Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

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Formulare einer für Pflanzungen bestimmten 
Buchführung werden in kurzem fertiggestellt sein. 
Alsdann steht noch die Ausarbeitung von For- 
mularen für die Buchführung größerer Unter- 
nehmen zu erwarten. 
Die verdienstvolle Arbeit der Deutschen Land- 
wirtschafts-Gesellschaft entspricht einem Bedürfnisse 
unserer kolonialen landwirtschaftlichen Betriebe. 
Ganz abgesehen davon, daß eine zweckmäßige 
Buchführung dem einzelnen Unternehmer große 
Vorteile bietet, wird durch sie die vielfach noch 
fehlende Grundlage für hinreichend zuverlässige 
betriebswirtschaftliche Ermittlungen in den Kolonien 
geschaffen. Es dürfte bekannt sein, daß die Lösung 
der landwirtschaftlichen Bodenkredit-Frage für 
Deutsch-Südwestafrika durch die Schaffung eines 
Kreditinstituts zu erwarten steht. Zur Grundlage 
eines solchen Instituts gehören aber übersichtliche 
ökonomische Verhältnisse bei den zu beleihenden 
Farmen. Hierfür wird es sehr dienlich sein, wenn 
die Farmer in ihren Betrieben die Vorteile einer 
geordneten, zweckmäßigen Buchführung sich zunutze 
machen. Bei der Plantagenwirtschaft und den 
größeren Betrieben wird die einheitliche Einfüh- 
rung einer den kolonialen Verhältnissen Rechnung 
tragenden Buchführung die Solidität der Unter- 
nehmungen fördern und einer ungesunden Grün- 
dungs= und sonstigen Finanzierungstätigkeit ent- 
gegenwirken. 
bDie Gerichtsorganisation in Französisch- 
fK#quatorialafriha. 
Die im Jahre 1911 zu unserem Schutzgebiete 
Kamerun von Frankreich erworbenen Gebietsteile 
bildeten früher einen Teil von Französisch-Aqua- 
torialafrika. Es dürften daher einige Mitteilungen 
über die Gerichtsverfassung Aquatorial= 
afrikas von Interesse sein. 
In den französischen Kolonien, die das General- 
Gouvernement von Französisch-Aquatorialafrika 
bilden, wird die Gerichtsbarkeit im wesentlichen 
durch das Dekret vom 12. Mai 1910 (le déerret 
portant réorganisation du Service de la justice 
en Afrique Gquatoriale française) geregelt. 
Nach diesem Dekret wird die Gerichtsbarkeit 
durch französische Gerichte und Eingeborenen- 
gerichte (tribunaux français et tribunaux in- 
digènes) ausgeübt. 
I. Die französischen Gerichte sind zu- 
ständig, falls die Parteien oder die vom Verfahren 
  
betroffenen Personen entweder franzöfische Bürger 
find oder Fremde, die einer anerkannten Nation 
oder einer solchen angehören, die diplomatische 
Beziehungen zu Frankreich unterhält, oder schließ- 
lich Eingeborene französischer oder fremder Ko- 
lonien, die in ihrem Heimatlande dem Rechte des 
kolonisierenden Staates unterworfen find. 
Ferner kann die Zuständigkeit in Zivilsachen, 
wenn beide Teile Eingeborene sind, vereinbart 
werden. In diesem Falle ist das örtliche Ge- 
wohnheitsrecht anzuwenden, falls nicht die An- 
wendung des franzöfischen Rechtes vereinbart ist. 
Im Falle der Anwendung des örtlichen Gewohn- 
heitsrechtes können die französischen Gerichte einen 
oder zwei europäische oder eingeborene Beisitzer 
mit beratender Stimme zuziehen. 
Die verschiedenen Gerichtshöfe fsind: Der 
Berufungsgerichtshof (la cour d’appel), der Straf- 
gerichtshof (la cour criminelle), die Friedens- 
gerichte mit erweiterter Kompetenz (les justices 
de paix à comptence stendue) und die ge- 
wöhnlichen Friedensgerichte (les justices de paix 
ordinaires). 
Der Berufungsgerichtshof besteht aus einem 
Präfidenten und zwei Räten und erkennt als Be- 
rufungsinstanz über die Urteile erster Instanz der 
Friedensgerichte mit erweiterter Kompetenz in 
Zivil= und Strafsachen, insoweit sie mit Berufung 
anfechtbar sind. 
Der Strafgerichtshof besteht aus den Mit- 
gliedern des Berufungsgerichtshofes und zwei 
Beisitzern mit beschließender Stimme; er erkennt 
über alle Verbrechen, und zwar mit einfacher 
Stimmenmehrheit. 
Bei beiden Gerichten wirkt der Generalstaats- 
anwalt (le procureur général, chef du service 
judiciaire) als Vertreter der Staatsanwalt= 
schaft mit. 
Die Friedensgerichte mit erweiterter Kompetenz 
sind mit Einzelrichtern besetzt. Sie erkennen in 
erster Instanz in allen Zivilsachen, und ztönr bei 
Wertgegenständen bis zu 2000 Fr. Kapital oder 
300 Fr. Rente endgültig, ferner in Strafsachen 
über Vergehen und Übertretungen, bei Polizei- 
übertretungen wiederum endgültig. Als Be- 
rufungsgerichte erkennen sie über die Berufung 
gegen die Urteile der gewöhnlichen Friedens- 
gerichte. Der Friedensrichter mit erweiterter Kom- 
petenz ist auch Untersuchungsrichter. 
Mit den Funktionen eines gewöhnlichen 
Friedensrichters können Verwaltungsbeamte be- 
traut werden. Sie üben die Gerichtsbarkeit in 
Strafsachen bei gewissen Übertretungen und in 
Zivilsachen bei Wertgegenständen bis zu 600 Fr. 
aus. In Zivilsachen sind ihre Entscheidungen 
bei Wertgegenständen bis zu 300 Fr. unan- 
fechtbar.
	        
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