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rücksichtigt, wird man die einzelnen Bestimmungen
des Eingeborenen-Rechts richtig würdigen köunen.
Die erste Berührung der Eingeborenen der Gold-
küste mit Europäern und enropäischer Kultur erfolgte
bereits im 13. Jahrhundert durch portugiesische und
französische Seefahrer. Die früheste Niederlassung der
Engländer in der Goldküste datiert vom Jahre 1618.
Zusammen mit denen im jetzigen Gambia und später
in Sierra Leone wurden sie von privilegierten Ge-
sellschaften im Interesse des Sklavenhandels gegründet
und unterhalten, ähnlich denen der Schweden, Bran-
denburger, Dänen und Holländer. Aber sie blieben
lediglich Handelsdepots, die durch Forts geschützt
wurden, ein weitergehender Landerwerb war mit ihnen
nicht verbunden. Im Laufe der Jahre wechselten die
Gesellschaften. Als die Abschaßfung des Sklavenhandels
1821 den wirtschaftlichen Ruin der Gesellschaften zur
Folge hatte, übernahm die Britische Regierung die
„ West African Settlements“, zunächst unter einem
einheitlichen Gounvernement in Sierra Leone. 1842
erhielt die Goldküste ein selbständiges Gouvernement.
Aber auch jetzt noch waren die Niederlassungen Han-
delsdepots, und die Bestrebungen des Gouvernements
waren fast ausschließlich auf die Unterdrückung des
Sklavenhandels gerichtet. 1850 wurden die dänischen
Besitzungen von Christiansborg, 1871 die niederlän-
dischen Gründungen an der Goldküste übernommen.
Ebenfalls im Interesse der Unterdrückung des Sklaven-
handels erfolgte 1865 die Erwerbung von Lagos, das
zunächst dem Gouvernement der West African
Settlements' in Sierra Leone unterstellt und 1874
der Goldküste zugeteilt wurde. Auch in Lagos hatte
ähnlich wie in den Küstenorten der Goldküste haupt-
sächlich dank des Stlavenhandels schon seit Jahr-
hunderten eine Berührung der Eingeborenen mit
Europäern und europäischer Kultur stattgefunden.
1886 wurde Lagos von der Goldküste getrennt und
zur selbständigen Kolonie erklärt.
Hatte sich Eugland bisher auf den Standpunkt
gestellt, daß seine tropischen Kolonien nicht weiter aus-
zudehnen seien, so beginnt es zu Ende des 19. Jahr-
hunderts aus der Erkenntnis der Notwendigkeit tro-
pischer Besitzungen heraus zugleich mit den übrigen
curopäischen Kolonialmächten sich möglichst weite Ge-
biete bei der Aufteilung Afrikas zu sichern. Auch die
hier behandelten Kolonien profitierten davon. Mit
dem der Goldküstenlolonie im Norden benuachbarten
Ashanti-Reich hatten die Engländer schon seit Be-
ginn des 19. Jahrhunderts Kriege mit wechselndem
Glück geführt. 1896 wurde eine Residentur für Ashanti
errichtet. Die Auflehnung der Ashanti im Jahre 1900
hatte die Annerion dieses Gebietes und seine Unter-
stellung unter dem Gonverneur der Goldküste zur
Folge. Die nördlich Ashanti liegenden und zur bri-
tischen Einflußsphäre gehörenden Gebiete wurden 1897
zu einem besonderen Bezirk „he Northern Terri—
tories of the Gold Coast’ gemacht und erhielten
durch die Vereinbarungen mit Frantreich und Deutsch-
lund in den Jahren 1897 bis 1899 ihre heutige Gestalt.
Von der alten Kolonie Lagos aus erwarben die
Engländer zunächst das Protektorat über die benach-
barten Gebiete. 1889 wurde außerdem im Mündungs-
gebiet des Niger das Oil Rirer Protectorate errichtet,
das 1883 zum Niger Coast Protectorate erwmeitert
murde. Cude 15899 übernahm dann die britische Re-
gierung die gesamten Gebiete der Royal Niger Com-
Dagny, die diese sich durch mehr als 500 Verträge am
Niger, Benne und nordöstlich dieser beiden Flüsse ge-
sichert hatte, fügte dem südlichen Teil dieser Länder
das Niker Coast Protectorate hinzu, das fortan
den Namen Droteckorate of Scuthern Nigeria er-
hielt, und gründete aus dem anderen das Protcctorate
of Northern Nigeria. 1906 wurde Colony und Pro-
tectorate of Lagos und Protectorate of Somhern
Nigeria zu Colon und Protectorate of Southern
Nigeria vereinigt.
Aus diesen geschichtlichen Vorgängen heraus er-
klärt sich die heutige Verwaltungsorganisation der
hier zu behandelnden Kolonien: die Goldküste zerfällt
in das Gebiet der eigentlichen Gold Coast Colonr,
das Ashanti-Gebiet und das Gebiet der Jorthern
Lrerritories. Alle drei Teile unterstehen zwar dem
Gouverneur in Accra;z in der Cold Coast Colonr
tritt ihm jedoch bei Ausführung seiner Aufgaben ein
Erecutive= und ein Legislative-Council zur Seite. Das
Erecutive-Conncil ist der Zusammenschluß der höchsten
Beamten der Kolonie als beratendes Organ des Gou-
verneurs, das Legislative-Council ist eine aus amt-
lichen und nichtamtlichen ernannten Mitgliedern be-
stehende Körperschaft, in deren Hände die Gesetzgebung
gelegt ist (ogl. hierüber noch weiter unten). In den
beiden anderen, auf tieferer Kulturstufe stehenden und
dem englischen Einfluß noch nicht so verbundenen Ge-
bieten führt ein Chiel Commissioner die Geschäfte
der Verwaltung, ohne daß eine andere Körperschaft
hierbei mitzuwirken hat. Die Cold Coast Colonr
zorfällt in drei, das Ashanti-Gebiet in vier Provinzen
mit je einem Prorincial Commissioner an der Spite.
Die Provinzen sind wieder in Distrikte eingeteilt,
denen District Commissioners vorstehen. Ebenso
sind die Northern Terriories in Distrikte und Unter-
Distrikte geteilt worden.
Colony and Protectorate of Southern Nigeria
zerfallen in die Eastern, Cemral und Western Pro-
vince unter der Leitung je eines Provincial Com-
missioners und diese ebenfalls in von District Com-
missioners verwaltete Distrikte, insgesamt 35. Inner-
halb der Westprovinz nimmt das Gebiet der alten
Colony of Lagos, jetzt Colony of Southern Nigeria
— etwa 3120 Quadratmeilen = 8857 dkm —, daul
seiner besonderen staatsrechtlichen Qualifikation eine
besondere Stellung ein. Das in ihr errichtete Legis-=
lative Council ist zuständig auch für das gesamte Pro-
tektorat von Süd-Nigerien. Northern Nigeria ist in
13 Provinzen eingeteilt, denen hier, um schon das
anders geartete Verhältnis der Verwaltung zu den
Eingeborenen zum Ausdruck zu bringen, nicht Com-
missioners, sondern Residenten vorstehen.
Die Goldküste umfaßt insgesamt 80 000 Quadrat-
meilen — 207200 Quadratkilometer, davon die eigent-
liche Colony 21 200, Ashanti 20 000 und die Northern
Territories 35 800 Quadratmeilen; Süd-Nigerien ist
etwa 79 880 Quadratmeilen = 206 887 akm, Nord-
Nigerien 263 200 Quadratmeilen —= 681 188 dkm
groß, d. h. Goldküste und Süd-Nigerien sind etwa
2¼½, Nord-Nigerien etwa 7½ mal so groß als Togo.
Wirtschaftlich lassen sich zwischen der Goldküne
und Nigerien gewisse Parallelen ziehen. In beiden
schließt sich dem dichten Waldgürtel im Süden im
Norden allmählich offeneres Gelände an, beide liegen
unter annähernd der gleichen geographischen Breite,
in beiden überwiegt bei weitem die Eingeborenen-
Produktion gegenüber europäischen Pflanzungsunter-
nehmungen, in beiden sind erhebliche europäische Kapi-
talien im Bergbau interessiert, in beiden hat die Ver-
wertung und Ausnutzung der Maldbestände erhebliche
Bedeutung. Im übrigen bestehen aber doch ganz be-
trächtliche Unterschicde. Der Goldküste fehlt der breite
Mangroven= und Llpalmgürtel des Nigerdelta, febl#t
das gesunde, tsetsefreie Hochland Nord-Nigeriens.
Anderseits läßt sich die Zinnindustrie Nord-Nigeriens
noch nicht mit der Goldindustrie der Goldküste ver-
gleichen, und auch die Kakaoproduktion Nigeriens reicht
noch nicht entsernt an die enormen Ergebnisse des