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Balfour bespricht unser Verhältnis zu jedem
einzelnen dieser Randstaaten. An erste Stelle
setzt er die Behauptung, die deutsche Inter-
vention in Finnland hätte bezweckt, Finnland in
deutsche Abhängigkeit zu bringen, mit anderen
Worten, ein deutsches Portugal zu schaffen.
Welche unerhörte Herabwürdigung des fin-
nischen Unabhängigkeitskampfes, der seit
Jahrzehnten alle ehrlichen Freunde kleiner Na-
tionen begeistert hat! Aber Finnland hat,
scheint's, alle Sympathien in England verloren,
seit es sich durch das englische Vorgehen in Nord-
rußland bedroht fühlt und von der Verbindung
mit der eisfreien Murmanküste nicht abgeschnitten
werden will. Über unser Verhältnis zu den
Ostseeprovinzen, zu Polen und zur AUkraine
erhebt Herr Balfour die ungeheuerliche Be-
schuldigung, wir seien mit diesen Ländern ver-
fahren, sagen wir kurz, wie England mit Griechen-
land, das heißt, wir hätten sie zum aktiven
Heeresdienst gegen Deutschlands Feinde gepreßt.
Kein einziger Soldat ist zum Heeresdienst
aus diesen Ländern für Deutschlands
Sache gezwungen worden!
Weiter, meine Herren, Balfours Anklage gegen
die deutsch-rumänische Politik: Hier ist England
in der Rolle des Diebes, der ruft: Haltet den
Dieb! Aber das Gedächtnis der Welt ist nicht
ganz so kurz. Wer hat Rumänien von seiner
gesunden Tradition abgezogen! Glaubt Herr
Balfour nicht, daß Rumäniens Schicksal besser
gewesen wäre, wenn seine Regierung an der
Neutralität treu festgehalten hätte? Im übrigen,
meine Herren, darf ich daran erinnern, daß die
rumänische Presse selbst gerade in den letzten
Tagen gegenüber den Behauptungen Bratianus
und seiner Genossen betont, daß die Wahlen zu
dem Parlament, auf dessen Mehrheit die Re-
gierung sich stützt, ordnungsmäßig und dem Volks-
empfinden entsprechend stattgefunden haben, ohne
Einwirkung durch die deutsche Regierung.
Ich komme nun zu dem, was Balfour über
die Kolonien sagt und zitiere ihn wörtlich: „Wir
haben unser Gebiet ausgedehnt, wir haben
Deutschlands Kolonien genommen, und ich glaube
nicht, daß jemand, der deutsche koloniale Me-
thoden wirklich studiert hat, überrascht wird,
wenn wir sagen, daß die Besserung groß ist".
Dann fährt er fort: „Soll man Deutschland
die Kolonien zurückgeben und dadurch Deutschland
Unterseebootbasen auf allen großen Handelsstraßen
der Welt, und dadurch den Welthandel zu Deutsch-
lands Verfügung stellen? Deutsche Herrschaft in
den Kolonien würde tyrannische Herrschaft über
die Eingeborenen bedeuten und die Ausstellung
großer schwarzer Armeen in Zentralafrika“.
Meine Herren! Das heißt mit andern Worten:
England erobert ein Land, behauptet, es besser
regieren zu können als sein rechtmäßiger Besitzer,
und leitet daraus den Anspruch ab, es zu an-
nektieren. Mit dieser Argumentation könnte man
eine englische Monroedoktrin für die Welt erklären.
Ich möchte die folgenden Fragen stellen:
Weiß der englische Staatssekretär des Aus-
wärtigen nichts von der Dezimierung der far-
bigen Bevölkerung in den verschiedenen Kolonien
Afrikas durch das Vorgehen der Entente, nichts
von den im Unterhaus zugegebenen Zwangs-
aushebungen in Britisch-Ostafrika, nichts von den
riesigen Arbeiter= und Soldatenheeren aus eng-
lischen und französischen Kolonien? Hat er sich
bei seinen Kollegen vom englischen Kolonialamt
erkundigt, was es bedentet, mit Eingeborenen
gegen Eingeborene Krieg zu führen? Hat er
eine Ahnung von dem unermeßlichen Scha-
den für die koloniale Sendung aller
Kulturvölker, der daraus entstehen muß, daß
man Schwarze im Kampf gegen Weiße ver-
wendet und nach Europa bringt?
Zweifelt Herr Balfour ernstlich daran, daß
das Schicksal ganz Afrikas besser gewesen wärc,
wenn England die Kongo-Akte nicht mißachtet
hätte? Hat er vergessen, daß Deutschland die
einzige kriegführende Macht ist, die die
Abschaffung des Militarismus in Afrika
ausdrücklich unter ihre Kriegsziele auf-
genommen hat?
Ist Herr Balfour heute bereit, das gleiche
für England zu versprechen und mit französischen
Methoden und Churchillschen Plänen endgültig
zu brechen?
Meine Herren! Ich erwarte keine Antwort
auf diese Fragen. Die Balfoursche Rede sollte
nicht der staatsmännischen Aufklärung dienen.
Die Khaki-Wahlen werfen ihren Schatten
voraus! Die kurze Geschichte unserer Kolonien
zeigt, daß wir weder in Afrika noch in der Süd-
see aggressive Politik treiben wollten und ge-
trieben haben. Wir erstreben keine Vorherr-
schaft und kein Ubergewicht, wir wollen einen
Ausgleich unter den Kolonialstaaten. Wir wün-
schen eine Regelung der kolonialen Fragen nach
dem Grundsatz, daß kolonialer Besitz den wirt-
schaftlichen Kräften der europäischen Nationen
entsprechen soll und ihrer in der Geschichte be-
wiesenen Würdigkeit, die ihnen anvertranten far-
bigen Bölker zu beschützen. Die wirtschaftliche
Tüchtigkeit allein ist kein genügender Rechtstitel.
Kolonisieren heißt Missionieren. Diejenigen
Staaten, die nach diesem Grundsatz vor dem
Kriege zu handeln bestrebt waren, die die Mensch-
heit auch in den Farbigen achteten, diese Na-
tionen haben das moralische Recht erworben,