Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

188 8& 20. Das Indigenat des Art. 3 der Reichsverfassung. 
zungswohnsitz wird, abgesehen von den familienrechtlichen Erwerbs- 
titeln der Verehelichung und Abstammung, durch einjährigen ununter- 
brochenen Aufenthalt innerhalb des Ortsarmenverbandes nach 
zurückgelegtem sechzehnten Lebensjahre erworben ($ 9ff.)!). Jeder 
hilfsbedürftige Deutsche muß aber vorläufig von demjenigen Orts- 
armenverband unterstützt werden, in dessen Bezirk er sich bei dem 
Eintritt der Hilisbedürftigkeit befindet, vorbehaltlich des Anspruchs 
des Ortsarmenverbandes auf Erstattung der Kosten und auf Ueber- 
nahme des Hilfsbedürftigen gegen den hierzu verpflichteten Armen- 
verband ($ 28). 
Ausländer erwerben keinen Unterstützungswohnsitz, sie müssen 
aber vorläufig von demjenigen Ortsarmenverband unterstützt werden, 
in dessen Bezirke sie sich bei dem Eintritt der Hilfsbedürftigkeit be- 
finden ($ 60) 2). 
Zur Erfüllung der Unterstützungspflicht müssen die Bundesstaaten 
nach Maßgabe der Vorschriften des Reichsgesetzes räumlich abgegrenzte 
Armenverbände (Ortsarmenverbände und Landarmenverbände)°) ein- 
richten und durch Landesgesetze die Zusammensetzung und Einrich- 
tung der Orts- und Landarmenverbände, das Maß der zu gewährenden 
öffentlichen Unterstützung, die Beschaffung der dazu erforderlichen 
Mittel und das Verhältnis der Ortsarmen- und Landarmenverbände 
regeln ($ 8). 
IH. In engem Zusammenhange mit dem Indigenat und dem im 
Art. 3 der RV. anerkannten Grundsatz der Freizügigkeit steht das 
reichsgesetzliche Verbot der Doppelbesteuerung‘) Das Gesetz 
bestimmt im $1 Abs. 1, daß ein Deutscher zu den direkten Staats- 
1) Außerdem hat für eine erkrankte Person der Ortsarmenverband des Dienst- 
oder Arbeitsorts für die ersten 26 Wochen nach dem Beginn der Krankenpflege die 
Kosten der erforderlichen Kur- und Krankenpflege endgültig zu tragen oder zu er- 
statten ($ 29). Wird ein hilfsbedürftiger Deutscher, der keinen Unterstützungs- 
wohnsitz hat, aus dem Ausland übernommen, so ist derjenige Bundesstaat, in dessen 
Gebiet der Hilfsbedürftige seinen letzten Unterstützungswohnsitz gehabt hat, zur 
Uebernahme verpflichtet. Durch Landesgesetz kann er diese Verpflichtung auf seine 
Armenverbände übertragen; von dieser Ermächtigung haben die Staaten durchweg 
Gebrauch gemacht. 
2) Auch in diesem Falle ist zur Erstattung der Kosten, bezw. zur Uebernahme 
des Bedürftigen der Bundesstaat, welchem der ÖOrtsarmenverband der vorläufigen 
Unterstützung angehört, verpflichtet; er kann aberim Wege der Landesgesetzgebung 
diese Verpflichtung auf seine Armenverbände übertragen (5 60). Bayrische Staatsan- 
gehörige sind im Sinne dieses Gesetzes Ausländer. 
3) Den Bundesstaaten ist es gestattet, die Funktionen der Landarmenverbände 
selbst zu übernehmen (8 65 Abs. 1), wovon die kleinen Staaten meistens Gebrauch 
gemacht haben. 
4) Bundesges. v. 13. Mai 1870 (BGBl. S. 119); durch das Ges. v. 16. April 1871 
8 2 wurde es zum Reichsgesetz erklärt. Durch das RG. v. 22. März 1909 (RGBl. 
S. 329) wurde es abgeändert und in neuer Fassung unter der Bezeichnung „Doppel- 
steuergesetz* im RGBl. S. 332 bekannt gemacht. O. Schwarz in Fleischmanns 
Wörterb. des Staats- u. Verw.-Rechts Bd. I, S. 608.
	        
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