Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVII. Jahrgang, 1916. (27)

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des Abkommens in die Wege geleitet sei. Auch 
die nachträglichen Bedenken, die Lord Salisbury 
in bezug auf die UÜberlassung des Gebietsstreifens 
vom Eduard-See zum Tanganjika an die Com- 
pany unter voller Souveränität derselben erhoben 
habe, seien berücksichtigt und eine dementsprechende 
Zusatzerklärung dem Lord Salisbury zur weiteren 
ressortmäßigen Behandlung überwiesen worden. 
Man habe freilich dann von dieser Sache nichts 
weiter gehört. Nichts aber habe den Kongostaat 
zu der Annahme veranlassen können, daß mit 
diesem Zwischenfall die Abmachung ihren defini- 
tiven Charakter verloren habe. Dies um so 
weniger, als die von Lord Salisbury vorgeschlagene 
Erklärung sich nur auf Verpflichtungen des Staates 
gegenüber der Company, nicht aber auf die der 
Company gegen den Staat bezogen hätten, die 
dem Premierminister weder Anlaß zu einer Be- 
merkung noch zu einer Kritik geboten hätten, selbst 
zu einem Zeitpunkt, an dem das deutsch-englische 
Abkommen schon bestand, das aber im Augenblick 
des Abschlusses des Abkommens des Kongostaates 
mit der I. B. E. A. Co. noch nicht in Kraft ge- 
treten war. 
Weas den strikten Rechtstitel betreffe, so hätten 
die englischen Staatsmänner im Laufe des Streites 
mit Portugal um das Matabele-Land 1887 bis 
1889 wiederholt erklärt, daß nach der Berliner 
Kongoakte ein Anspruch auf Sonveränitätsrechte 
in Afrika nur auf Grund wirklicher Besitzergreifung 
der betreffenden Gebiete mit genügenden Kräften, 
um Fremde zu schützen und die. Ordnung unter 
den Eingeborenen aufrechtzuerhalten, anerkannt 
werden könne. Von dieser Auffassung habe sich 
der Kongostaat auch bei seinem Grenzstreit mit 
Frankreich leiten lassen, und sie werde ihr auch 
im vorliegenden Falle als Richtschnur dienen. 
Das Abkommen vom 1. Juli 1890 betreffe nur 
England und Deutschland, sei auch dem Kongo- 
staat nie amtlich mitgeteilt worden und könne 
dritten Mächten gegenüber durch die bloße Tat- 
sache seines Bestehens nicht geltend gemacht 
werden. Im übrigen habe England bisher nicht 
die geringsten Schritte zur Besitzergreifung der 
fraglichen Gebiete unternommen, und die Streit- 
frage könne nach § 12 der Kongoakte nicht mit 
Gewalt, sondern nur durch Vermittlung, Schieds- 
gericht oder durch eine direkte Verständigung ge- 
löst werdem. Nichts in dem deutsch-englischen 
Vertrag, soweit er wenigstens veröffentlicht sei, 
lasse erkennen, daß er mit dem Ubereinkommen 
des Kongostaates mit der Britischen Company 
unvereinbar sei. Der Kongostaat stehe an der 
Spitze der Antisklavereibewegung in Zentralafrika 
und verliere keinen Augenblick und keine Gelegen- 
heit, um der Sache der Zivilisation zum Siege 
zu verhelfen. In jenem strittigen Gebiete herrsche 
  
bisher nur die Barbarei mit allen sie begleitenden 
schrecklichen Verbrechen, und der Staat sei bisher 
dort der einzige Vorkämpfer der Zioilisation 
gewesen. , . . 
Der Einwand der englischen Regierung, daß 
die B. E. A. Co. nur über ihr -commercial pro- 
perty, nicht aber über „ Imperial rightss hätte 
verfügen dürfen, wurde vom Kongostaat an der 
Hand der Charter der Gesellschaft zurückgewiesen. 
Die Charter bevollmächtige die Kompagnie, der- 
artige Verträge, wie sie ihn mit dem Kongostaat 
abgeschlossen habe, zu betätigen. Sie sei nach 
der Charter incorporated into one body politicr 
und das Recht, politische Vorträge abzuschließen, 
sei ihr unter dem einzigen Vorbehalt, daß der 
Staatssekretär befragt werde, ausdrücklich zuge- 
standen. Sie sei keine reine Handelsgesellschaft, 
sondern ein mit Regierungsgewalt ausgestattetes 
Unternehmen, dessen Gebiet sich nicht nur auf das 
im deutsch-englischen Vertrag als unter britischem 
Einfluß stehende Territorium beschränkt habe. Die 
Charter habe die Gesellschaft vielmehr ausdrücklich 
ermächtigt, auch vother territorities, lands or 
property in Africa: in Besitz zu nehmen. In 
dem Abkommen vom 24. Mai 1890 sei auch nicht 
davon die Rede, daß die Gesellschaft dem Kongo- 
staat die Gebiete am linken Nilufer abtrete, son- 
dern daß sie sich verpflichte, dort keine politischen 
Handlungen vorzunehmen und daß sie die Sou- 
veränitätsrechte des Kongostaates auf diese Ge- 
biete anerkenne. Die Rechtswirkung dieser An- 
erkennung, die vorschriftsmäßig ohne jeden Vor- 
behalt und ohne jede Einschränkung abgefaßt war, 
war von allen späteren Geschehnissen unabhängig, 
insbesondere könne die Aufgabe von Uganda seitens 
der Britischen Gesellschaft, von der die Englische 
Regierung dem Kongostaat bei Gelegenheit dieses 
Notenaustausches offiziell Mitteilung gemacht 
hatte, keinen Einfluß auf die Existenz und den 
Bestand der dem Kongostaat einmal übertragenen 
Rechte haben. In der Charter der Gesellschaft 
sei die Bestimmung enthalten, daß diese zurück- 
gezogen werden könne, wenn die Gesellschaft die 
Bedingungen überschreite. Nichts aber habe dar- 
über verlautet, daß die Britische Regierung daran 
gedacht hätte, die Charter aufzuheben, als die 
Gesellschaft am 24. Mai 1890 den Vertrag mit 
dem Kongostaat unter Billigung Lord Salisburys 
abgeschlossen hatte. Der Kongostaat sei in der 
ganzen Angelegenheit so korrekt wie möglich gegen- 
über England vorgegangen. Es sei wohl ohne 
jeden Vorgang in der Geschichte, daß ein Staats- 
oberhaupt, nachdem es seine Pläne dargelegt und 
die Zusicherung erhalten habe, daß man nichts 
gegen dieselben einzuwenden habe, zwei Jahre 
später, als es sie zur Ausführung bringt, auf- 
gefordert wird, sich zurückzuziehen, als obes ohne 
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