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Zur Hebung der Gesundheit war von der
Siedelungsleitung das Menschenmögliche getan
worden, und so war nach Ablauf der ersten
Monate der Gesundheitszustand der Siedelungs-
bewohner recht gut. Die peinliche Sauberkeit der
Anlage, die vom Siedelungshof hinunter bis in
die kleinste Hütte hinein herrschte, fiel jedem Be-
sucher sofort auf. Die sämtlichen Quellen waren
da, wo sie aus den Hügeln heraustraten, in
Zement gefaßt, so daß eine Verunreinigung des
Wassers durch Schöpfgefäße oder auf sonstige Weise
ausgeschlossen war. Die Abortanlagen mit Rauch-
entwicklung oder unmittelbarer Meerwasserspülung
wurden aufs peinlichste überwacht.
Eine Viertelstunde vom Hauptdorfe entfernt,
abseits auch von den Häusern der Eingeborenen,
war am Strande ein Hospital eingerichtet, in
welchem in 4 getrennten Gebäuden über 60 Kranke
Unterkunft und Pflege finden konnten, und bei
dem sich täglich die Leichtkranken, meist Leute mit
kleinen Verletzungen, zur Behandlung einstellten.
Dort hatte jeder sich der Schutzpockenimpfung
unterziehen müssen. Der Siedelungsleiter war
nicht nur der Schöpfer dieser Anlage, sondern er
war auch zugleich der einzige Arzt aller derer, die
dort Hilfe suchten.
Auf dem Gebiete der Gesundheitspflege in
den Tropen hat kein Kolonialvolk die deutsche
Nation auch nur annähernd erreicht; und was
hier in Bakoko, unter den widrigsten Verhältnissen
mit den beschränktesten Mitteln und bei den ge-
ringsten Hilfskräften auf diesem Gebiet geleistet
worden ist, das kann man mit Freuden einem
jeden als vorbildliche und mustergültige deutsche
Kulturarbeit zeigen.
Den getreuesten Mitarbeiter und Gehilfen
hatten die beiden Deutschen in dem Oberhäupt-
ling Karl Atangana der Jaundes. Ihm war
für die Zeit auf Fernando Po die Häuptling-
schaft über alle nicht mohammedanischen Stämme
übertragen worden. Wie einst über seine Jaun-
des, so übte er hier über alle Waldlandleute
die Gerichtsbarkeit aus als Vorsitzender des Ein-
geborenen-Schiedsgerichts, das allerdings bei der
Friedfertigkeit der Siedelungsbewohner nur wenig
in Tätigkeit zu treten brauchte. Seine über-
ragende Stellung zeigte sich äußerlich in der
großzügigen Anlage seines Wohnsitzes, der sich
stolz aus der Siedlung seines Stammes heraus-
hob, in dem Umfang seiner Farmen, in seiner
Kleinviehzucht, in seinem Kannbesitz und seinem
Fischereibetrieb.
So bildete die Siedlung Atanganas und
seiner engeren Sippe den eigentlichen Mittelpunkt
der ganzen Eingeborenenniederlassung.
und Schule hatten dort ihren Platz gefunden.
teilnahmen.
Kirche.
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Zur Abhaltung des Gottesdienstes besuchten ge-
legentlich Missionare die Siedlung. Der Schul-
unterricht wurde von einem farbigen Lehrer an
etwa 60 Kinder erteilt nach Art der Regierungs-
schulen in Kamerun. Einen besonderen Lehrgang
hatte Atangana selbst eingerichtet, für schreib-
kundige Eingeborene, an dem etwa 300 Leute
Er bezweckte damit, seinen Lands-
leuten in ihrer Muttersprache eine Schrift-
sprache zu schaffen und ihnen das Wesen und
den Aufbanu der Sprache klar zu machen. Er
hatte für diesen Unterricht selbst eine ausschließlich
auf Jaunde abgefaßte, verständliche Grammatik
geschrieben.
Der wesentliche Einfluß Atanganas auf seine
Bolksgenossen beruht indessen nicht auf seiner
äußeren Machtstellung, sondern darauf, daß er
bei gründlicher europäischer Bildung und Er-
ziehung seine Stammesart nicht aufgegeben hat,
daß er getreue Sohn seines Volkes geblieben ist.
Seiner Bildung, die sich nicht auf äußere Kennt-
nisse beschränkt, dankt er die klare Einsicht, daß
er und seine Volksgenossen einstweilen ohne die
deutsche Leitung nicht auskommen können, daß
die deutsche Herrschaft aber auch die sichere Ge-
währ für eine gesunde geistige und wirtschaftliche
Entwicklung der Neger bietet. Seine ruhige und
sichere Lebensauffassung, die er deutscher Zucht
verdankt, hat ihn vor dem Wahne jener li-
berianischen Großneger bewahrt, welche meinen,
daß Freilassungsbriefe und Unabhängigkeitserklä-
rungen auch die eigene innere Unfreiheit aufheben
könnten. Als an Antangana einmal einer der vielen
gedungenen Versucher auf Fernando Po herantrat,
um ihm vorzuhalten, daß in anderen Kolonien
die Neger zu größerem Reichtum kämen als ge-
meiniglich in Kamerun, antwortete er, der selbst
ein Jahr lang in Deutschland gewesen war, ganz
ruhig: „Wir haben kein Verlangen danach,
schwarze Europäer zu werden!“ Niemand weiß
besser als Atangana, daß seine Stammesgenossen
die ersten wären, die nach solchen Verlengnern
ihres eigenen Wesens mit Steinen werfen würden.
Sie haben noch das gesunde, natürliche Gefühl,
daß für sie die eigene Art die beste ist, daß man
diese Eigenart pflegen und ausbilden muß, um
voranzukommen, daß man sie aber nicht auf-
geben kann, ohne sich selbst damit aufäugeben.
Daß die Kameruner Eingeborenen ihrer
Eigenart treu geblieben und doch kein rohes
Naturvolk mehr sind, daß sie dafür ihren deut-
schen Herren gegenüber dankbare und anhängliche
Gesinnung hegen, dafür legte auch die Siedelung
in Klein-Bokoko das beste Zeugnis ab.
Am Ende ist die viel geschmähte deutsche
Art, die Eingeborenen zu behandeln, doch die
richtige.