Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

W 542 2e0 
Deutsch-MNeuguinea. 
Eine Studienreise nach Neugulnea. 
Von Dr. Bücher. 
Mit dem Reichspostdampfer „Prinz Ludwig“ 
traf ich am 11. Dezember 1911 in Singapore ein. 
Da der Dampfer „Manila“ der Singapore — Neu- 
guinea-Linie bereits im November von dort ab- 
gefahren war, blieb als nächster Weg nach Neu- 
guinea derjenige über Hongkong. Der „Prinz 
Ludwig“ hatte dort keinen direkten Anschluß an 
die Austral—Japan-Linie, sondern erst der etwa 
vierzehn Tage später fahrende Dampfer „Bülow“. 
Ich hatte also die Wahl zwischen einem zwölf- 
bis vierzehntägigen Aufenthalte in Singapore 
oder Hongkong. Für die Zwecke meiner Reise 
hatte das letztere keine Bedeutung, und so war 
es selbstverständlich, diese Zeit in Singapore zu 
verbringen. 
In die erste Reihe der Sehenswürdigkeiten 
dieser Stadt gehört der dortige botanische 
Garten. Jedermann spricht auf den Dampfern 
davon, und wenn der Rickscha-Kuli den Fremden 
durch die Stadt fährt, mit dem er sich nur selten 
verständigen kann, so wird er ihn auch sicher nach 
dem botanischen Garten hinaus bringen. Der 
botanische Garten hat zwei räumlich voneinander 
getrennte Abteilungen, den parkartig angelegten 
Schaugarten (botanical Garden) und den Wirt- 
schaftsgarten (economical Garden). 
Der Schaugarten mag für den Sgyste- 
matiker von geringerer Bedeutung sein, für das 
Publikum ist er mit seinen breiten, teilweise mit 
Wagen befahrbaren Wegen und seinen wunder- 
baren landschaftlichen Partien die Hauptattraktion. 
Die Anordnung der Pflanzen ist hier von vorn- 
herein in der Weise erfolgt, daß diese in kleineren 
oder größeren Gruppen in weit ausgedehnten 
Rasenflächen eingestreut stehen. Markante oder 
durch ihr Wachstum auffallende Bäume stehen 
einzeln. Hierdurch wird eine prachtvolle Wirkung 
der einzelnen Pflanze erzielt, und die einzelnen 
Pflanzentypen prägen sich dem Gedächtnis des 
Besuchers bedeutend besser ein als bei geschlossenen 
Quartieren, in denen das Auge nicht ausruhen 
kann und keine geschlossenen Bilder findet. Vom 
rein technischen Standpunkte verdient diese An- 
ordnung auch deshalb den Vorzug, weil bei ihr 
in einen älteren Bestand ohne irgend welche 
Anderungen immer neue Typen eingepflanzt 
werden können. Als ein weiterer Vorteil des 
Gartens ist mir aufsgefallen, daß die heimische 
Flora in erster Linie vertreten ist. Von der aus- 
ländischen Flora findet man nur die allgemeinen 
Schanstücke, die man ihres eigenartigen Wuchses 
oder sonstiger Merkmale wegen in fast allen 
tropischen Gärten trifft. Hierdurch hat der Schau- 
  
garten auch für den Beamten und Pflanzer, zu 
dessen Beruf eine Kenntnis der heimischen Flora 
erforderlich ist, einen gewissen Wert. Wenn man 
von der schönen Kollektion einheimischer Lycopodien 
und Farne absieht, sind die wenigen Gewächs- 
und Anzuchtshäuser ohne besondere Bedeutung. 
Für den Praktiker hat der Wirtschafts- 
garten das größere Interesse. Dieser hat eine 
besondere Berühmtheit dadurch erlangt, daß er 
die Heveabäume enthält, an denen Ridley und 
seine Mitarbeiter die Versuche ausführten, welche 
die beispiellos schnell angewachsene Heveakultur 
in den Straits und den Malayenstaaten zur Folge 
hatten. Jeder, der sich mit der Heveakultur 
überhaupt einmal befaßt hat, kennt diese Bäume. 
Kurz vor meiner Abreise hatte ich noch Gelegen- 
heit, mit dem langjährigen Leiter des Gartens 
Ridley einen Gang durch den Wirtschaftsgarten 
zu machen. Ridley war eben von Saigon ge- 
kommen, wo ihm die Franzosen als den Be- 
gründer der Heveakultur im Osten einen außer- 
ordentlich enthusiastischen Empfang bereitet hatten. 
Er hatte den Garten schon an seinen Nachfolger 
übergeben und wollte in den nächsten Tagen für 
immer von Singapore, wo er über zwanzig Jahre 
gearbeitet hatte, Abschied nehmen. Es war des- 
halb besonders wertvoll für mich, daß ich mit 
ihm noch einmal die Heveaguartiere besuchen 
konnte. Seine Führung war eine Einführung 
in die Geschichte der Heveakultur, wo viele Ver- 
suche von großer Tragweite noch an den Original= 
pflanzen erläutert werden konnten. Die hier 
angestellten Versuche hatten zunächst den Zweck, 
darzulegen, daß die Hevea unter den örtlichen 
Verhältnissen Kautschuk guter Qualität in lohnenden 
Mengen liefert. Dann beschäftigte man sich mit 
der Zapfmethodik und der Frage der Aufbereitung 
des Kautschuks. In nenerer Zeit besteht der 
Wert der Untersuchungen in der Feststellung der 
Dauer der Zapfbarkeit der Bäume —, Versuche, 
die nur hier angestellt werden können. Dagegen 
sind die aus der Praxis der Heveakultur sich er- 
gebenden Fragen (Pflanzweite, Zwischenpflanzung, 
zapfbares Alter) überhaupt nicht oder doch nur 
in sehr beschränktem Maße bearbeitet worden. 
Außer den alten historischen Beständen, die in 
unregelmäßigem Verbande stehen, existiert, soviel 
ich gesehen habe, nur noch ein etwa vier und 
ein etwa zwei Jahre altes Quartier, letzteres mit 
Zwischenpflanzung von Kaffee. Hieraus erklärt 
sich auch, daß der botanische Garten an den sich 
aus der Kultur ergebenden praktischen Fragen so 
wenig Anteil genommen hat. Der übrige Wirt- 
schaftsgarten ist so angeordnet, daß die Nutz- 
pflanzen nach ihrer systematischen Zugehörigkeit 
teils in kleinen Gruppen, wie im Schaugarten, 
teils in kleinen Quartieren gepflanzt sind. Größere
	        
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