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ein überraschender Haudstreich gegen Windhuk ge-
lang. Zum Glück hatte Major Franke seine Ab-
teilung fast unmittelbar nach dem Siege bei Naulila
südwärts wieder in Marsch gesetzt; sie mußte natur-
gegen den neuen Gegner angesetzt werden.
Einstweilen war sie aber noch auf dim Marsche.
Die zwei Kompagnien und die sechs Geschüte ge-
nügten aber nicht entfernt gegen die vielen Taufend
des Feindes, auch der Süden mußte Truppeneinheiten
hergeben. Trotzdem war die Stellung bei Aus
immer noch zu halten, solange Botha, der selbst die
Führung der Invasionstruppen übernommen hatte
und jetzt in Walfischbai sein Hauptauartier aufschlug,
nicht auch von Osten und Südosten ernsthaft vor-
gehen ließ. Aus konnte durch einen Frontalangriff,
auch sehr überlegener Massen, nicht so leicht ge-
nommen werden und es zu umgehen, war wegen
des Wassermangels in der Namib ebenfalls sehr
schwierig. Ein ernsthafter Angriff von Osten aber
gefährdete Aus sofort, weil er die Bahnlinic Keet-
manshoop— —Windhut und damit die einzige Rückzugs-
linie unserer Truppen in Aus bedrohte, ohne daß
wir genügend Kräfte gehabt hätten, einem solchen
Angriff wirksam entgegenzutreten. Die Gefahr wuchs
nun mit jedem Tage. Bolha hatte schon vor län-
gerer Zeit einen Bahubau von Priska nach Upington
begonnen, der weiter nach Kalkfontein-Süd zielte
und das Bahnnetz der Union mit dem des Schutz-
gebiets verbinden und damit den Nachschub auch
über Land erleichtern sollte. Ein letzter Versuch
gegen diesen Bahnbau mit dem Nebengedanken, den
ersterbenden Burenaufstand wieder anzufachen, miß-
lang, weil auch dafür nicht genügend Truppen ver-
fügbar waren. Major Nitter gelangte mit zwei
Kompagnien und einer Batterie den Oranje auf-
wärts bis Kakamas, konnte den stark überlegenen
Feind zwar über den Fluß werfen, aber nicht ver-
nichten, und mußte daher, weil seine Verbindungen
nach dem Schutzgebiet gefährdet waren, in außer-
ordentlich anstrengendem Marsch durch wasserloses
. bedeutete praktisch das
Dande aller auf den Burenaufstand gesetzten Hoff-
nungen und die Unmöglichkeit, den Bahnbau vom
Südosten her zu verhindern.
Da der Gegner auch gegenüber Hasnur vom
britischen Betschuanenland ber größere Abteilungen
entwickelte, die sogar Trausporrautos zur Über-
windung von wasserlosen Strecken bei sich führten,
wurde die Lage der Abteilung Bauszus in Aus
kritisch. Der Entschluß. die starke Stellung dort so-
zusagen ohne Schuß zu räumen, mag dem Kom-
mando sehr schwer gefallen sein, er war aber eine
gebieterische Notwendigkeit, zumal jetzt auch die Vor-
bereitungen des Gegners gegenüber Aus so weit
gediehen waren, daß dieser unseren 1000 Mann dort
die zehnfache Ubermacht, ausgestattet mit schweren
Schiffsgeschüven, entgegenschicken konnte. Die Räu-
mung von Aus wurde Ende Dezember noch recht-
zeitig angeordnet und gelang. Wenige Tage Ver-
zögerung hätte das Schicksal der ganzen Schutztruppe
sccherlich schon drei Monate früher besiegelt. Die
Aufgabe des ganzen Südens mußte die Folge der
Ausgabe von Aus sein. Die Schutztruppe war gahlen-
mäßig viel zu schwach, um den jetzt in das besiedelte
Land eindringenden Feind, dem zugute kam, daß es
im Süden so vorzüglich geregnet hatte, wie buch-
stiblich niemals vorher seit Menschengedenken, auf
seinem Marsche von Süden nach Norden noch länger
aufzuhalten. Bei dem Versuche würden die im
gaugen Sitden noch etwa verfünbaren 1500 Mann
in wenigen Tagen von drei Seiten gefaßt, sofort im
Rücken bedroht und rarch erledigt gewesen sein. Die
Aufgabe des Südens wurde zumal deshalb not-
fischbai— Swakopmund aus umfassende Anstalten zum
Vorrücken getroffen hatte und sowohl an der Otavi-
bahn, deren Wiederherstellung er fieberhaft betrieb,
wie am Swakop selbst vorging. Möglich war sogar.
daß er auf einem dritten Wege, über den Kruiseb
nach Komas-Hochland, direkt nach Windhuk vorstoßen
werde. Der Süden wurde also geräumt und das
Kriegsmaterial abtransportiert. Bahnen und Wasser-
stellen zerstörte man, so gut es ging, das Vieh setzte
man nach Norden in Marsch. Es war die höchste
Zeit. Das zeigte sich darin, daß manche Viehtrans=
porte schon! von gegnerischen Abteilungen abgefangen
wurden. Die Nachhut unter Hauptmann v. Kleist
wurde, schneller als man gedacht hatte, durch Ko-
lonnen, die von Osten, Südosten und der Südbahn
kamen, in Gefechte verwickelt. Der Gegner stieß
von allen drei genanuten Fronten mit starken Kräften
vor, zwang die oft nur eine Kompagnie starken
kleineren Sicherungsabteilungen durch Überflügelung
zum Rückzug. Hier wie auch in allen folgenden
Kämpfen könnte man immer klarer sehen, daß der
Feind sich bemühte, sein Menschenmaterial zu schonen.
Botha hatte die Parole ausgegeben: To out-flank.
Und in der Tat war es den Unionstruppen bei ihrer
##lenmäbzigen üÜberlegenheit immer möglich, große
bermacht zu entfalten, unsere kleinen Abteilungen
zu überflügeln und so zum Rückzug zu zwingen, der
in solchen Fällen allein eine Einlesselung verhinderte.
Trot der zahlenmäßigen UÜberlegenheit des Feindes
gelang es zwei Kompagnien der Nachhut v. Kleist
am 30. April 1915 jedoch, bei Kabus dem Feinde
schwere Verluste beizubringen und Gefangene abgu-
nehmen. Kurz darauf suchte v. Kleist den von der
Südbahn her andringenden Feind bei Berseba noch
einmal gum Halten zu veraulassen. Da er aber
nur etwa eine Kompagnie dafür einsetzen konnte,
gelang zwar die Überraschung Bersebas selbst, die
Unternehmung übte aber keinen wesentlichen, Einfluß
auf die feindlichen Operationen aus. Am 27. April
wurde die gesamte Abteilung v. Kleist, etan 850
Mann stark, schließlich nördlich Gibeon von riesiger
Übermacht, die von zwei Seiten kam, angegriffen
und geradezu umgingelt. Das Gefecht wurde teil-
weise zum Handgemenge, dennoch aber gelang es
unseren Reitern, dem Gegner st were Verluste bei-
zubringen und selbst, immer noch 600 Mann stark.
nach Norden durchzubrechen. Die Gräber in Gibeon,
die Aussagen gegnerischer Augengeugen beweisen,
daß die Unionstruppen dort bei Kranzplatz etwa
70 Tote und 120 Verwundete gehabt haben. Der
weitere Rückzug Kleists führte die Bahn entlang
nach Norden und wurde nach der blutigen Abferti-
gung bei Gibeon nicht weiter gehindert. Der Gegner
kam wegen völliger Erschöpfung und wegen Mangels
an Nachschub nicht mebr so rasch vorwärts. Sich
noch einmal stellen und den Feind seinerseits an-
greifen, konnte Kleist nicht, da die Ereignisse auf
unserem rechten Flügel gegen Swakopmund zu und
das Ausbrechen des Bastard-Aufstandes, dessen Ent-
wicklung ihm unter Umständen den Weg verlegen
konnte, dies verboten.
Die Bastards hatten, wie sich herausstellte, über
den Kuiseb-Weg längst Verbindungen mit den Eng-
ländern angeknüpft. Sie verweigerten — eine
Bastard-Kompagnie war zur Bewachung von Ge-
fangenen uhter Waffen — Mitte April den Gehorsam,
verließen nach einem Hin und Her von Verhand-
lungen ihren Hauptplatz Rehoboth und begannen die