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dem Kaiser u. a. die Ausfertigung der Reichsgesetze zu. Hieraus
folgert er, daß eine Pflicht des Kaisers bestanden habe, das ver—
fassungsmäßige Zustandekommen der Gesetze zu prüfen. Er
habe sich nicht darauf beschränken dürfen, festzustellen, ob ein
Bescheid des Vorsitzenden des Bundesrats vorliege, daß es zu
einem gültigen Beschluß gekommen sei, ihm habe es vielmehr
ob gelegen, sämtliche Voraussetzungen des Zustandekommens
des Beschlusses im einzelnen zu prüfen, wozu er ja durch die
dienstliche Unterordnung des Vorsitzenden im Bundesrate im-
stande ge. vesen sei. Habe also ein fertiger Bundesratsbeschluß
vorgelegen, so habe sich die Prüfung auch auf die Legitimationen
der Bundesratsbevollmächtigten ersireckt; bevor aber dieser
Beschluß zur Promulgation und Publikation an den Kaiser
gelangte, habe er allerdings weder ein Recht noch eine Pflicht
zu prüfen gehabt. Diese von Vogels vertretene Ansicht ist m. E.
nicht richtig. Schon ein Prüfungsrecht oder eine Prüfungs-
pflicht des Kaisers in Bezug auf das verfassungsmäßige Zu-
standekommen eines Gesetzes ist stark bestritten, vor allem
von v. Seydel und von Rosenberg:). v. Seydel stellt fest,
daß Ausfertigung nur bedeute, daß die Reichsgesetze unter der
Unterschrift des Kaisers ergingen. Rosenberg weist vor allem
darouf hin, daß nach Beanstandung der Bundescatsbeschlüsse
durch den Kaiser die Angelegenheit gemäß Art. 7 Ziffer 3 RV.
dem Bundesrat zur Entscheidung vocgelegt werden mußte.
Dieser hätte danach also über die Gesetzmäßigkeit seiner eigenen
Beschlüsse die Entscheidung treffen müssen! Nach einer Ansicht
Hubrichss) hatte der Kaiser bei der ihm obliegenden „Aus-
fertigung“ des Reichsgesetzes zwar Recht und Pflicht, die Be-
schlüsse von Reichstag und Bundesrat in formeller und mate-
rieller Hinsicht nachzuprüfen, aber in formeller Hinsicht mupte
er grundsätzlich die Angaben der Vocsitzenden des Reichstags
1) v. Seydel, Komm. S. 173/174. Rosenberg S. 33/34. Entgegen-
gesetzter Ansicht besonders von Rönne, Deutsch. Staatsrecht S. 299,
Laband S. 498, 524.
2) Hubrich S. 703.