Full text: Die gesetzlichen Grundlagen der Seuchenbekämpfung im Deutschen Reiche unter besonderer Berücksichtigung Preußens.

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Dauer einer Krankheitsgefahr getroffen werden. Nicht dagegen gehören hierher 
die der regelmäßigen Krankenpflege dienenden oder die im $ 35 des Reichsgesetzes 
aufgeführten Einrichtungen zur allgemeinen Verbesserung der hygienischen Ver- 
hältnisse (Versorgung mit Trink- oder Wirtschaftswasser, Fortschaffung der Ab- 
fallstoffe). 
Da die Einrichtungen im Sinne des $ 29 für einzelne kleinere Gemeinden 
unverhältnismäßig hohe Aufwendungen erfordern würden und vielfach unbeschadet 
ihrer Wirksamkeit für eine größere Anzahl von Gemeinden zusammen getroffen 
werden können, so wird es in der Regel zweckmäßig sein, daß entweder nach 
Maßgabe der bestehenden Vorschriften Zweckverbände zu diesem Behufe gebildet 
werden, oder daß die Kreise von der in Abs. 2 ausdrücklich anerkannten Befugnis 
Gebrauch machen, wie dies bereits bisher in weitem Umfange geschehen ist. 
Wegen der Bereitstellung von Baracken durch den Preußischen Landesverein 
vom Roten Kreuz bei Epidemien von Aussatz, Cholera, Fleckfieber, Gelbfieber, 
Pest, Pocken, Diphtherie, Körnerkrankheit, Ruhr, Scharlach und Typhus ver- 
weise ich auf die zufolge des Ministerialerlasses vom 25. März 1905 (Min.-Bl. £. 
Med.-Ang. S. 175 ff.) hierüber abgeschlossenen Verträge. 
Zu S 30.- 
Die Kommunalaufsichtsbehörden haben beizeiten dafür Sorge zu tragen, daß 
der Bedarf an Unterkunftsräumen, Arzten, Pflegepersonal, Arznei-, Desinfektions- 
und Beförderungsmitteln für Kranke und Verstorbene durch freiwillige Beschaffung 
seitens der Kommunalverbände, namentlich der Kreise, sichergestellt wird. 
In größeren Ortschaften ist auf die Errichtung von Öffentlichen Desinfek- 
tionsanstalten, in welchen die Anwendung von Wasserdampf als Desinfektions- 
mittel erfolgen kann, hinzuwirken, sofern solche Anstalten nicht bereits in ge- 
nügender Anzahl vorhanden sind. 
Die Ausbildung eines geschulten Desinfektionspersonals ist ebenfalls recht- 
zeitig vorzubereiten. 
Wird ein Einverständnis mit dem Kreise oder mit der Gemeinde nicht er- 
zielt, so hat die Aufsichtsbehörde die Anordnung gemäß $ 30 auf das Maß des 
unbedingt Erforderlichen zu beschränken und dabei in ihrer Anforderung 
nicht weiter zu gehen, als nach ihrem pflichtmäßigen Ermessen die Gemeinde ver- 
möge ihrer Finanzkraft zu leisten vermag. 
Zu S 31. 
Ist im Beschlußverfahren eine Einrichtung zur Bekämpfung übertragbarer 
Krankheiten, deren Beschaffung die Kommunalaufsichtsbehörde angeordnet hat, 
als nötig anerkannt, andererseits aber die Leistungsfähigkeit der Gemeinde ver- 
neint, oder deren Leistung niedriger bemessen worden, als daß damit die Anord- 
nung durchgeführt werden könnte, so hat die Kommunalaufsichtsbehörde vor 
weiterer Veranlassung jedesmal an mich zu berichten. 
Zu S 32. 
Von der Befugnis zur sofortigen Durchführung einer Anordnung, welcher 
eine Gemeinde auch nach erneuter, angemessen befristeter Anhörung Folge zu 
leisten sich weigert, ist nur dann Gebrauch zu machen, wenn von der Unterlassung 
eine unmittelbare dringende Gefahr für das öffentliche Wohl zu besorgen ist. 
Auch in solchen Fällen ist, wenn tunlich, vorgängig an mich zu berichten. 
Ist dies nach Lage der Verhältnisse nicht angängig, so ist mir jedesmal sofort 
unter Darlegung des Sachverhalts Anzeige zu erstatten. 
Berlin, den 15. September 1906. 
Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und 
Medizinalangelegenheiten 
von Studt.
	        
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