Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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5 Lokomotiven, zahlreiche 
2 Flugzeuge in die Hände. 
Die 160 km lange Nordbahn ist somit 
immerhin 2½ Monate gegen eine etwa 
vierfache Übermacht, die durch die ver- 
räterischen Eingeborenen unterstützt war, 
gehalten worden. 
Der Brief eines englischen Offiziers vom 
15. Dezember 1914 in der „Morning Post“ vom 
5. Februar 1915 besagt zu dem Vormarsch von 
Mujuka nach Nkongsamba-Bare u. a. folgendes: 
.Das Hauptquartier mit Stab gingen am 1. De- 
zember von Duala nach Mujuka nach der Nordbahn 
ab. Oier war eine Kolonne in der Bildung begriffen, 
die die Eisenbahn bis zu ihrer Endstation in Besitz 
nehmen sollte. Kein geringes Unternehmen! Am 
3. Dezember brach die Truppe auf und folgte dem 
Schienenstrang. Die Schwierigkeiten, welche ein größerer 
Truppenteil beim Vorgehen längs einer schmalen Bahn- 
strecke im dichten Urwald zu überwinden hat, sind un- 
gebeure. Offene Formationen sind ausgeschlossen an- 
gesichts eines Gegners, der mit allen möglichen, er- 
laubten und unerlaubten (!) Kampfeskniffen vertraut ist. 
Wir konnten nie wissen, wann plötzlich das „krack-krack- 
krack“ (Maschinengewehr) irgendwo in der Front oder 
Flanke ertönte. Schreckenerregend war das Echo im 
Walde, besonders wenn die Deutschen eine der gräß- 
lichen „Elesantenbüchsen“ abschossen, mit welchen sie 
die Eingeborenen bewaffnet haben?). 
Die Deutschen haben die schlechte Angewohnheit (, 
einige Scharsschützen in den Baumkronen zu verstecken, 
um das Feuer zu eröffnen, sobald wir in Schußweite 
kommen. 
Vor allem ist das „pop-pop-pop-pop“ der Maschinen- 
gewebre im Urwalde nicht gerade ein nervenstärkendes 
Mirtel. Die Nachtlagerstellen mußten befestigt werden; 
sie wurden häufig beschossen, so daß starke Patrouillen 
und Geschütze zur Sicherung nötig waren. 
Eine weitere angenehme Uberraschung, welche die 
Deutschen zum Aufhalten unseres Vormarsches erfunden 
batten, war die, daß sie mit Dunamit und Steinen 
beladene Güterwagen auf der Bahnlinie losließen. 
Diese waren mit einer Zündschnur versehen, berechnet, 
in unserer Mitte zu explodieren. Zwei solche Versuche 
wurden gemacht; beide Wagen explodierten jedoch, ehe 
sie so nahe gekommen waren, daß sie hätten irgend- 
welchen Schaden anrichten können. 
Nächtliche Beschießungen und falscher Alarm waren 
bäufig. Eins der fürchterlichsten Erlebnisse ist ein An- 
griff in der Dunkelheit. 
Unter diesen Schwierigkeiten drangen wir vor, bis 
wir zu einer Brücke über einen schnellfließenden Strom 
kamen. Diese war natürlich gründlich zerstört worden. 
linsere Vorhut fiel in einen klug angelegten Hinterbalt. 
Einer unserer Pionieroffiziere kletterte in den tiefen 
Einschnitt hinunter, um die berreste der zerstörten 
Brücke zu besichtigen, und kam zwischen das Feuer 
Aweier Maschinengewehre; er fiel. Ein anderer Offizier 
wurde in den nd getroffen und verlor alle seine 
Unter zähne. Einer der eingeborenen Soldaten erbielt 
drei Schüsse aus „Elefantenbüchsen“. Die erste Kugel 
riß ihm die halbe Hand weg, die zweite nahm ein 
Bahnwagen und 
*) Es handelt sich hierbei nicht um die eigentlichen 
„Elefantenbüchsen“ von 11 mm, sondern um das Ge- 
wehrmodell 71, mit dem ein Teil der Kameruner Schutz- 
und Polizeitruppe noch bewaffnet ist. R. K. A. 
  
Stück aus seinem Bein, der dritte Schuß saß wieder 
im Bein. Wir hatten bei diesem Gefecht ziemliche 
*8 doch auch einige Deutsche mußten ihr Leben 
assen. 
Solche Erlebnisse geben über das Unvernünftige 
des Krieges zu denken. Persönlich habe ich nicht 
die geringste Feindschaft gegen irgendeinen 
Deutschen. Hier draußen habe ich verschiedene 
sehr gute Leute unter ihnen getroffen; den- 
noch würde ich mein Bestes tun, sie ins Jen- 
seits zu befördern. 
Nachdem von den Pionieren über den Fluß ein 
Fußsteg gelegt war, wurde der Vormarsch fortgesetzt. 
Wir erreichten am 10. Dezember Nkongsamba. Bis 
gegen 10½ Uhr wurde hartnäckiger Widerstand ge- 
leistet. Hierauf kam ein Parlamentär, um die Orte 
Nkongsamba und Bare zu übergeben und über den 
Schutz der weißen Frauen und Rinder und Männer, 
die in diesen Orten zurückgeblieben waren, zu ver- 
handeln. Die deutschen Truppen waren abgezogen; 
wir rückten ein. Hierbei erhielten wir einige Schüsse. 
Dies geschah aber, wie ich glaube, ohne Wissen des 
deutschen Kommandanten von Engelbrechten, der den 
Ruf eines Gentleman — wie er sein soll — ge- 
nießt. Die deutsche Flagge am Hospital wurde her- 
untergeholt. Von deutschen Frauen wurden uns Er- 
frischungen angeboten. 
Der Feind hält sich noch in der Nachbarschaft auf; 
in ein oder zwei Tagen werden wir zum Angriff gegen 
seinen nächsten Stützpunkt vorgehen, wo er uns wahr- 
scheinlich einen heißen Empfang bereiten wird.“ 
Dann führt der Briefschreiber übrigens noch 
sehr zutreffend aus, man solle über den Kriegs- 
taten in Europa nicht die Männer, die in Afrika 
kämpfen, vergessen; diese seien ständig dem nerven- 
zerrüttenden Einfluß des Klimas und allen mög- 
lichen Krankheiten ausgesetzt, auf das Einerlei 
der Konservenverpflegung angewiesen und nicht 
in der Lage, an dem Schlachtenruhm des euro- 
päischen Kriegsschauplatzes teilzunehmen. 
In Bare haben sich etwa 60 Personen er- 
geben: Bewohner des Nordbahngebiets, Frauen, 
Kinder und Männer, soweit fie nicht mitkämpften; 
sie waren vor den heranrückenden Engländern 
in Sicherheit gebracht worden, weil diese schwarze 
Soldaten und Eingeborene angewiesen haben 
sollen, die Deutschen zu fangen und ihnen als 
Gefangene zuzuführen. Die Maßregel unserer 
Truppe war um so mehr angezeigt, als die Be- 
wohner im Nordbahngebiet auf zwischen den Ein- 
geborenen weit zerstreut und untereinander ge- 
trennt liegenden Anfiedlungen lebten. Die Sta- 
tion Bare eignete sich als klimatisch günstig 
gelegener und verhältnismäßig gesunder, auch 
mit Lebensmitteln hinreichend versehener Ort 
besonders zum gemeinsamen Aufenthalt. Zudem 
war Bare nach dem Plan der Verteidiger in die 
militärischen Operationen nicht mit einbezogen. 
Daher konnte unsere Truppe, nachdem sie das 
Nordbahngebiet vor der Übermacht hatte räumen 
müssen, die Frauen und Kinder unter dem Schutz 
einer Anzahl älterer, erfahrener Afrikaner in Bare 
belassen; sie an irgendeinen Ort weiter ins
	        
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