in diesen holzarmen Ländern fast das einzige 
Baumaterial zur Herstellung der Hütten. (Vgl. die 
Abbildung 4, die ein im Bau befindliches Haus auf der 
Station Dschang zeigt.) Die Eingeborenen verstehen 
es meisterhaft, jeden Teil der Blattrippe in geeigneter 
Weise auszunutzen. 
Wenig oder gar nicht ist jedoch die Frage erörtert, 
ob diese Palme auch Aussuhrprodukte für den euro 
päischen Markt liefern kann, zumal wenn durch die 
im Bau begriffenen Ei enbahnen diese Bezirke dem 
lossen oder doch beträchtlich näher gerückt 
en. 
aphiaba Aus den jungen Fiederblättchen 
verstehen es die Eingeborenen, den Raphia ba st zu 
gewinnen, und in vielen Dörfern des Graslandes 
werden heute Matten, Decken, Taschen und sonstige 
Flechtwerke für den Handel sabriziert. Die zur Küste 
kommenden Bamum-, Bali= und Haussa-Leute bringen 
olche in Mengen mit, um sie an Europäer und auch 
Schwarze zu verkaufen. Auch im Binnenhandel, z. B. 
im Marktverkehr der Graslandleute mit den Wald- 
landvölkern, bilden die aus Raphia geflochtenen 
Taschen einen beliebten Tauschartikel. 
Man könnte hier nun zunächst an die Ausfuhr des 
Raphiabastes denken. Mir ist nichts Genaues über die 
gegenwärtige Lage des Marktes in diesem Artikel be- 
kannt, doch ist wohl anzunehmen, daß der Markt für 
Raphiabast, der in Deutschland fast ausschließlich Ver- 
wendung im Gartenbau findet, in den letzten Jahren 
bedeutend anfnahmefähiger geworden ist. Hier hat 
aber der madagassische Raphiabast, von Kaphi 
pedunculata stammend, den westafrikanischen 
vollkommen verdrängt, so daß von der Westküste Ra- 
phiabast in nennenswerten Quanten nicht mehr aus- 
geführt wird. 
Sadebeck gibt 1. c. S. 13 über den letzteren 
folgendes an: 
„o0Der westafrikanische Raphiabast, welcher bis vor 
einiger Zeit in den europäischen Handel gelangte, ist 
*) Vo. R. Sadebeck, der Raphiabast (Jahr- 
buch der hamburgischen wissenschaftlichen Anstalten 
XVIII. 1900. 3. Beiheft. Mitteilungen aus dem 
botanischen Museum). . . 
  
Rap 
später 
  
  
  
  
ist, den Versuch auszuführen, der Station 
  
eine durchaus minderwertige Sorte. Er besitzt aller- 
dings die Länge des madagassischen Bastes und ist 
teilweise sogar etwas breiter als dieser. Er schlägt 
sich beim Trocknen ebenfalls um und wäre im Garten- 
bau verwendbar, wenn er nicht so leicht in Längs- 
streifen sich spaltete. Der Marktpreis dieser Sorte ist 
außerordentlich gering, sie gelangt daher schon seit 
Jahren nicht Veße in den Handel und findet höchstens 
noch als Packmaterial Verwendung. über die Art 
und Weise, wie dieser Bast aus Blättern gewonnen 
wird, wissen wir nichts Sicheres. Auch die Pflanze, 
von welcher der Bast gewonnen wird, kennen wir 
nicht mit Sicherheit.“ 
Offenbar handelt es sich bei der früheren Aus- 
fuhr von Raphiabast aus Westafrika um Bastsorten, 
die von Raphia vinisera, i ärtneri oder 
Raphia Hookeri stammten. Hingegen steht unsere 
oben beschriebene Raphia der madagassischen Raphia 
pecdunculata sehr nahe, und es ist so gut wie sicher, 
daß Bast von dieser Art noch nicht in 
den Handel gekommen ist. 
Ich habe deshalb, da es mir selbst nicht möglich 
hang 
eine genaue Beschreibung der Herstellungsweise des 
madagassischen Bastes übersandt und hoffe, in einiger 
zeit eine größere marktfähige Probe des Bastes vor- 
egen zu können. 
Sollte die Ausfuhr an Bast wegen der europäi- 
schen Marktlage nicht möglich sein, so würde die exakte 
Beantwortung der folgenden Frage vielleicht von Be- 
deutung werden: 
Ist der europäische Markt auf- 
nahmefähig für aus Raphiabast her- 
gestellte Halbfabrikate, Gewebe der 
verschiedensten Art und Dimensionen? 
Der Bast, aus verhältnismäßig kurzen Stücken be- 
stehend, die sich nicht verspinnen lassen, erlaubt wohl 
kaum eine Verwendung in der heimischen Webetechnik. 
Ist es nun nicht möglich, hier auf primitive Weise 
fabrizierte Matten, Decken, Gewebestücke, Taschen usw. 
in Europa abzusetzen, wo ja auch japanische und in- 
dische Gewebe ähnlicher Art einen Absatz finden? 
Dem Export dieser Gewebe müßte eine ausge- 
dehnte Hausindustrie zugrunde liegen, und gerade diese 
wäre in den Graslanddistrikten sehr leicht einzuführen. 
Eine Hausindustrie oder ein Gewerbe überhaupt für 
diese Distrikte zu schaffen, ist meines Erachtens sogar 
ein Bedürfnis und wird eine dringende Notwendigkeit 
werden. . 
Die Graslanddistrikte sind bevölkerter als man 
früher angenommen hat; im Bezirke Dschang kom- 
men nach den neuerdinas von Oberleutnant Rausch 
vorgenommenen Volkszählungen im Graslande durch- 
schnittlich 35 Menschen auf den Quadratkilometer.“) 
Die Landwirtschaft, die gegenwärtig die einzige 
nutzbringende Tätigkeit der Eingeborenen darsteg. 
wird heute noch fast ausschließlich von den Frauen be- 
sorgt. Es ist das Ziel der Regierung, aus naheliegen- 
den Gründen hier die Männerarbeit einzufüh- 
ren; die Landwirtschaft ist sehr primitiv, und es ist er- 
forderlich, der Pflugkultur verbunden mit Düngung des 
Bodens und sonstigen Neuerungen allmählich Eingang 
zu verschaffen. Diese zu erstrebende Art der Wirts 
wird erstens die Frauen von der Arbeit freimachen 
und dann auch bedeutend weniger Arbeitskräfte be- 
anspruchen. · « 
  
S 
  
  
*) In der Umgeegend von Dschang kommen etwa 
32, beim Posten Bara etwa 40 Menschen auf den 
Quadratkilometer. R.
	        
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