Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 52. Die Beendigung des Dienstverhältnisses. 927 
Wenn außer diesem Falle die Dienstunfähigkeit vor Vollendung 
des zehnten Dienstjahres eintritt, so hat der Beamte zwar keinen 
gesetzlichen Anspruch auf Pension !), bei vorhandener Bedürftigkeit 
kann ihm aber durch Beschluß des Bundesrates eine Pension auf be- 
stimmte Zeit oder lebenslänglich bewilligt werden ?). 
c) Der Reichskanzler und die Staatssekretäre können auch ohne 
eingetretene Dienstunfähigkeit ihre Entlassung fordern 
und haben einen Anspruch auf die gesetzliche Pension, wenn sie 
mindestens zwei Jahre das betreffende Amt bekleidet oder sich minde- 
stens zehn Jahre im Dienste befunden haben ?). 
d\) Der Beamte, welcher seine Pensionierung wegen Dienstunfähig- 
keit nachsucht, muß den Beweis derselben .und, soweit es erforderlich, 
den Beweis, daß die Dienstunfähigkeit infolge des Dienstes einge- 
treten ist ($ 36), erbringen. Es ist jedoch im allgemeinen genügend, 
wenn die unmittelbar vorgesetzte Dienstbehörde des seine Pensionierung 
nachsuchenden Beamten die Erklärung abgibt, daß sie nach pflicht- 
mäßigem Ermessen den Beamten für unfähig halte, seine Amtspflichten 
ferner zu erfüllen. Diese Erklärung ist aber für die Behörde, welche 
über die Versetzung in den Ruhestand zu entscheiden hat, nicht 
bindend; die letztere Behörde kann sowohl andere Beweismittel er- 
fordern, als auch die beigebrachten Beweismittel der vorgesetzten 
Dienstbehörde entgegen für ausreichend erachten ®). 
e) Ueber das Verlangen des Beamten, pensioniert zu werden, findet 
ein Verfahren im Rechtswege nicht statt. Die oberste Reichsbehörde 
hat vielmehr zu entscheiden, ob und zu welchem Zeitpunkte dem An- 
trage stattzugeben ist, sowie ob und welche Pension dem Beamten 
zusteht. Bei denjenigen Beamten, welche eine kaiserliche Bestallung 
erhalten haben, ist die Genehmigung des Kaisers zur Versetzung in 
den Ruhestand erforderlich °2. Die Entscheidung der obersten Ver- 
waltungsbehörde ist, wenn der Beamte seinen Anspruch auf Pension 
vor Gericht verfolgt, für die Beurteilung dieses Anspruchs maß- 
gebend ‘. 
2. Pensionierung aufVerlangen der Reichsregie- 
rung. 
a) Ohne eingetretene Dienstunfähigkeit können jederzeit entlassen 
werden der Reichskanzler und die Staatssekretäre, sowie die Unter- 
1) Ausgenommen die Mitglieder des Reichsgerichts. Gerichtsverfassungsgesetz 
& 130, Abs. 2. 
2) Reichsgesetz $ 39. 
3) Reichsgesetz 8 35 (Fassung v. 1907). Ferner der Staatssekretär und die 
Unterstaatssekretäre im Ministerium für Elsaß-Lothringen, Gesetz vom 4. Juli 
1879, $ 6. 
4) Reichsgesetz $ 53. 
5) Reichsgesetz $ 54. Die oberste Reichsbehörde kann die Befugnis zur Ent- 
scheidung auf die „höhere“ Reichsbehörde übertragen. 
6) Reichsgesetz 8 155. Vgl. oben S. 515, Ziff. 6.
	        
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