304 20
An einzelnen im Kampf gefangenen Deutschen
sind nach authentischen Bekundungen schwere Aus-
schreitungen begangen worden: „Im Solde der
Engländer stehende Eingeborene, Bakwiris, haben
angegeben, sie seien beauftragt, einen weißen
Pflanzer in Bibundi gefangen zu nehmen. Diesen
Auftrag führten sie so aus, daßtsie diesen Pflanzer
nackt auszogen, fesselten, schlugen und an einem
Strick über die Erde zogen. Doch gelang es ihm
schließlich, sich mit Hilfe seines Togokochs freizu-
machen und allein zu den Engländern zu gehen.
Diese wiesen seine Beschwerde über die Bakwiris
mit Lachen ab. "
Von unserem Transport wurden die Frauen
leidlich, wir Männer sehr schlecht behandelt, und
zwar Deutsche und Neutrale unterschiedslos. Wir
Männer mußten in Nongsamba auf dem nackten
Zementboden schlafen und erhielten unser Essen
auf die Erde geworfen. In Duala waren
Männer und Frauen in zwei verschiedenen Fak-
toreien untergebracht. Das Essen bestand fast
ausschließlich aus Handelsheringen und Brot, so
daß wir Gefahr liefen, krank zu werden. Dazu
kam bei den Männern, daß sie sich nur auf dem
eng umgrenzten Faktoreihof bewegen, sonst aber
nicht ausgehen durften; das Klosett mußten wir
mit den Eingeborenen teilen; es war im höchsten
Grade unhygienisch. So verbrachten wir Nicht-
kombattanten und gänzlich unbeteiligten neutralen
Staatsangehörigen drei Wochen in einer an
schwere Strafhaft erinnernden Lage, dabei bestän-
dig von schwarzen Soldaten mit aufgepflanztem
Bajonett bewacht.
Privateigentum wurde in keiner Weise respek-
tiert. Während wir vor unserem Abtransport
von Bare vor dem leitenden englischen Offizier
antreten mußten, wurden unsere Sachen von den
Haussa-Soldaten geplündert. Koffer und Taschen,
die wir später nachgesandt bekamen, waren aus-
nahmslos aufgebrochen oder aufgeschnitten und
eines großen Teils ihres Inhalts beraubt. Dem
Pflanzer Krummdieck sind aus der Pflanzungs-
kasse etwa 200 ' von weißen Engländern ge-
stohlen worden; einem andern Herrn kam in
Duala seine Börse mit Inhalt abhanden; wir
fanden sie später unter dem Kopfkissen des uns
bewachenden englischen Sergeanten. Überhaupt
zeigten die unteren militärischen Chargen der
weißen feindlichen Truppen#sdas Bestreben, sich
an fromdem Gut zu bereichern.
Einige Tage vor unserer Entlassung nach
Santa Isabel wurde versucht, uns zur Unter-
zeichnung von Reversen zu veranlassen, in denen
wir bestätigen sollten, daß wir in der Gefangen-
schaft eine einwandfreie Behandlung genossen
hätten. Als wir dies verweigerten, drohte der
betreffende Beamte, der englische Political Ofkicer
von Duala, die nächsten Gefangenen würden nun
aber noch viel schlechter behandelt werden. Ich
speziell sollte zur Unterzeichnung des Reverses
dadurch gezwungen werden, daß man die Aus-
stellung eines von mir für die Weiterreise er-
betenen Ausweises über meine Staatsangehörig-
keit von der Unterzeichnung abhängig machte;
als ich diese trotzdem ablehnte, wurde mir auch
der Ausweis versagt. Der Political Officer fragte
mich hierbei sehr erregt, ob ich als Holländer
denn keine Sympathien für England hege; ich
konnte ihm nur erwidern, daß sei früher der Fall
gewesen, auf Grund der im Kriege gemachten
Erfahrungen seien diese Sympathien aber ver-
loren gegangen.
Charakteristisch für die Methode der Engländer
ist auch, daß der Generalstabsmajor Wright in
Nkongsamba die Deutschen versammelte, um
ihnen Aufschluß über die Kriegslage in Europa
zu geben und dabei erklärte: Alles, was der
Gouverneur von Kamerun über die Kriegslage
verbreite, sei unwahr; der Krieg sei, praktisch ge-
nommen, für Deutschland bereits verloren.
2·#
Deutsch-MNeuguinea.
Von der Forschungsreise Dr. Thurnwalds in
RKaiser Wilhelmsland.
Von dem seit längerer Zeit im Auftrage des
Reichs-Kolonialamts in Kaiser-Wilhelmsland
(Deutsch-Neuguinea) als Forscher tätigen Ethno-
logen Dr. Richard Thurnwald ist jetzt folgender
Bericht hierhergelangt:
Madang, den 9. März 1915.
Nach Abschluß meiner Vorbereitungen auf dem
Hauptlager in Karadjundo brach ich im Juni
stromaufwärts auf, legte ein Standlager am
Mäanderberg an und konnte mich von da aus
Ende Juli auf den Weg machen. Mein Ziel war
zunächst das Quellgebiet des Augustastromes.
Soweit als möglich benutzte ich Pinasse und
Motorboote. Bei dem niedrigen Wasserstand im
Sommer gelangte ich damit aber nur halbwegs
zwischen Mündung des Oktoberflusses und des
Westflusses. Von da aus ging es in fünfzehn
Kanus weiter. Ich brauchte ungefähr drei
Wochen bis zum „Kanulager“ oberhalb des
Endpunktes von L. Schultzes Karte. Nun be-
gann die Fußwanderung über die Gebirgs-
kämme längs dem Flußtale, in ostsüdöstlicher
Richtung. Nach zehntägiger Wanderung gelangte
ich an riesigen Felswänden vorbei in einen etwa
20 km breiten und 40 km langen Kessel, in den
von Südwesten, von Südosten und von Osten