Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

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ein überraschender Haudstreich gegen Windhuk ge- 
lang. Zum Glück hatte Major Franke seine Ab- 
teilung fast unmittelbar nach dem Siege bei Naulila 
südwärts wieder in Marsch gesetzt; sie mußte natur- 
gegen den neuen Gegner angesetzt werden. 
Einstweilen war sie aber noch auf dim Marsche. 
Die zwei Kompagnien und die sechs Geschüte ge- 
nügten aber nicht entfernt gegen die vielen Taufend 
des Feindes, auch der Süden mußte Truppeneinheiten 
hergeben. Trotzdem war die Stellung bei Aus 
immer noch zu halten, solange Botha, der selbst die 
Führung der Invasionstruppen übernommen hatte 
und jetzt in Walfischbai sein Hauptauartier aufschlug, 
nicht auch von Osten und Südosten ernsthaft vor- 
gehen ließ. Aus konnte durch einen Frontalangriff, 
auch sehr überlegener Massen, nicht so leicht ge- 
nommen werden und es zu umgehen, war wegen 
des Wassermangels in der Namib ebenfalls sehr 
schwierig. Ein ernsthafter Angriff von Osten aber 
gefährdete Aus sofort, weil er die Bahnlinic Keet- 
manshoop— —Windhut und damit die einzige Rückzugs- 
linie unserer Truppen in Aus bedrohte, ohne daß 
wir genügend Kräfte gehabt hätten, einem solchen 
Angriff wirksam entgegenzutreten. Die Gefahr wuchs 
nun mit jedem Tage. Bolha hatte schon vor län- 
gerer Zeit einen Bahubau von Priska nach Upington 
begonnen, der weiter nach Kalkfontein-Süd zielte 
und das Bahnnetz der Union mit dem des Schutz- 
gebiets verbinden und damit den Nachschub auch 
über Land erleichtern sollte. Ein letzter Versuch 
gegen diesen Bahnbau mit dem Nebengedanken, den 
ersterbenden Burenaufstand wieder anzufachen, miß- 
lang, weil auch dafür nicht genügend Truppen ver- 
fügbar waren. Major Nitter gelangte mit zwei 
Kompagnien und einer Batterie den Oranje auf- 
wärts bis Kakamas, konnte den stark überlegenen 
Feind zwar über den Fluß werfen, aber nicht ver- 
nichten, und mußte daher, weil seine Verbindungen 
nach dem Schutzgebiet gefährdet waren, in außer- 
ordentlich anstrengendem Marsch durch wasserloses 
. bedeutete praktisch das 
Dande aller auf den Burenaufstand gesetzten Hoff- 
nungen und die Unmöglichkeit, den Bahnbau vom 
Südosten her zu verhindern. 
Da der Gegner auch gegenüber Hasnur vom 
britischen Betschuanenland ber größere Abteilungen 
entwickelte, die sogar Trausporrautos zur Über- 
windung von wasserlosen Strecken bei sich führten, 
wurde die Lage der Abteilung Bauszus in Aus 
kritisch. Der Entschluß. die starke Stellung dort so- 
zusagen ohne Schuß zu räumen, mag dem Kom- 
mando sehr schwer gefallen sein, er war aber eine 
gebieterische Notwendigkeit, zumal jetzt auch die Vor- 
bereitungen des Gegners gegenüber Aus so weit 
gediehen waren, daß dieser unseren 1000 Mann dort 
die zehnfache Ubermacht, ausgestattet mit schweren 
Schiffsgeschüven, entgegenschicken konnte. Die Räu- 
mung von Aus wurde Ende Dezember noch recht- 
zeitig angeordnet und gelang. Wenige Tage Ver- 
zögerung hätte das Schicksal der ganzen Schutztruppe 
sccherlich schon drei Monate früher besiegelt. Die 
Aufgabe des ganzen Südens mußte die Folge der 
Ausgabe von Aus sein. Die Schutztruppe war gahlen- 
mäßig viel zu schwach, um den jetzt in das besiedelte 
Land eindringenden Feind, dem zugute kam, daß es 
im Süden so vorzüglich geregnet hatte, wie buch- 
stiblich niemals vorher seit Menschengedenken, auf 
seinem Marsche von Süden nach Norden noch länger 
aufzuhalten. Bei dem Versuche würden die im 
gaugen Sitden noch etwa verfünbaren 1500 Mann 
in wenigen Tagen von drei Seiten gefaßt, sofort im 
  
Rücken bedroht und rarch erledigt gewesen sein. Die 
Aufgabe des Südens wurde zumal deshalb not- 
fischbai— Swakopmund aus umfassende Anstalten zum 
Vorrücken getroffen hatte und sowohl an der Otavi- 
bahn, deren Wiederherstellung er fieberhaft betrieb, 
wie am Swakop selbst vorging. Möglich war sogar. 
daß er auf einem dritten Wege, über den Kruiseb 
nach Komas-Hochland, direkt nach Windhuk vorstoßen 
werde. Der Süden wurde also geräumt und das 
Kriegsmaterial abtransportiert. Bahnen und Wasser- 
stellen zerstörte man, so gut es ging, das Vieh setzte 
man nach Norden in Marsch. Es war die höchste 
Zeit. Das zeigte sich darin, daß manche Viehtrans= 
porte schon! von gegnerischen Abteilungen abgefangen 
wurden. Die Nachhut unter Hauptmann v. Kleist 
wurde, schneller als man gedacht hatte, durch Ko- 
lonnen, die von Osten, Südosten und der Südbahn 
kamen, in Gefechte verwickelt. Der Gegner stieß 
von allen drei genanuten Fronten mit starken Kräften 
vor, zwang die oft nur eine Kompagnie starken 
kleineren Sicherungsabteilungen durch Überflügelung 
zum Rückzug. Hier wie auch in allen folgenden 
Kämpfen könnte man immer klarer sehen, daß der 
Feind sich bemühte, sein Menschenmaterial zu schonen. 
Botha hatte die Parole ausgegeben: To out-flank. 
Und in der Tat war es den Unionstruppen bei ihrer 
##lenmäbzigen üÜberlegenheit immer möglich, große 
bermacht zu entfalten, unsere kleinen Abteilungen 
zu überflügeln und so zum Rückzug zu zwingen, der 
in solchen Fällen allein eine Einlesselung verhinderte. 
Trot der zahlenmäßigen UÜberlegenheit des Feindes 
gelang es zwei Kompagnien der Nachhut v. Kleist 
am 30. April 1915 jedoch, bei Kabus dem Feinde 
schwere Verluste beizubringen und Gefangene abgu- 
nehmen. Kurz darauf suchte v. Kleist den von der 
Südbahn her andringenden Feind bei Berseba noch 
einmal gum Halten zu veraulassen. Da er aber 
nur etwa eine Kompagnie dafür einsetzen konnte, 
gelang zwar die Überraschung Bersebas selbst, die 
Unternehmung übte aber keinen wesentlichen, Einfluß 
auf die feindlichen Operationen aus. Am 27. April 
wurde die gesamte Abteilung v. Kleist, etan 850 
Mann stark, schließlich nördlich Gibeon von riesiger 
Übermacht, die von zwei Seiten kam, angegriffen 
und geradezu umgingelt. Das Gefecht wurde teil- 
weise zum Handgemenge, dennoch aber gelang es 
unseren Reitern, dem Gegner st were Verluste bei- 
zubringen und selbst, immer noch 600 Mann stark. 
nach Norden durchzubrechen. Die Gräber in Gibeon, 
die Aussagen gegnerischer Augengeugen beweisen, 
daß die Unionstruppen dort bei Kranzplatz etwa 
70 Tote und 120 Verwundete gehabt haben. Der 
weitere Rückzug Kleists führte die Bahn entlang 
nach Norden und wurde nach der blutigen Abferti- 
gung bei Gibeon nicht weiter gehindert. Der Gegner 
kam wegen völliger Erschöpfung und wegen Mangels 
an Nachschub nicht mebr so rasch vorwärts. Sich 
noch einmal stellen und den Feind seinerseits an- 
greifen, konnte Kleist nicht, da die Ereignisse auf 
unserem rechten Flügel gegen Swakopmund zu und 
das Ausbrechen des Bastard-Aufstandes, dessen Ent- 
wicklung ihm unter Umständen den Weg verlegen 
konnte, dies verboten. 
Die Bastards hatten, wie sich herausstellte, über 
den Kuiseb-Weg längst Verbindungen mit den Eng- 
ländern angeknüpft. Sie verweigerten — eine 
Bastard-Kompagnie war zur Bewachung von Ge- 
fangenen uhter Waffen — Mitte April den Gehorsam, 
verließen nach einem Hin und Her von Verhand- 
lungen ihren Hauptplatz Rehoboth und begannen die
	        
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