W 152 20
Da der Kongostaat das Pachtgebiet nicht be-
setzt und im Abkommen vom 14. August 1894
darauf verzichtet habe et que c''étaient les
Anglais, eux-meémes, dui avaient dispufté cette
région aux derviches et aux Français „II ne
faudrait pas nous mettre en présence d'’un
fait acquis“ — a dit le Ministre — „cela n’a
bas réussi aux Français.“
Am 20. Mai 1899 sah sich Herr von Cuvelier
veranlaßt, dem englischen Gesandten mündlich von
dem Bestehen der Konzessionen Kenntnis zu geben.
Die englische Regierung drückte alsbald ihr Er-
staunen über die Erteilung derselben aus, vermied
aber eine sofortige scharfe Stellungnahme, so daß
man in Brüssel den Eindruck gewann, daß London
keine Schwierigkeiten machen werde, solange die
Erteilung der Konzessionen nicht an die Offent-
lichkeit dringen werde.
Englische Truppen unter Colonel Sparkes be-
setzten bald die alten ägyptischen Stationen im
Ghazal-Gebiet aufs neue.
Der König war jedenfalls nicht gewillt, nach-
zugeben und sich ohne weiteres beiseite schieben
zu lassen. Nach seiner Gewohnheit veranlaßte er
die Einholung von Gutachten einer Reihe nam-
hafter Völkerrechtskundiger über die Frage der
Gültigkeit der von ihm den beiden englischen Ge-
sellschaften im Bahr el Ghazal-Gebiet erteilten
Konzessionen. Zunächst erstattete der belgische
Minister A. Beernaert am 15. Januar 1901 ein
eingehend motiviertes Gutachten zugunsten des
Fortbestandes der Gültigkeit der Konzessionen.
Ihm schlossen sich die Gutachten des Prof. Lyon-
Caen in Paris (8. Februar 1901), des Prof.
von Martens in St. Petersburg (22. Febr. 1901),
des Prof. C. F. Gabba in Pisa (26. März 1901),
des Prof. von Martiz in Berlin (20. April 1901)
usw. an. Nur der englische Völkerrechtslehrer
J. Westlake gab ein entgegengesetztes Urteil ab,
hauptsächlich aus dem Grund, weil Frankreich
seiner Ansicht nach den Kongostaat verhindert
habe, die sog. Pachtung auszunutzen.
Es entstand bald ein lebhafter Meinungs-
austausch zwischen Brüssel und London. In einer
ausführlichen Denkschrift vertrat der König zu-
nächst seinen Standpunkt. Es wurden die dem
General Gordon vom Foreign Office sowie vom
Khedive im Januar 1884 erteilten Instruktionen
angeführt, die die völlige Räumung des Sudan
anordneten, die Proklamationen des Khedive und
Gordons, die von der zukünftigen völligen Unab-
hängigkeit des Sudan sprachen und den alten
dortigen Herrscherfamilien das Recht zugestanden,
ihre Angelegenheiten zukünftig nach eigenem Er-
messen zu ordnen. Damit sei der Sudan ein
unbesetztes Gebiet, eine res nukltus geworden,
die dem Zugriff des Zuerstkommenden unterlag,
und das sei der Kongostaat durch die van Kerck-
hovensche Expedition gewesen. Die aus diesem
Vorgehen und aus der vom Kongostaat mit der
Br. East Africa Co. getroffenen Vereinbarung ent-
standene Differenz mit England sei durch das
englisch-kongolesische Abkommen vom 12. Mai 18941
beseitigt worden. Der Kongostaat habe mit dem-
selben die britische Einflußsphäre in diesen Ge-
bieten, anerkannt und habe auf die ihm als Zuerst-
gekommenem zustehenden politischen Souveräni-
tälsrechte verzichtet. Das sei ein Zugeständnis,
dessen Bedeutung Sir E. Grey im Unterhaus am
28. März 1895 mit den Worten: „Under that
Agreement, the Congo State have recognized
british interests. I do not say that recognition
is necessary to our claims, but at any rate it
is right and it is useful that we should have
it, and that undoubtedly has been one outcome
of the Agreement with the Congo State“ an-
erkannt habe. In verschiedenen amtlichen Kund-
gebungen in den Jahren 1897 und 1898 habe
die britische Regierung das Bestehen des Pacht-
verhältnisses dem Kongostaat gegenüber zugegeben
und habe auch keine Einwendungen dagegen er-
hoben, als im November 1897 vom Kongostaat
die Einführung der Justiz= und Zivilstandsgesetze,
die in seinem Bereich gelten, auch für das Pacht-
gebiet öffentlich bekanntgegeben wurde.
Das 1894 mit Frankreich getroffene Abkommen
könne auf die wechselseitigen Verpflichtungen aus
dem Pachtvertrag von 1894 zwischen England
und dem Kongostaat keine Einwirkung haben.
Es sei res zmltenr alios acta fuür England, da es
an dem Vertrag nicht beteiligt sei.
Noch am 6. Oktober 1898, also nach der
Schlacht von Omdurman, habe der Marquis
Salisbury an den britischen Botschafter in Paris,
Sir E. Monson in einer Note geschrieben: „The
Agreement with the King of the Belgians has
never been cancelled and never been repu-
diated by this country and is in existence
and full force still. It is true that the
King of the Belgians was persuaded without
any assent on the part of Great Britain, to
promise the French Government that he would
not take advantage of it beyond a certain
limit; but that concession on his part did not
diminish the significance of the act as an
assertion of her rights by England.“
Wenn es möglich wäre, daß das August-
Abkommen mit Frankreich auf ein früheres Ab-
kommen mit England einwirken könne, so könne
man mit demselben Recht behaupten, daß der
französisch-englische Vertrag von 1899, durch den
Frankreich auf jedes politische Interesse am Nil-
gebiet verzichtete, auch der durch das August-