W 1044 20
dem Anmarsch der Erpedition von Osten nach
Westen war es nicht möglich, einen Führer durch
das Batwa-Gebiet zu bekommen, und die Er-
pedition wurde unter allerlei Ausflüchten im
großen Bogen herumgeführt, weil die Leute
fürchteten, auf dem Rückwege der Rache der
Batwa zum Opfer zu fallen. Ein intelligenter
Eingeborener aus Nord-Ruanda sagte, als er
über den Ursprung der Zwerge befragt wurde,
folgendes: „Einst gab es nur drei Männer in
Ruanda. Der eine ging in das Pori, um zu
jagen. Von ihm stammen die Batwa. Der
andere grub Eisen, machte eine Hacke und be-
baute das Land. Das war der Vater der Wa-
hutu. Der dritte nahm zwei Stöcke und hütete
die Rinder. Von ihm stammen die Watussi."
Der Expedition gelang es leider nicht, mit
den Zwergen Fühlung zu nehmen.
Ostlich vom Batwa-Pori ist das Gebiet in
der bergigen Grenzzone wieder dicht bevölkert.
Nicht nur die Täler sind allenthalben bebaut,
auch auf den Hängen und auf den Rücken sind,
wo es der Boden gestattet, Felder angelegt, auf
denen die Kultur der Bohne, der süßen Erbse
und der Batate und auch in geringem Grade
die von Getreide (Sorghum) betrieben wird.
Während die Bohnenfelder gut gereinigt werden,
wächst die Erbse auf grobgehacktem ungereinigten
Boden, zwischen kniehohem Gras, dessen sie an-
geblich als Stütze bedarf und um bei starker
Sonne nicht zu vertrocknen. Die genannten Feld-
früchte müssen einen großen Nährwert besitzen,
denn sie bilden in Form von Brei (ugali) und
Spinat angeblich die ausschließliche Nahrung der
Eingeborenen, der Bergwahutu, die groß und
muskulös gebaut sind. Rinder findet man bei
ihnen gar nicht und nur einen geringen Bestand
an Kleinvieh, der zur Beschaffung der Fellkleidung
und zum Tauschhandel dient.
Das Bergschaf hat dasselbe glatte Fell, wie
ihn das Schaf in den heißen Niederungen der
Kolonie zeigt. Das rauhe Klima, das nachts
Temperaturen von wenigen Märmegraden, zu-
weilen Eisbildung mit sich bringt, hat zwar nicht
wollebildend gewirkt, verspricht aber guten Erfolg
für Aufkreuzung. Auch Hühner gibt es nur
wenig; diese werden angeblich nur zum Zwecke
der Wahrsagerei gehalten, um bei Erkrankung
der Menschen aus ihren Eingeweiden die Art-
der Krankheit zu erkennen. Die Wahutu sind
eifrige Bienenzüchter, besonders in der Nähe der
Papyrussümpfe. Bei dem geringen Baumbestand
von Ruanda behelfen sie sich mit künstlichen, aus
Papyrusstengeln und Mörtel hergestellten Bienen-
stöcken, die sie in der Nähe der Sümpfe und der
Dörfer, nahe dem Erdboden, anbringen.
Vegetabilien, Felle und Bienenwachs sind
also die Artikel, die den Eingeborenen hier zur
Zahlung der Steuern befähigen werden.
An den Rändern des Gebirges, etwa von
dem umfangreichen Bergstock Kawimbiri beginnend,
macht sich der Einfluß der Watussi geltend. Eine
größere Watussi-Gruppe unter dem Sultan Kaneia
bewohnt die Hügel in der Grenzzone der Land-
schaft Mpororo, die eine mittlere Höhenlage von
etwa 1300 m hat.
Riesige, nach Tausenden zählende Rinder-
herden weiden auf den ausgedehnten, leicht-
gewellten, mit gutem Gras bestandenen Hoch-
ebenen. Die Watussi, die angeblich nilotischer
Abstammung sind, leben von der Milch ihres
Viehes. Von den Wahutu erhalten sie für Milch
bzw. Viehnutzung die nötige vegetabilische Nab-
rung. Sie selbst treiben keinen Ackerbau und
halten körperliche Arbeit für entwürdigend: Ihre
Kultur steht daher wohl noch auf demselben
Standpunkte, auf dem sie sich zur Zeit des allen
Testaments befand. Es sind hohe, überschlanke
Erscheinungen. Lediglich ihrem reichen Viehbeis
verdanken sie es, wenn sie über einen großen
Teil der Berg-Wahutu eine Art biblisch-patriarcha-
lischer Herrschaft durch vorgeschickte Vervweter
(Watuale) ausüben. Kriegerische Eigenschaiten
besitzen sie gar nicht, und sehr richtig hat der
Resident von Ruanda sie in dieser Hinsicht mit
dem Worte „Schafleder" charakterisiert. Bei einem
Aufstande ist von den Watussi deshalb nichts zu
befürchten, als ihr Einfluß auf die Wahutu, die
nur einer Anregung bedürfen, um ihre kriegerischen
Eigenschaften zu entfalten. Besonders gilt dies
von den Wahutu, die den nunmehr nördlich der
Grenze liegenden, Rukigga genannten, gebirgigen
Teil der Landschaft Mpororo bewohnen. Tas
Land ist ein Zufluchtsort für die von Süden aus
dem deutschen, von Norden aus dem englischen
Gebiet kommenden aufsässigen, der Verwaltung
entronnenen, aushetzerisch wirkenden Elememee.
Bei den Wahutu spielt die Blutrache eine groze
Rolle. Wenn, wie es häufig der Fall ins,
Schwarze, die in kleinen Trupps die Wahum-
Gebiete passieren, abgespeert werden, so liegt far
immer ein Akt der Blutrache vor, die sich ihre
Opfer sucht, wo und wie sie kann. Hierdurck
erklärt sich auch wohl die sonderbare Erscheinung,
daß Täler, die nur durch einen Höhenzug von-
einander getrennt sind, miteinander in Feindschan
liegen, so daß der Führer trotz hoher Lohnvet:
sprechung umkehrt. Auch die englische Grenz-
expedition hatte darunter zu leiden. Verschiedene
ihrer Boten und auch ein englischer Az#kan
wurden in Rukigga getötet.
Auf deutscher Seite verlief die Expedition im
allgemeinen völlig friedlich. Die Träger um
Arbeiter, 150 Mann, und die Askaris des Le-