Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 2. Die Gründung des Norddeutschen Bundes. 11 
satz zu der von Oesterreich unter dem Beifall der Mittelstaaten in 
Vorschlag gebrachten Delegiertenversammlung: »eine Versammlung, 
die aus dem ganzen Deutschland nach dem Maßstabe der Bevölkerung 
durch direkte Wahlen hervorgeht«'!). Eine weitere Verfolgung dieses 
politischen Programmes war durch die Gestaltung, welche die schleswig- 
holsteinische Angelegenheit durch den am 15. November 1863 erfolgten 
Tod des Königs Friedrich VII. von Dänemark erhielt, namentlich durch 
das Zusammengehen der beiden deutschen Großmächte und durch den 
‚gemeinsamen Gegensatz, in welchem sie sich zur Mehrzahl der deut- 
schen Mittel- und Kleinstaaten befanden, zunächst untunlich. Als aber 
der Konflikt zwischen Preußen und Oesterreich im Jahre 1866 drohen- 
der wurde, stellte Fürst Bismarck die Bundesreform wieder in den 
Vordergrund?). Und mit Recht. Nicht um einen Länderzuwachs zum 
preußischen Staatsgebiet, und sei er auch von solcher Wichtigkeit wie 
die Elbherzogtümer, sollte der gewaltige und gefährliche Kampf unter 
den deutschen Großmächten und der Krieg gegen die mit Oesterreich 
verbündeten deutschen Bruderstämme gewagt werden. Wurde er 
glücklich zu Ende geführt, so mußten der auf Deutschland lastende 
Dualismus der beiden Großmächte, die Zersplitterung der Nation in 
staatlich miteinander nicht verbundene Parzellen, die darauf beruhende 
politische Ohnmacht nach Außen und Zerfahrenheit im Innern be- 
seitigt werden. Darin liegt die historisch-politische, die sittliche Be- 
rechtigung des Krieges von 1866, daß er nicht im Sonderinteresse 
Preußens, sondern in dem Gesamtinteresse Deutschlands geführt wurde 
und daß von Anfang an nicht die Vergrößerung Preußens, sondern 
die Erlösung Deutschlands von dem politischen Elend, welches die 
Verträge von 1815 über dasselbe gebracht haben, das hohe Ziel des 
Kampfes war’). 
Am 14. März 1866 berührte das offizielle Organ der preußischen 
Regierung, die Provinzial-Korrespondenz, die Notwendigkeit, bei der 
Entscheidung der schleswig-holsteinischen Angelegenheit auch die Re- 
1) Vgl. die Darstellung des österreichischen Reformprojekts und seines Schick- 
sals bei Klüpfel.a. a. O. I, S. 303—315, Mejer a.a. O. S. 236 ff., ferner Schulze, 
Einleitung, S. 337 ff. und ebendaselbst (2. Ausg.) S. 406 ff. die Erörterung über „die 
deutsche Politik des Grafen Bismarck 1862—1866“. v. Sybel.a.a.O. Bd. IIS. 520 ff. 
v. Bismarck, Gedanken u. Erinnerungen Bd. I S. 338 ff. 
2) Ueber den Einfluß, welchen der Abschluß des italienischen Bündnisses hierauf 
ausübte, vgl. v. Sybel IV, S.293 ff. 
3) Es mag hier daran erinnert werden, daß Fürst Bismarck in der Sitzung des 
preuß. Abg.-Hauses vom 13. Juni 1866 ausdrücklich erklärte, daß die Idee der An- 
nexion der Elbherzogtümer hervorgerufen werde „durch die Weigerung, Preußen bil- 
lige,jaimInteresseDeutschlandssogarganznotwendige Zugeständ- 
nisse zu machen“, und daß Preußen noch am 14. Juni 1866 den deutschen Staaten, welche 
sich mit ihm zur Herstellung einer deutschen Verfassung vereinigen würden, die Inte- 
grität ihres Gebietes gewährleistete. Vgl. Hahn S.128 ff.; Staatsarchiv XI, 2322 
und 2324. (An Hannover, Sachsen und Kurhessen gerichtete sogenannte Somma- 
tionen).
	        
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