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Fulbeherrschern, denen sie nominell unterstehen,
ganz unmöglich, weil ihnen die Heiden in dem
Bergland mit ihren Giftpfeilen überlegen sind.
Diese Zustände, über die fast wöchentlich bei der
Residentur Klagen einliefen, waren nicht mehr
haltbar, wenn anders nicht das Vertrauen der
ruhigen Bevölkerung zu der Residentur und deren
Willen, ihr zu helfen, ernstlich erschüttert werden
sollte.
An der Expedition nahmen Teil: Hauptmann
Schwartz als Führer, ferner Leutnant Edler
v. der Planitz und Sanitätssergeant Bauer sowie
35 farbige Soldaten einschließlich der Dienstgrade.
Außerdem wurden wechselnd eingeborene landes-
kundige Führer in beschränkter Zahl — nie mehr
als zwanzig — herangezogen, die beim Weg-
weisen im ungemein unübersichtlichen Gelände,
beim Aufsuchen der Verstecke, beim Treiben des
Beuteviehs und beim Beaufsichtigen der Gefangenen
auf dem Gefechtsfelde Verwendung fanden. Ihre
Bewaffnung war die lanbesübliche.
Von einer Verwendung eigentlicher Hilfs-
krieger wurde grundsätzlich Abstand genommen,
weil gerade in Adamaua durch diese dem Eu-
ropäer sich anschließenden beutelustigen Scharen
eine ganz sinnlose und gar nicht zu verhindernde
Verwüstung des Landes, ferner Vieh-, Lebens-
mittel= und vor allem Sklaven-Raub stattfindet,
so daß eine Menge wirtschaftlicher Werte unnütz
vernichtet und außerdem das Bestreben der Re-
sidentur, den Sklavenhandel zu unterdrücken, den
Gegensatz zwischen Fulbe und Heiden zu mildern
und dadurch friedlichere Verhältnisse im Bezirk
herbeizuführen, illusorisch gemacht wird. Der Er-
peditionsführer hat vielmehr die ihm von den an-
wohnenden Fulbe und auch von Heiden über-
reichlich angebotenen „Hilfe“ nicht nur energisch
abgelehnt, sondern Hunderte von Leuten, die sich
ihm trotz dieser Ablehnung anzuschließen versuchten,
durch Soldateneskorten und unter Bestrafung der
Anführer wieder abgeschoben. Böllig lassen sich
die Räubereien der Anwohner auf den Spuren
der Expedition jedoch nicht unterdrücken; es sei
denn, man führte einen regelrechten Krieg nach
zwei Fronten, gegen den Feind und gegen den
gar zu eifrigen „Freund"“.
Die Absicht des Erxpeditionsführers war die,
im Expeditionsgebiet möglichst jedes Hauptdorf zu
besuchen — vor allem natürlich diejenigen Orte,
welche als Raubnester besonders bezeichnet waren,
nämlich die Landschaften Sia im Mubi-Gebiet,
Musulwa im Gela-Gebiet und Ndili im Basseo-
Gebiet —, ferner die noch ungesühnten Räubereien
zu untersuchen, die Schuldigen zu bestrafen, durch
eingehende Belehrung das Vertrauen der Heiden
zu gewinnen, jedem Widerstande oder feindseligen
Verhalten aber sofort mit Waffengewalt zu be-
gegnen. Zum Schlusse sollte dann Leutnant
v. der Planitz noch einige Monate im Gebiet
bleiben, um die Befriedung durchzuführen.
Die Expedition brach am 9. Oktober 1911
von Garua auf. Ein Maschinengewehr wurde,
da seine Verwendung in dem ungangbaren Ge-
birgsland und dem dortigen Gegner gegenüber
keinerlei Vorteile versprach, nicht mitgenommen.
In Friedensmärschen wurde über Gasiga,
Demssa, Wafango, Buda-Mango und Koagol Meiha
erreicht.
Die nun beginnenden Kriegsmärsche wurden
so ausgeführt, daß der Expeditionsleiter persönlich
die Vorhut führte, Leutnant v. der Planitz mit
dem Haupttrupp und den Trägern folgte und
Sanitätssergeant Bauer die Nachhut unter sich hatte.
Es wurden nacheinander berührt die Haupt-
orte: Dumo, Kodja, Gela, Mubi und Mi-
djilu. Uberall wurden Versammlungen des
Volkes und der Häuptlinge abgehalten und Unter-
suchungen, Gerichtssitzungen und Bestrafungen vor-
genommen. Zu bewaffnetem Einschreiten war hier-
bei kein Anlaß gegeben.
Am 19. Oktober ging der Marsch nach Sja.
Das große, sehr ausgedehnte Dorf liegt in einem
flachen Kessel inmitten eines sehr stark zerklüfteten
Gebirgsstockes; die einzelnen Gehöfte, sämtlich mit
Steinwällen befestigt und von Stacheleuphorbien-
hecken umgeben, liegen immer gegen 100 m von-
einander entfernt. Die Eingeborenen hatten die
Gehöfte verlassen und saßen auf den das Dorf
umlagernden Klippen, besonders auf einer nörd-
lich vorgelagerten schroffen Höhe. Im südlichen
etwas überhöhenden Teil des Dorfes wurde Lager
bezogen und der Arnado (Häuptling) herangerufen,
der auch erschien. Ihm wurde befohlen, Ver-
pflegung heranzuschaffen und seine Leute zur Be-
grüßung und Besprechung vor den Residenten zu
bringen. Er versprach auch alles, hielt jedoch
nichts, vielmehr wurde einer unserer Führer, der
mit Leuten der Expedition zum Sammeln von
Feuerholz die unmittelbarste Nähe des Lagers
verließ, ohne jeden Grund durch einen Pfeilschuß
in das linke Auge schwer verwundet; er starb
später an Blutvergistung. Der Schuß war das
Signal zu einem allgemeinen Angriff der Heiden
auf unser Lager von der nördlich vorgelagerten
höchsten Klippe her.
Die Heiden näherten sich unter gellendem
Kriegslärm, gut gedeckt, und schossen Gistpfeile in
das Lager. Der Erxpeditionsführer eröffnete mit
den übrigen Truppen ein erfolgreiches Schützen-
seuer auf die anrückenden Heiden. Bald nachdem
von diesen eine Anzahl gefallen war, machten die
übrigen kehrt und verschwanden in den zahl-
reichen Höhlen und hinter den Felsen der nörd-
lich vorgelagerten großen Klippe.