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als Geschenk für gute Anlieserungen. Die Arbeiter
auf den Faktoreien haben neben ihrer Ration
6 Fr. monatlich. Sehr teuer kommt der Ge-
sellschaft der Transport ihres Kautschuks zu
stehen, wenigstens für den ganzen Südosten der
Konzession. Hier hat sie die Beförderung der
Missionsstation in Hemptinne St. Benoit über-
tragen und vergütet dieser ihre Auslagen in so
reichlicher Weise, daß dadurch in Wirklichkeit der
Mission eine jährliche Unterstützung von mehreren
Zehntausenden von Franken gewährt wird.
Das ganze Kautschukkaufgeschäft leidet an
einem Grundübel: der Kreditgewährung an die
Eingeborenen. Der Capita kommt mit den
Waren des Weißen in die Dörfer, zeigt seine
Stoffe und sein Salz. Der Eingeborene, der die
Menge des vom Capita dafür geforderten
Kautschuks nicht übersieht und sich damit abfindet,
daß er ja noch eine lange Frist vor sich hat,
nimmt die Waren und geht ohne wirkliches Ver-
ständnis die Verpflichtung ein, binnen 6 oder
12 Monaten die erforderlichen Kilogramm
Kautschuk zu liefern. Nach Ablauf dieser Frist
kommt der Capita zurück und verlangt den ge-
schuldeten Kautschuk. In den seltensten Fällen
hat der Eingeborene die gesamte Menge bereit.
Der Capita veranlaßt nun den Eingeborenen
unter Drohung mit dem Staat — daß er die
Kinder und Ziegen des Eingeborenen wegnimmt,
bis die Schuld bezahlt ist, ist wohl jetzt nicht
mehr möglich —, die Schuld zu begleichen. Sind
seine Mahnungen vergebens — und die lang-
wierigen richterlichen Untersuchungen in den Ge-
bieten beweisen, daß die Eingeborenen recht
häufig diese Mahnungen als zu weitgehend
empfanden —, so ruft die Firma die Hilfe des
Staates an. Dieser läßt den säumigen Schuldner
verhaften. Ein solcher Fall gibt dann den An-
gestellten der Firma ausreichenden Grund, unter
HOinweis auf das Beispiel die schleunige Bezahlung
der Schulden überall zu verlangen. Die Folge
ist, daß, wenn man jene Gegenden passiert, man
in den Dörfern nur die Frauen findet. Die
Männer sind sort im Wald zum Kautschukmachen,
oder sie sind bei Annäherung des Weißen sofort
entflohen, und Furcht und Haß sind die Emp-
findungen, die die Eingeborenen gegen den
Weißen hegen.
Die Höhe der ausstehenden Kredite läßt sich
für den Kasaibezirk nach der Anzahl der vor-
handenen Faktoreien schätzen. Rechnet man
heute noch auf jede der 28 zur Zeit noch im
Bezirk vorhandenen Faktoreien der C. K. im
Durchschnitt eine Monatsproduktion von 3 t und
nimmt nur die Ausbeute für 3 Monate als auf
Außenstände eingehend an, so erhält man
63 000 Fr. als Gesamtkredit, und das ist
sicher noch sehr vorsichtig gerechnet. Die übrigen
Firmen sind in einer ähnlichen Lage. Diese
Geschäftsgebarung ist für die Kaufleute natürlich
sehr riskant, zumal die Capitas nicht gerade besser
geworden sind und die Neigung der Eingeborenen
zur Kautschukbereitung mit den niedrigeren
Preisen abgenommen hat. Sie ist für die Ein-
geborenen ein Verderb und das Hindernis für
irgendeinen geordneten Erwerbssinn. Es mag
dabei ganz dahingestellt bleiben, ob die C. K.
dies System bereits bei den Gesellschaften, aus
denen sie hervorgegangen ist, vorgefunden hat
und ob es gerade durch ihre Konkurrenten be-
sonders begünstigt worden ist. Eine Gesundung
der Verhältnisse wird jedenfalls erst dann ein-
treten, wenn die Regierung sich entschließt, die
ausstehenden Kautschukkredite als nicht beitreibbar
zu erklären. Es ist möglich, daß eine derartige
Verordnung zunächst noch einen weiteren Rück-
gang der Produktion zur Folge hätte. Aber
nur so ist für später eine Besserung zu erwarten.
Einsichtige Angestellte der C. K. und der sonstigen
Firmen sehen das selbst ein, halten aber ein
Vorgehen einer einzelnen Firma für undurch-
führbar, und darin mag ihnen beigepflichtet
werden. Für die Regierung hätte eine Unter-
bindung des Kreditsystems den Vorteil, daß sich
alsdann der Bargeldumlauf viel leichter einführen
und damit auch die Steuereinziehung in größerem
Maße ermöglichen ließe. Wenn die Kaufleute
angeblich bis heute aus der Steuerpolitik der
Regierung keinen Vorteil hinsichtlich der an-
gebrachten Menge Kautschuk gehabt haben, so
liegt das eben daran, daß die Eingeborenen
durch das Kreditsystem bereits vor der Ankunft
des Steuereinnehmers engagiert waren.
Die beiden andern hauptsächlich gegen die
C. K. gerichteten Vorwürfe: sie bezahle statt in
Geld noch immer in Waren und habe keine
andern Kulturen bei den Eingeborenen eingeführt,
trifft mehr, wie bereits dargelegt, die jetzige
Steuerpolitik der Regierung und deren früheres
Verwaltungssystem. Sache der Regierung, nicht
einer einzelnen Firma wäre es gewesen, Kultur-
versuche anzustellen.
Verkehrswege und Verkehrsmittel des
Bezirks.
Der Bezirk ist mit dem Weltverkehrsnetz durch
die Wasserstraße des Kasai mit seinem Nebenfluß
Lulua verbunden. Ein= und Ausfuhr des Bezirks
nehmen, wenn man von dem Grenzverkehr mit
Angola absieht, ihren Weg über Matadi— Kin-
shasa—Basongo —Luebo oder Djoko-Punda und
sind demgemäß mit den hohen Tarifen der Kongo-