8 15. Die Pflichten der Reichsangehörigen. 145
b) Feindliche Handlungen gegen andere Bundesstaaten oder Beleidi-
gungen anderer Bundesfürsten, als der unter a) genannten.
c) Feindliche Handlungen gegen befreundete, nicht zum Reiche ge-
hörende Staaten und Beleidigungen ihrer Landesherren, deren
Strafbarkeit unter der Bedingung der Reziprozität steht.
Diese dreifache Gliederung hat das Reichsstrafgesetzbuch in der
Tat durchgeführt bei dem hochverräterischen Mordversuch (8 80, 81,
102) und der Fürstenbeleidigung. In dem zweiten Teile des Reichs-
strafgesetzbuchs behandelt der 2. Abschnitt gleichmäßig die Beleidigung
des Kaisers und des eigenen Landesherrn, der 3. Abschnitt die
Beleidigung anderer Bundesfürsten, der 4. Abschnitt $ 103 die Be-
leidigung von Landesherren nicht zum Deutschen Reiche gehörender
Staaten, welche strafbar ist, wofern dem Deutschen Reiche die Gegen-
seitigkeit verbürgt ist').
In diesen Bestimmungen spiegelt sich das staatsrechtliche Verhält-
nis getreu wieder?). Das Untertanen verhältnis besteht zum eigenen
Staate und zum Reiche, und deshalb sind in jedem Staate der eigene
Landesherr und der Kaiser (als Oberhaupt des Reiches?) mit einem
höheren strafrechtlichen Schutze gegen Tätlichkeiten und Beleidigungen
ausgestattet wie die anderen deutschen Landesherren, während anderer-
seits die staatliche Zusammengehörigkeit der deutschen Staaten in der
Unterscheidung zwischen Bundesfürsten und fremden Landesherren
einen Ausdruck gefunden hat.
Was diejenigen Handlungen anlangt, welche den objektiven Tat-
bestand des Hoch- und Landesverrates bilden, so ergibt sich zunächst
aus dem staatlichen Charakter des Reiches ein bemerkenswerter Unter-
schied gegen das zur Zeit des Deutschen Bundes gültig gewesene Recht.
Gegen den Deutschen Bund konnte ein Hochverrat oder Landesver-
rat nicht begangen werden; das Bundesverhältnis war kein Gegenstand
eines Staatsverbrechens, der Bund hatte keine Staatsangehörigen !).
Allerdings bestimmte der in allen Bundesstaaten publizierte Bundes-
beschluß vom 18. August 1836°), daß die gegen die Existenz, Integrität,
Sicherheit oder Verfassung des Deutschen Bundes gerichteten Hand-
1) Hinsichtlich der Abstufung des Strafmaßes bestimmt beispielsweise 8 95 für
die Beleidigung des Kaisers oder des eigenen Landesherrn Gefängnis oder Festungs-
haft von 2 Monaten bis zu 5 Jahren, $ 99 für die Beleidigung eines Bundesfürsten
Gefängnis oder Festungshaft von 1 Monat bis zu 3 Jahren, $ 103 für die Beleidigung
des Landesherrn eines fremden Staates Gefängnis oder Festungshaft von 1 Woche
bis zu 2 Jahren.
2) Olshausen, Kommentar zum Strafgesetzb. zu $ 80, Note 2.
3) Der Kaiser ist zwar nicht der Souverän des Reiches, hat aber in der Reichs-
verfassung eine so hervorragende Stellung, daß er als Oberhaupt des Reiches den-
selben strafrechtlichen Schutz genießt, als wäre er der Souverän. Vollständig ver-
kennt dies Knitschkya.a. O.S. 125 u. 129g.
4) Klüber, Oeffentl. Recht $ 184, Note 6, S. 240 (4. Aufl.).
5) Sitzung XVI, Prot. $ 226.