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Aus den Krchiven des belgischen Kolonialministeriums.
Oritte Veröffentlichung.“)
Das Lado- und Bohr el GChazal-Dachtgebiet des Kongostaates.
Mit vier Karten.
Wer sich etwas näher mit der politischen Ge-
schichte und Geographie von Zentralafrika und
besonders mit der des Kongostaates beschäftigt
hat, dem mußte die Frage aufstoßen, wie und
von welcher rechtlichen Basis aus es König Leo-
pold II. wagen durfte, an die Verfolgung seiner
phantastischen Pläue, die sich zunächst auf den
Erwerb der ägyptischen Aquatorialprovinzen und
des ägyptischen Sudan, letzten Endes aber auf
eine Schutzherrschaft über ganz Agypten und den
Suezkanal bezogen, heranzutreten. Waren doch
die Grenzen des Kongostaates durch die vom
König selbst veranlaßte und veröffentlichte Neu-
tralitätserklärung des Kongostaates vom 1. August
1885 geographisch genau umschrieben und in der
Folge von den meisten Signatarmächten der
Kongoakte mit Ausnahme von Großbritannien
auch ausdrücklich anerkannt. Die englische Re-
gierung hatte dem Kongostaat den Empfang der
Neutralitätserklärung durch eine Note vom 1. Sep-
tember 1885 ohne jede weitere Bemerkung nur
bestätigt. Es konnte daher zweifelhast sein, ob
in dieser Empfangsbestätigung eine Anerkennung
der angegebenen Grenzen enthalten sei, oder ob
sich die englische Politik in gewohnter Weise die
Erhebung von Einsprüchen gegen dieselben für
einen geeigneten Augenblick vorbehalte.
Wie konnte der König unter solchen Umständen
es unternehmen, bereits zwei Jahre nach dieser
seierlichen Staatsaktion an die Ausführung von
Plänen zu gehen, die die Grenzen des neutralen
Kongostaates nach Nordosten und Osten wesentlich
u verändern und hinauszuschieben bestimmt
waren? Es ist vom historisch-geographischen
Standpunkt ungemein interessant, aus den po-
litischen Akten des Kongostaates zu verfolgen, wie
klug es der König anfing, diese von ihm selbst
ausgegangene diplomatische Bindung zu über-
steigen und zu beseitigen. Erheblich erleichtert
wurden ihm seine hierauf abzielenden Schritte im
wesentlichen durch zwei Umstände. Erstens durch
die Verwirrung, die die Mahdi-Unruhen über das
hanze obere Nilgebiet gebracht hatten, und damit
*) Agl. „D. Kol. Bl.“ 1916, Nr. 8.0, S. 104 ff.
zusammenhängend durch die mißliche Lage, in der
sich die englische Politik damals durch den be-
stehenden Gegensatz gegen Rußland und Frank-
reich überhaupt befand. Zweitens aber auch durch
den Umstand, daß die deutsche Kolonialpolitik in-
folge der erklärlichen Unsicherheit ihrer ersten An-
fänge gerade damals fast auf einen toten Strang
gekommen war und sie nur mühsam und unter
Benutzung der Antisklavereibewegung, die mehr
als in anderen Ländern gerade in Deutschland
einen günstigen Boden gefunden hatte, mit wesent-
licher Unterstützung des Zentrums gegen eine
starke Opposition im Reichstag fortgeführt werden
konnte.
Diese Sachlage verstand Leopold II. für seine
geheimen Ziele vortrefflich auszunutzen, wie aus
der nachfolgenden aktenmäßigen Darstellung her-
vorgehen dürfte.
Daß er sie trotz ungeheurer Geldaufwen-
dungen schließlich nur zu einem verhältnismäßig
kleinen Teil erreichte, hing mit der politischen
Entwicklung der Dinge in Europa und im Nil-
gebiet zusammen, die er weder vorauszusehen noch
zu lenken vermochte. Von seiten der deutschen
Regierung wurden ihm jedenfalls, wie wir sehen
werden, keine Hindernisse in den Weg gelegt,
wohl hauptsächlich von dem Standpunkt aus, daß
wir ein Interesse daran hatten, dem Kongostaat
eine möglichst große Einflußsphäre zu sichern, aber
durchaus kein Interesse daran, die Kolonialgebiete
Englands und Frankreichs ohne weiteres erweitern
zu helfen. Deutschland hatte dem Unternehmen
des Königs von Anfang an das allergrößte Wohl-
wollen entgegengebracht, wobei auch die ver-
wandtschaftlichen und freundschaftlichen Beziehung
des Königs zu dem deutschen Kronprinzenpaar
mitgewirkt haben dürften. An und für sich war
der Reichskanzler keineswegs von einer blinden
Vorliebe für Lcopold II. befangen. Er unter-
stützte ihn und seine Pläne, weil er in letzteren
die beste Lösung des Kongoproblems, das zu einer
Gefahr für den europäischen Frieden sich auszu-
wachsen drohte, erblickte. Aber „das Maß der