Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 2. Die Gründung des Norddeutschen Bundes. 23 
Parlaments, die Ersetzung der früher erforderten Einstimmigkeit durch 
Majoritätsbeschlüsse, die Erweiterung der Kompetenz auf das gesamte 
Gebiet der Verkehrsverhältnisse, der unbedingte Vorrang der Bundes- 
esetze vor dem Landesrecht und ihre Verkündigung von Bundes 
wegen, die Organisation des Bundesheeres, der Marine, der Diplomatie, 
des Konsulatwesens — das sind die wesentlichen Neuerungen. 
Es ist das Programm, welches der preußische Antrag vom 9. April 
1866 verfolgte, mit den durch die veränderten politischen Verhältnisse 
notwendig gewordenen Modifikationen durchgeführt; bei der Neu- 
gründung des Bundes blieben dieselben Gesichtspunkte maßgebend, 
von denen aus die Bundesreform angestrebt worden war. 
Bei den Beratungen des Reichstages fehlte es nicht an einer Flut 
von Abänderungsvorschlägen, unter denen sich viele befanden, »die 
— wie Fürst Bismarck sagte — von allem, was wir getan und geleistet 
haben, abstrahieren, von dem in der Geschichte unerhörten Fall, daß 
die Regierungen von 30 Millionen Deutschen sich nicht bloß dem 
Wortlaute nach, wie bei der alten Bundesakte, sondern auch dem 
Geiste nach über einen solchen Entwurf geeinigt haben, keine Notiz 
nehmen«. Der Wert recht zahlreicher Anträge bestand lediglich in 
den durch sie hervorgerufenen Widerlegungen seitens der Bundes- 
kommissare, indem die letzteren Grund und Tragweite der in dem 
Entwurf enthaltenen Bestimmungen entwickelten und dadurch teilweise 
dem Mangel an Motiven ablalfen, von deren Ausarbeitung teils aus 
Rücksicht auf den Zeitaufwand, teils wegen der Schwierigkeit ihrer 
Feststellung Abstand genommen worden war!). 
Im allgemeinen aber hielt der Reichstag an den Grundgedanken 
des Entwurfs fest, lehnte alle mit demselben in unvereinbarem Kontrast 
stehenden Abänderungen ab?) und erwarb sich das Verdienst, den 
Entwurf an einer bedeutenden Anzahl von Stellen erheblich verbessert 
zu haben). 
sich auch eine Anlehnung an den Entwurf der Reichsverfassung. von 1849, welche 
Hänel, Staatsr. I, S. 198, mit starker Uebertreibung betont. 
1) Erklärung des Fürsten Bismarck vom 11. März 1867. Stenogr. Berichte 
S. 135. Einen Ueberblick über die Verhandlungen des Reichstags gibt v. Sybel 
Bd. VI, S. 49 ff. 
2) Nur die Stellung des Bundeskanzlers wurde in einer Weise bestimmt, welche 
von der im Entwurf in Aussicht genommenen prinzipiell verschieden war. Vgl. 
Hänel, Studien I, S. 9 ff. 
3) Fürst Bismarck gab in der Sitzung vom 15. April 1867 (Stenogr. Berichte 
S. 695) eine Uebersicht der etwa 40 Punkte, in denen der Reichstag Abänderungen 
beschlossen hatte, und erklärte, daß die Regierungen darin „zum Teil zweifellose 
Verbesserungen erkannt haben“, während ihnen bei einem anderen Teile „die An- 
nahme nicht leicht geworden“. — Eine erhebliche Differenz blieb nur bestehen hin- 
sichtlich der Sicherstellung der Heereseinrichtungen und der Bewilligung von Diäten. 
In Beziehung auf den ersten Punkt einigte man sich über eine temporäre Fixierung 
un Präsenzstandes mit einem Pauschquantum, in dem zweiten Punkt gab der Reichs- 
ag nach.
	        
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