400 73. Ein Königsidyll vom Tegernsee.
rief dann der König, „da esse ich auch gleich mit — jetzt hab' ich doch
so viele Köche daheim und doch kann mir kein einziger noch richtige Knödel
machen.“
Diese Vertraulichkeit des Königs suchten die Bauern natürlich mit allen
erdenklichen Aufmerksamkeiten zu erwidern. Wenn ihm irgend ein alter schöner
Baum gefiel, so machte der Besitzer ihn sofort Sr. Majestät zum Geschenk
und eine Reihe der herrlichsten Linden ist in Tegernsee nur dadurch von der
Axt verschont geblieben. Wo er neue Wege anzulegen wünschte, gab man ihm
Grund und Boden ohne Entschädigung; vor allem aber lag ihm ein Wald-
pfad zum „Bauer in der Au“ am Herzen. Als derselbe vollendet war und
der König ihn zum erstenmal allein beging, fand er plötzlich mitten im Walde
einen blanken eichenen Tisch und auf demselben waren Butter und Milch, Erd-
beeren und Kirschen sorgsam zugerichtet; davor ein stattlicher Großvaterstuhl
und weit und breit niemand zu sehen. Er ließ sich nieder und schmauste, die
Bauern aber waren ringsum in den Gebüschen versteckt und weideten sich daran,
wie ihre Kost dem Fürsten mundete. Erst als er wieder aufbrechen wollte,
kamen sie hervor und einer von ihnen, der Seppl von Abwinkel, hieß ihn mit
einer kurzen Ansprache willkommen.
All das sind nur kleine einzelne Züge und dennoch sind sie wahr —
denn aus denselben atmet die Seele jener Zeit.
Dazwischen gab es freilich auch mitunter ein hochgesteigertes öffentliches
Leben, die Kaiser von Rußland und Osterreich, die Fürsten aller erdenklichen
Länder kamen nach Tegernsee zum Besuch und großartige Beleuchtungen des
Sees oder der Berge wurden zu ihren Ehren veranstaltet. Wenn wichtigere
Beratungen nötig waren, kamen die einzelnen Minister heraus und eine Reihe
der bedeutsamsten Gesetze und Verordnungen (wir erinnern nur an die berühmte
„Tegernseer Erklärung“ zum Konkordat) trägt das Datum dieses Ortes. Selbst
die Kammern des Landes wurden einmal vom König nach Kaltenbrunn und
Kreuth geladen und dort bewirtet.
Im ganzen aber überwog doch unendlich die — Idylle; sein Verhältnis
zu den Bewohnern war noch immer am richtigsten bezeichnet durch jenes
rührende, naive Wort, das ihm beim Einzug einst ein Münchener Bürger in
den offenen Wagen rief: „Na, Maxl — weilst nur Du da bist!“ Seine Nähe
allein, seine Persönlichkeit hatte etwas Beglückendes für das Volk. Am letzten
Tage seines Lebens, am 12. Oktober 1825 (es war sein Namenstag), hatte er
ein Bild des Schlosses zum Geschenk erhalten; er betrachtete es lange und
zuletzt hielt er die Hände vor das tränende Gesicht und sprach halblaut: „Mein
liebes Tegernsee!“ — Noch in derselben Nacht war Max I. eine Leiche.