Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

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Gesamtleistungen und der eigenen Verdienste des 
Kongosouveräns wird man voraussichtlich hierbei 
vielfach nur auf eine Beweisführung e contrario 
angewiesen sein. 
Die Art und Weise, wie die öffentliche Meinung 
Europas und Amerikas über die eigentlichen Ab- 
sichten und Ziele des Königs lange Zeit in die 
Irre geführt, wie die Eifersucht Frankreichs und 
Englands im Interesse der Verwirklichung der 
königlichen Pläne gegeneinander ausgespielt, wie 
Portugal und Frankreich verhindert wurden, ge- 
meinsam gegen die Ziele der Associatidn vorzu- 
gehen, waren Meisterleistungen einer klugen Di- 
blomatie. 
sogar gelang, Bismarck im unklaren über die 
dort gehegten Absichten zu lassen und ihn direkt 
und indirekt der kongolesischen Politik nutzbar zu 
machen, dafür bieten die in früheren Artikeln") 
angeführten Belege genngsame Beweise. Als der 
König nach diesen schweren, aber unter den Rat- 
schlägen der oben genannten drei Männer erfolg- 
reichen Kämpfen um das Sein oder Nichtsein des 
Kongounternehmens sich von diesen treuen Rat- 
gebern trennte"") und seine höchst eigene Politik 
zu verfolgen begann, führte diese je länger je 
mehr zu schweren Mißerfolgen. So z. B. in den 
Interessekämpfen mit Frankreich und England um 
die ägyptischen Aquatorialprovinzen, ja auch 
schließlich in dem Streit mit Deutschland um die 
Grenzen am Kiwusee. 
In dieser späteren Periode konnte sich der un- 
beugsame Starrsinn und der vor keinem Hindernis 
zurückschreckende Optimismus des Kongosouveräns 
in politischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten 
ungehemmt ausleben. War schon Stanley 
offenbar nie völlig in die geheimen Abisichten 
Leopolds eingeweiht gewesen, so waren der Staats- 
sekretär, die Generalsekretäre in Brüssel, der 
Generalgouverneur in Boma bis hinab zu den 
unteren Beamten nur Handlanger, die nach seinen 
direkten Weisungen und Befehlen zu handeln 
hatten und die keine eigene Meinung mit Erfolg 
vertreten konnten. Das führte zu einer unge- 
heuren, letzten Endes resultatlosen Vergeudung 
von Geldern und Menschenleben, die vom Stand- 
bunkt der wahren Interessen des Kongostaates 
vernünftigerweise an anderen Stellen ungemein 
segensreich hätten wirken können. Die äußere 
*) Vgl. „Deutsches Kolonialblatt“ 1916, S. 136, 
138 bis 141, 173 und die Sonderveröffentlichung „Aus 
den Archiven des belgischen Kolonialministeriums“. 
Berlin 1916, S. 53, 54 bis 57. 79. 
*7) Sanford, der sich wegen der neuen Do- 
manialpolitik des Königs mit diesem völlig überworfen 
atte, starb bereits am 21. Mai 1891, Banning im 
Juli 1898, Baron Lambermont am 6. Märg 1905, 
General Strauch, der sich nach. Beez bei Namur 
mrückge zogen hatte, am 7. Juni 1911. 
Wie es den in Brüssel tätigen Kräften 
  
Politik des Kongostaates etwa von 1889 an war 
wesentlich von der, wie Wauters sie scharf, aber 
zutreffend gekennzeichnet hat, „naiven“ Ideé ge- 
tragen, den weitausschauenden, zielbewußten 
Plänen Englands in Afrika mit Erfolg entgegen- 
treten und sie zugunsten von phantastischen Pro- 
jekten auf Agypten durchkrenzen zu können. Ein 
Vorhaben, doppelt verwunderlich bei einem Manne, 
von dem man doch annehmen kann, daß er 
durch seinen häufigen Aufenthalt in England mit 
dem Machtwillen und der Machtfülle Groß- 
britanniens ausreichend vertraut hätte sein müssen. 
20 Jahre hindurch hat das auswärtige Departe- 
ment des Kongostaates notgedrungen den besten 
Teil seiner Kraft und Zeit darauf verwenden 
müssen, durch fortgesetzte Ableugnung und Be- 
streitung von Tatsachen, die schließlich doch nicht 
aus der Welt zu schaffen waren, durch kostspielige, 
auf die Dauer doch vergebliche Beeinflussungs= 
versuche der öffentlichen Meinung des In= und 
Auslandes mittels käuflicher oder gefälliger Federn 
diese politischen und wirtschaftlichen Ziele des 
Königs zu stützen. 
Wohl sind die ökonomischen Fortschritte, die 
der Kongostaat unter Leopold gemacht hat auf 
allen Gebieten, die seine Produktion fördern 
konnten, überraschend schnelle und große gewesen. 
Sie sind aber nicht ausschließliches Verdienst des 
Souveräns, sondern sind z. B., wie die Kongo- 
bahn, der Privatinitiative von Männern wie 
Thys u. a. zu verdanken. Ja selbst die Mittel 
und Wege, die den Kongostaat nach dem 
Willen seines Schöpfers schließlich zu einem 
Finanzunternehmen machten, das ihm den 
höchstmöglichen Ertrag bringen sollte, scheinen 
nicht immer dem Kopfe Leopolds entsprungen zu 
sein. In seiner Domanialpolitik, die sich über 
alle Regeln eines gesunden Kolonialwesens gleich- 
gültig hinwegsetzte und als nacktes Ausbentesystem 
schon deshalb zum schließlichen Scheitern verurteilt 
war, ahmte er nur das in Niederländisch-Indien 
bereits abgewirtschaftete Kultunrstelsel in etwas 
anderen Formen nach. Und auf dieses war er 
anscheinend nicht von selbst gekommen, sondern 
folgte darin nur den Ratschlägen des Vizegouver= 
neurs Coquilhat. Bei den Akten „42. Belgien"“ 
des Kolonialministeriums befindet sich unter „Ren- 
seignements de la situation financière et com- 
merciale de I’Etat du Conge“ eine eigenhändige, 
in abgerissenen und abgekürzten Sätzen hinge- 
worfene Instruktion des Königs an den Staats- 
sekretär vom 6. Mai 1891, in der diesem An- 
weisungen gegeben werden, wie der Kongostaat 
gegen die Angriffe, die sich schon damals gegen 
dessen Domanialsystem zu regen begannen, zu 
verteidigen ist. Der Staatssekretär wird beauf- 
tragt, nach diesem „Canevas“ eine Verteidigungs-
	        
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