Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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wegen möglichst schnell nach Sodiko oder Bo- 
nendale zurück, um dort ein Kanu zu bekommen. 
Meinen Trägern ließ ich sagen, daß sie die Kisten 
nachschaffen sollten. Doch schon mußte ich schnell 
fort, da ich durch meine Getreuen hörte, daß 
eine englische Patrouille im Anmarsch auf Bona- 
Ndumbe sei, um den Pater festzunehmen. Als 
die Feinde dort ankamen, sind sie — so hörte 
ich später — furchtbar darüber aufgebracht ge- 
wesen, daß ich ihnen so schnell entwischt bin. 
Sie fanden nur meinen Jungen bei einer meiner 
Kisten vor und bestürmten ihn mit Fragen, wo 
ich sei und warum ich entlaufen sei. 
Von jetzt ab hielten mich die Engländer jedenfalls 
für einen Spion und setzten alles daran, mir den 
Weg zur Truppe abzuschneiden und meiner hab- 
haft zu werden. Ich konnte mich deshalb nicht 
länger in der nächsten Nähe Bonaberis aufhalten. 
Unverzüglich fuhr ich daher auf Schleichpfaden 
nach der verlassenen Bahnstation Bonendale 
zurück. Dort kam mir keuchend und in voller 
Aufregung unser Lehrer von Sodiko entgegen- 
gerannt, der nach mir Ausschau halten sollte. 
Ich gab dem Lehrer den Auftrag, schnellstens 
nach Sodiko zurückzukehren, mir ein Kanu zu 
besorgen und damit, ohne anderen etwas zu ver- 
raten, an die gesprengte Makabrücke oder eine 
sonstige heimliche Stelle in der Nähe zu fahren 
und mich hernach zu rufen, wenn nötig durch 
geheime Zeichen: ich würde mich so weit als 
möglich in der Nähe der Haltestelle Bonendale 
aufhalten. Durch meine Späher erfuhr ich, daß 
die Engländer im Anzuge seien. Ich schlug mich 
mit dem Rad in die Büsche, ließ meinen Be- 
gleiter den Kundschafter machen und mich, wenn 
die Luft wieder rein wäre, durch ein ausgemachtes 
Zeichen rufen. Die schwarzen Spione, die den 
Engländern vorausgingen, fanden mich nicht auf 
dem Bahnhofe und wußten auch nicht, wohin ich 
geflüchtet sei, da mein Begleiter nichts verriet. 
Mit Beschämung machten sie den Feinden ihren 
Rapport, die darüber wütend eine andere Route 
einschlugen. Unterdessen kam ein Schüler des 
Herrn Sohlleder von Bonaberi heran, der mich 
von den Prüfungen her kannte, und erzählte mir 
die näheren Umstände der Gefangennahme seines 
Sango sowie auch die Zustände in Duala jenseits 
des Flusses. Merkwürdig kam es mir vor, daß 
er den wohlüberlegten Rückzug unserer Schutz- 
truppe von Duala als ein feiges Ausreißen und 
den glänzendsten Sieg der Engländer hinstellte. 
Echt negermäßig, nur nach dem äußeren Scheine 
zu urteilen. Meine Lage wurde mir immer be- 
denklicher: ich fuhr in der Richtung nach dem 
Bonendale-Dorf, um mich nach dem von mir 
bestellten Kanu zu erkundigen, konnte aber nichts 
erfahren. Dagegen hörte ich wieder, daß die 
  
englischen Truppen in der Nähe von Bonendale 
seien, worauf ich gleich umkehrte und mich einst- 
weilen in der Nähe der Haltestelle postierte. Hier 
wollte ich an einer Wegkreuzung auf meine Träger 
warten, die immer noch nicht von Bonaberi da 
waren. Mein Plan war, meine Kisten nach 
Sodiko und von da nach unserer Mission Di- 
bombari schaffen zu lassen. JIch selbst wollte 
nach der Makabrücke und dort, falls das Kann 
nicht da wäre, über den Fluß schwimmen, um 
auf keinen Fall in Gefangenschaft zu geraten, 
und wenigstens einen Pater für unsere zahl- 
reichen Buschchristen der Duala-Station zu retten. 
Meine Verfolger waren mir aber unmittelbar auf 
den Fersen, und zwar diesmal auf dem Schienen- 
wege. Einige Bonendale-Leute kamen von Bona- 
beri herangestürmt und sagten mir, ich möchte 
auf die Engländer warten; die Offiziere hätten 
mir etwas zu sagen. Ich merkte die Falle. Mit 
einem „all right“, sie sollen nur kommen, schwang 
ich mich aufs Rad, nachdem ich meinem Begleiter 
kurze Instruktion gegeben hatte, sich ebenfalls aus 
dem Staube zu machen, und fuhr über Stock und 
Stein auf dem Eisenbahngleise in entgegengesetzter 
Richtung davon. Es war die höchste Zeit, denn 
ich hörte schon Stimmen hinter mir, die mir nach- 
riesen und mich zum Halten aufforderten. Bei 
einer kleinen Biegung schaute ich mich flüchtig um 
und sah von weitem die Bajonette in der Sonne 
blitzen. Ich wunderte mich, daß man mir keine 
Kugel nachsandte, man wollte mich jedenfalls 
lebendig. Mit aller Kraftanstrengung trat ich auf 
die Pedale, die niederbrennende Sonne ließ mich 
in Schweiß baden, ich holperte über die Eisen- 
schwellen dahin, daß ich alle Augenblicke glaubte, 
mein Rad ginge in Trümmer, ich schaute nicht 
rechts und nicht links, sondern stierte nur wie 
ein Rasender nach der Richtung und Stelle hin, 
wo sich bald die Eisenbahnbrücke meinem Blicke 
zeigen mußte. Richtig, da sah ich sie schon grau 
erschimmern und gerade noch, wie sich der Bogen 
infolge der Sprengung zum Fllusse niedersenkte, 
als plötzlich zu meinem nicht geringen Schrecken 
meine Augen etwas anderes sahen, nämlich zwei 
bis drei Soldaten, die mit dem Gewehr in der 
Hand blitzschnell über den Bahndamm sprangen 
und auf jener Seite im Busch verschwanden, auf 
der ich heranpustete. Dieses sehen und abspringen 
war eins. Waren es deutsche oder englische Vor- 
posten? Ich konnte es in der Eile und in der 
blendenden Sonne nicht unterscheiden. Auf jeden 
Fall konnte ich nicht vorwärts, wenn ich nicht 
eine Kugel bekommen wollte; denn die deutschen 
schwarzen Soldaten konnten mich in meinem Kaki- 
anzug nicht erkennen. Zurück konnte ich auch 
nicht, hörte ich doch noch die Stimmen der Ver- 
folger. Ich war zwischen zwei Feuern. Ich warf
	        
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