Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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Kakaobaues in der Goldküste heran. Die Kola-Pro- 
duktion der Goldküste mit ihren wichtigen Wirkungen 
auf die Gestaltung des Eingeborenen-Handels fällt für 
Nigerien so gut wie ganz fort. 
Die Ausfuhrzissern dör wichtigsten Produkte der 
Kolonien betrugen im Jahre 1910: 
a) für die Goldküste 
  
Kakoo ? 866571 
Gold und Goldstaub. ·# 700282 
Gummi ... 4 358 876 
Palmkerne 4 185 058 
Palmöl 4 161 388 
Nutzholz ? 148078 
Kolanüsse 4 17716 
Rohbaumwolle f L 
Die Gesamtausfuhr betrug C 2697 706 
Die Gesamteinfuhr - 14 3 365 641; 
b) für Süd-Nigerien 
Palmkerne 4+ 2450 815 
Palmöl 4 1 742 234 
Gummi ? 311691 
Kakao . Emllöl 
Rohbaumwolle C78479 
Mahagoni 60 191. 
Die Gesamtausfuhr Süd-Nigeriens 
4 5304 186, die Gesamteinfuhr ## 5 857 335. 
In diesen Zissern sind zum Teil Produkte Nord- 
Nigeriens mitenthalten. Die Gesamtausfuhr Nord- 
Nigeriens wird für 1910 auf # 120 652, die Gesamt- 
einfuhr auf C 330 506 geschätzt. Als besondere Pro- 
dukte Nord-Nigeriens sind Schibutter mit 41 079 
und Zinn mit insgesamt # 74 415 zu erwähnen. Die 
Art dieser wichtigsten Ausfuhrgüter zeigt am besten 
die wirtschaftliche Basis der Länder. 
Die Bevölkerung der Goldküste umfaßte nach einer 
am 2. April 1911 vorgenommenen Zählung in der 
eigentlichen Colony 857 516, in Ashanti 287 814 und 
in Northern Territories 357500 Seelen. Unter 
dieser insgesamt rund 1½ Millionen zählenden Bevöl- 
kerung befanden sich etwa 1700 Europäer. Von den 
größeren Städten zählte Acecra, der Sitz des Gouver- 
nements 19 565, Coomassee, die Hauptstadt Ashantis 
18 853, die beiden Küstenstädte Cape Coast Castle und 
Seccondee 11 364 und 7725 Seelen. 
Die Bevölkerung von Süd-Nigerien betrug (1911) 
etma 7 859 689 Scelen, darunter 1648 Europäer. Das 
Land ist außerordentlich dicht bevölkert. Gibt es doch 
in ihm auch Städte von einer Größe und Bevölke- 
rungszahl, wie sie wohl nirgends wieder unter den 
Eingeborenen-Städten Afrikas gefunden werden: die 
Hauptstadt Lagos hatte einschließlich Iddo, Ebute 
Metta und Apapa 72 730 Einwohner, darunter 543 
Europäer. Von den Nornba-Städten im Innern 
zählte Ibadan 175 000, Aboekuta 51 219, Oyo 45 438, 
Oshogbo 59 821, Ogbomosho 80 000 Einwohner; Städte 
von mehreren Zehntausenden von Eingeborenen sind 
keine Seltenheit.“) In den 20 größten Städten der 
Westprovinz wohnten 967 000 Menschen oder 15 v. H. 
der ganzen Bevölkerung der Mestprovinz. Wenn man 
sich klar macht, daß die enormen Massen überwiegend 
in einstöckigen Häusern und dank der Eingeborenen- 
sitten, die vielfach den verschiedenen Mitgliedern einer 
Familie einen besonderen Raum zuweisen, mit einer 
gewissen Raumverschwendung untergebracht sind, so 
wird man sich sagen können, welche weiten Flächen 
betrug 
*) Nach der Colonial Oifice List 1912 sind die 
Einmwohnerzahlen der größeren Städte folgende: Lagos 
102 190, Ibadan 341 875, Abeokuta 264 723, Oyo 
217583, Jjebu Ode 131 326, Ilesha 339 299, Ondo 
164 558, Badagri 91 113, Epe 45 255. — Red. 
  
diese Bevölkerungsanhäufungen bedecken müssen. Einer 
der nachhaltigsten Eindrücke, die ich auf meinen Reisen 
an der Westküste erhalten habe, ist der Blick von der 
Residentur über das unendliche Grasdächermeer der 
Cingeborenen-Stadt von Ibadan. 
Nord-Nigerien zählte in 1910 nach Schätzungen, 
die sich auf die Steuerveranlagungen gründeten, 
9 260 000 Personen, unter ihnen 637 Europäer, davon 
424 Beamte und Soldaten. Das dichtest bevölkerte 
Gebiet war die Provinz Kano, in der 38,5 Personen 
auf 1 qkm kamen, das schlechtest bevölkerte Gebiet das 
der Provinz Kontagora, in dem nur 1,7 Personen auf 
1 aokm kamen (vgl. für Togo die Bevöllerung des 
Bezirks Anecho mit 40.7 Personen und des Bezirks 
Kete-Kratschi mit 1,3 Personen). 
Schon diese gewaltigen Ziffern für die Eingebore- 
nen-Bevölkerung, die die Länder unter die bestbevöl- 
kerten Gebiete Afrikas stellen, lassen die große Bedeu- 
tung, die der Eingeborenen-Bevölkerung und ihrer 
Behandlung durch die kolonisierende Macht zukommt, 
tlar erkennen. « 
Bezüglich der Organisation der Eingeborenen— 
Bevölkerung stehen sich zum Teil Extreme gegenüber. 
Die Gold Coast Colony wird von einer großen An— 
zahl verschiedener Stämme bewohnt, die jeder unter 
einem eigenen Head Chief (Oberhäuptling) stehen, 
unter denen wieder die Dorfhäuptlinge (Chieis) den 
einzelnen Ortschaften vorstehen. Ein engerer Zusam- 
menschluß bestand und besteht zwischen ihnen nicht. 
Ashanti ist von einer großen Anzahl, früher zu dem 
mächtigen Ashanti-Reich unter dem „King von Ku-- 
massi“ zusammengeschlossenen Stämmen bewohnt. Die 
einzelnen Stämme haben hier jeder wieder ihren 
.King'’. Die Unterordnung der Stämme unter eine 
cinheimische Zentralgewalt ist durch Errichtung der 
britischen Verwaltung erheblich gemildert. Die 
JNorthiern Territories setzen sich im wesentlichen aus 
einzelnen, ebenfalls unter Häuptlingen stehenden 
Stammesgebieten zusammen. In einzelnen Teilen, 
hauptsächlich in Nordwesten, fehlt es an einer eigent- 
lichen Stammesorganisation oder doch an Häuptlingen 
mit wirklichem Einfluß. Hier wurden Häuptlings- 
schaften zum Teil erst von den Engländern geschaffen. 
Die Goldküste hat hiernach zur Zeit als Eingeborenen- 
Organisationen durchweg kleine und kleinste Stämme 
und Stammesteile mit Ober= und Unterhäuptlingen. 
Innerlich gefestigte Negerreiche gibt es in ihr nicht 
mehr. Die heftigen Kämpfe, die England mit dem 
Ashanti-Reich zu bestehen hatte, verboten die Erhal- 
tung des Ashanti-Reichs in der alten Form von selbst. 
Die Städte an der Küste haben sich dank des lang- 
jährigen Europäer-Einflusses zu europäischen Kom- 
munen nachgebildeten Gemeinwesen herausgebildet. 
Hier finden sich auch schon Bestrebungen, die auf eine 
Stärkung des Nationalgefühls der Farbigen gegenüber 
den Weißen hinzielen. 
Anders liegen die Verhältnisse in Nigerien. Lagos 
und das Gebiet der Colony of Somhern Nigeria 
stoehen im weitesten Maße unter enropäischem Einfluß. 
Die alten Stammes-Institutionen sind im Schwinden 
begriffen und zum Teil schon verschwunden. Die Stadt 
ist jetzt der Sammelpunkt der verenglisierten Eingebo- 
reuen und das Vetätigungsfeld der mit mehr oder 
minder großem Erfolg nach englischem Muster heran- 
erzogenen Eingeborenen-Intelligenz. Eine Autorität 
des Weißen als Mitglied der höherstehenden Rasse gibt 
es in Lagos nicht mehr. Der Eingeborene, der im 
dichtesten Gewühl der verkehrsreichen Marina — der 
Hafenstraße in Lagos — sich vor seinem Stammes- 
oberen auf den Boden wirft, drängt rücksichtslos den 
Weißen zur Seite, um sich seinen Weg zu bahnen. Das 
Städtebild selbst trägt überwiegend europäischen Cha- 
rakter.
	        
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