W 86 20
schaften erwies sich diese Vereinbarung ebenso ge-
winnbringend wie für den Staat selbst. Die
Konkurrenz des freien Handels, die die Kautschuk-
preise auf verhältnismäßig großer Höhe gehalten
hatte, wurde beseitigt. Die den Eingeborenen
gezahlten Preise wurden auf ein Minimum zurück-
geschraubt, und gleichzeitig trat die Autorität des
Staats als Zwangsmittel zur Beitreibung von
Kautschuk den Organen der Gesellschaft zur
Seite. Die Gewinne der Gesellschaft waren
dementsprechend glänzend und ihre Aktien stiegen
trotz der großen Beteiligung des Staats über
300 Fr. Von größter Bedeutung wurde für
die Gesellschaft die Annexion des Kongostaats
durch Belgien. Die Beteiligung des Staats an der
Gesellschaft und das ausschließliche Ausbeuterecht
auf die Landesprodukte ließ sich nicht aufrecht-
erhalten. Durch Vertrag vom 11. Februar 1911
verzichtete die Gesellschaft auf ihr Privileg, der
Staat auf seine Genußscheine. Die Gesellschaft
zahlte dem Staat seine Aktien zum vollen Kurs-
betrage zurück, die sämtlichen Aufsichtsrechte des
Staats wurden aufgehoben. Die Gesellschaft
wurde eine einfache Kongogesellschaft. Die Kon-
kurrenz ließ sich diese Anderung der Dinge nicht
entgehen. Und wenn es auch der Gesollschaft
gelung, die Konkurrenz der kapitalkräftigen Sociêté
Commerciale et Minière du Congo dadurch ab-
zuwehren, daß sie deren Niederlassungen aufkaufte,
so drangen doch besonders portugiesische Firmen
in das bisher ihnen verschlossene Gebiet. Für die
Eingeborenen brach damit eine etwas bessere Zeit
an, die ihnen gezahlten Preise stiegen auf ein
Vielfaches, der Zwang war nicht mehr so hart
wie ehemals, als die Compagnie du Kasai und
„Bula Matari“ fast dieselbe Person bedeutete.
Die im Jahre 1913 einsetzende Kautschukkrise
hat die Gesellschaft, die einmal bei dem Eintreten
des Preissturzes über besonders große Lager-
bestände von Kautschuk verfügte und ihren großen
und teuren Verwaltungsapparat nicht sofort ver-
einfachen konnte, anderseits durch die Beteiligung
des Staats an der Zurückstellung größerer Reserven
verhindert worden war, besonders hart getroffen.
Die Kautschukproduktion, die sich in den letzten
fünf Jahren zwischen 1200 und 1400 Tonnen
bewegt hatte, dürfte im laufenden Jahre kaum
noch 700 t erreichen, hauptsächlich, weil sich die
Gesellschaft gezwungen sah, den Aufkaufspreis für
1 kg Kautschuk auf 1,25 Fr. in Waren oder
1 Fr. in bar herabzusetzen. Die Produktion der
Jaktorei in Tshitadi sank von monatlich etwa
2 t auf 560 kg, der in Kandakanda von monat-
lich 2 t auf 300 kg, in Bakete von der gleichen
Menge auf 500 kg, in Djoko-Punda von 4 bis
5 t auf 600 bis 700 kg, in Fukumba von 2 bis
3 t auf 200 kg. Daß sich die Qualität des Kaut-
schuks infolge der Kontrollvorschriften des Staates
gleichzeitig nicht unerheblich verbesserte, vermochte
nicht zu verhindern, daß sich die Produktion der
entfernteren Faktoreien nur noch mit Verlust ver-
kaufen ließ, der bei einzelnen Faktoreien auf den
außerordentlichen Betrag von 5 Fr. pro Kilo-
gramm stieg. Die Gesellschaft sah sich infolge-
dessen gezwungen, eine große Anzahl ihrer Fak-
toreien zu schließen, namentlich die entfernteren,
wo die hohen Transportkosten die Gestehungs-
kosten des Kautschuks besonders hoch schroben
oder eine frühere zu intensive Ausbeute die
Lianen hatte verschwinden lassen. Am 1. August
1914 waren von den 79 Faktoreien, die die
Gesellschaft vor der Krise hatte, bereits 20 ge-
schlossen. Der ganze Süden der Konzession, der
Bezirk des Territoires Luluaburg war bereits von
Faktoreien entblößt. Es ist wohl keine Frage,
daß noch weitere Faktoreien geschlossen werden,
sofern die niedrigen Kautschukpreise anhalten und
sobald die Faktoreien ihre Außenstände eingezogen
haben. Die Zahl der europäischen Angestellten
ist von 225 auf 175 ermäßigt, auch sie dürfte
noch weiter zurückgehen. In den höheren Stellen
hat man gleichfalls begonnen, Ersparnisse zu
machen. Die vielen Subdirektoren= und Iunspek-
torenstellen, deren Existenz die reichen Erträgnisse
früherer Jahre ohne Bedenken gestattete, sind
verschwunden. Die Konzession ist heute in sechs
Divisionen eingeteilt, an deren Spitze ein In-
spektor steht. Die frühere Sektionseinteilung
dieser Divisionen ist beseitigt. Unter den
Inspektoren stehen die Gérants erster und
zweiter Klasse mit einem Jahresgehalt von
4200 bzw. 3400 Fr. (neben freier Station
und freier Reise), unter ihnen die Adjoints
erster und zweiter Klasse mit einem Jahresgehalt
von 2400 bzw. 1800 Fr. Außerdem erhalten
die Faktoreiangestellten 10 Centimes pro Kilo-
gramm des von ihnen aufgekauften Kautschuks.
Sind zwei Angestellte auf der Faktorei, so wird
dieser Betrag unter sie geteilt. Die früher üblichen
Gratifikationen sind ganz fortgefallen. Ein Gérant
kommt der Gesellschaft insgesamt auf etwa 12 000,
ein Adjoint auf 8000 Fr. pro Jahr zu stehen.
Sie hat noch heute trotz der verschlechterten An-
stellungsbedingungen ein reichliches Angebot von
Bewerbern. Kein Wunder, wo so viele alte
Kongolesen infolge der Krise stellenlos geworden
sind. Unter den europäischen Angestellten stehen
die farbigen „Capita“, die den eigentlichen An-
kauf von den Eingeborenen besorgen. Von einer
Faktorei hängen je nach den Umständen 30 bis
50 Capitas ab. Der einzelne Capita erhält
zwischen 10 und 15 Fr. im Monat an Lohn
und außerdem etwas Stoff oder eine der hier
von den Eingeborenen sehr beliebten alten Westen