Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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die Resultate entschieden ermutigend. Werke, welche 
in ihren ersten Jahren nicht einmal die Betriebs- 
ausgaben deckten, haben allmählich sich verzinst, und 
nach Verlauf von 7 bis 8 Jahren haben sie 5 bis 
6%9 Zinsen auf viele Millionen Rapital abgeworfen, 
solbst wenn der gesamte Zinsoverlust während der 
ersten Jahre dem Kapital zugeschlagen wurde. Nach- 
dem ich 12 Jahre im indischen JIrrigationsdeparte- 
ment, wo die Regierung 300 Millionen für 
Irrigationszwecke ausgegeben hat, gedient habe, 
und 18 Jahre in Agupten, wo Lord Cromers Re- 
gierung Jrrigationswerke ausgeführt hat, die an 
Grosßse nur mit den größten Arbeiten der 12. Pha- 
raonen-Duynastie verglichen werden können, halte ich 
die Ausführung großer IJrrigationswerke als 
die erste Arbeit, welche eine erleuchtete Re- 
gierung in dürren und halbdürren Ländern 
ausführen sollte. Nicht allein bringen gut ausgeführte 
Irrigationsarbeiten dem Staate einen direkten Ge- 
winn, wenn man es ihnen gestattet, sich langsam 
und auf naturlichem Wege zu entwickeln, sondern 
sic bringen auch jenen indirekten Nutzen, welcher 
dem Staat vom Wachsen des allgemeinen Wohl- 
standes zufließt. Ist dies schon sonst der Fall, so 
besonders in Südafrika, wo außerordentliche 
Schwierigkeiten vorliegen, die nach meiner Meinung 
nur durch Irrigationsarbeiten gelöst werden konnen.“ 
Ein anderer Sachverständiger und Berater der 
englischen Regierung in Südafrika, H. M. Oaklen, 
erklärt es in einer Denkschrift über die Besiedelung des 
Betschuanalandes geradezu für eine Pflicht der Regierung, 
das Land, wo es nötig ist, zu bewässern. „Wasserloses 
Land verkaufen, heißt praktisch den Ansiedler töten, bevor 
er nur angefangen hat.“ In der Tat hat denn auch die 
südafrikanische Regierung das Bewässerungswesen als 
eine staatliche Aufgabe ersten Ranges erkannt und zu 
erfüllen begonnen. Von der 5 Millionen Pfund-An- 
leihe, die dem Transvaal nach seinem UÜbergang an 
England von der englischen Regierung für wirtschaft- 
liche Zwecke garantiert wurde, wurden für die schon 
erwähnte Agrikulturbank 2,5 Millionen L ausgeworsfen, 
die übrigen 2,.5 Millionen L aber außer für Eisen- 
bahnen und andere Verkehrseinrichtungen, auch für 
Bewässerungswerke und sonstige Meliorationsarbeiten 
bestimmt. Man unterscheidet in der Regel große 
Bewässerungswerke, die ganz mit staatlichem Kapital 
ausgeführt werden, das sich aus der Massersteuer 
von etwa 1 L pro Acre mit 3 bis 4 % verzinsen soll. 
Die Wertsteigerung durch die Bewässerung wird auf 
200 % pro Acre im Durchschnitt berechnet. Kleinere 
und mittlere Bewässerungswerke überläßt die Regierung 
den ad hoc gebildeten Genossenschaften, auch Zwangs- 
genossenschaften, wie sie für wasserwirtschaftliche Zwecke 
auch das deutsche Genossenschaftsrecht vorsieht. Diese 
Genossenschaften werden von der Regierung mit Dar- 
lehen reichlich unterstützt. lÜhber die bisherige Ent- 
wicklung dieser südafrikanischen Massergenossen- 
schaften wird in einem kürzlich eingegangenen Konsular- 
bericht folgendes ausgeführt: 
„Die Anlage von Bewässerungsanlagen wird 
sich nur in solchen Gegenden empfehlen, wo Farmer 
versiehen. Es ist dies eine Kunst, die von Kind auf 
erlernt sein will. Unbedingt notwendig für einen 
Distrikt, in dem Bewässerungsanlagen gebaut werden 
sollen, ist es, daß wenigstens einige Farmer auf 
lange Erfahrung zurückblicken. Iu Gegenden, wo 
Farmer mit Erfahrung die Bewässerung in die 
Oand nehmen, kann die Regierung mit eigenen 
Mitteln unbesorgt eingreifen. Das Unternehmen 
wird stets gelingen. Anders aber in solchen, in 
  
denen die Ansiedler nicht aus Gegenden entstammen, 
in denen künstliche Bewässerung zum Landbau not- 
wendig ist. Hier müssen die Farmer notwendig 
bei der Anlage beteiligt sein, da sie sich sonft nie 
die Mühe nehmen, die Bewässerungskunst gründlich 
zu erlernen. Sie verlangen dann Zugeständnisse 
über Zugeständnisse von der Regierung, und es wird 
nie etwas erreicht. An der Regel sollen solche Unter- 
nehmungen von Genossenschaften mit Staats- 
hilfe ausgeführt werden. Nach dem gegenwärtigen 
Gesetz betreffend die Bewässerungsanlagen am Kap 
werden die Pläne durch das Frrigation Department 
ausgearbeitet, welche sie den interessierten Farmern 
vorlegt. Die Farmer des Bezirkes, die mit dem 
Projekte einverstanden sind, sammeln Stimmen und 
suchen so viele Farmer wie möglich in dem Bezirke 
für die Anlage zu begeistern. Es wird dann eine 
Petition beim Minister durch die Anlieger an dem 
Wasserlauf zwecks Bildung eines Bewässerungs- 
distriktes eingereicht. Diese Petition muß von 
Farmern, die 110 des Grund und Bodens in dem 
Vezirke besitzen, unter9zeichnet sein. Es wird dann 
ein Ingenieur des „Jrrigation Department“ zwecks 
Untersuchung in den Bezirk abgesandt, welcher die 
Gründe, die dafür und dagegen sprechen, mit den 
Anliegern durchspricht. Sind 2'3 dafür, dann wird 
durch den Gouverneur ein bestimmtes Areal als 
Bewässerungedistrikt bezeichnet. Die Farmer des- 
selben bilden dann eine Zwanggsgenossenschaft. 
Alle müssen sich beteiligen. Es werden dann 
Stimmlisten angesertigt und eine Vertretung (Board) 
gewählt, die als kleines Parlament für den 
Distrikt fungiert. Diese Vertretung hat das Recht, 
Geld zu borgen und Abgaben zu erheben, und 
die Regierung hat das Recht, diese Abgaben 
als Sicherheit für Darlehen zu nehmen. Die An- 
lagen stehen unter der Kontrolle des „Direktor of 
Irrigation“ und müssen entsprechend den gut- 
geheißenen Zeichnungen angesertigt werden. Wenn 
das Darlehn zurückbe zahlt ist, hört die Kontrolle 
auf. Ganz große Bewässerungsanlagen, Stau- 
dämme usw. müssen natürlich stets von der Re- 
gierung angelegt werden. Bis jetzt sind 10 Be- 
wässerungedistrikte gebildet worden mit Regierungs- 
darlehen in Höhe von 116000 L. Das bebauungs- 
fühige Land beträgt 30 000 Acres. Vier weitere 
Distrikte sind in Bildung mit einem bebauungsfähigen 
Lande von 20 000 Acres, wofür 200 000 L notwendig 
sind. Der Hauptgrund für die Ausbildung dieser 
Distrikte ist der, daß die Grundbesitzer billiges Geld 
von der Regierung geliehen bekommen können.“ 
Die großartigen, auf Staatskosten ausgeführten Be- 
wässerungoswerke im englisch-ägyptischen Sudan 
sind bekannt. Die Gesichtspunkte, von denen sich die 
englisch-ägyptische Regierung in finanzieller Beziehung 
hierbei leiten ließ, und die darauf hinauskommen, 
daß der indirekte Nutzen der Bewässerungswerke auch 
für den Staat ausschlaggebend sein müsse, hat Lord 
Cromer in einem Berichte dargelegt, in welchem die 
Erhöhung des Staudammes von Assuan, die zur Zeit 
im Werke ist, begründet wird. Hier heißt es: 
„Zunächst möchte ich bemerken, daß über den 
enormen Nutzen, welchen das Reservoir von Assuan 
Agupten gebracht hat, kein Zweifel bestehen kann. 
Der augenblickliche direkte Gewinn für den ägipti- 
schen Staatsschatz war in der Tat unbedentend. 
Der indirekte Nuten war bedeutend, wenn es auch 
schwer ist, ihn in genauen Zahlen an zugeben. Der 
(Grund, werhalb die direkte Rückzahlung an den 
Staatoschatz klein gewesen ist, liegt darin, daß 
man es für das beste hielt, eine sehr geringe
	        
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