186 8 64. Der Begriff der Verwaltung.
er beschränkt die Handlungsfreiheit der Untertanen durch Ver-
bote;, zum Teil dagegen verzichtet er auf die Geltendmachung
seines imperium und stellt sich auf gleiche Stufe mit anderen Rechts-
subjekten. Dieser Unterscheidung entsprechen die beiden Kategorien
von Verwaltungsrechtssätzen. Das imperium ist in dem modernen
zivilisierten Staate keine willkürliche, sondern eine durch Rechtssätze
bestimmte Gewalt; das ist das Merkmal des Rechtsstaates, daß der
Staat von seinen Angehörigen keine Leistung und keine Unterlassung
fordern, ihnen nichts befehlen und nichts verbieten kann, als auf
Grund eines Rechtssatzes. Diese Rechtsregeln können im Gewohn-
heitsrecht begründet sein; bei den modernen staatlichen und recht-
lichen Zuständen sind sie gewöhnlich durch Gesetze sanktioniert. Diese
Gesetze haben es sämtlich zu tun mit einer Abgrenzung der Staatsge-
walt. Sie geben die Rechtsvorschriften über die Einwirkungen, welche
der Staat auf Personen und Vermögen seiner Untergebenen vorneh-
men darf, und sichern daher zugleich andererseits die Sphäre, welche
von diesen Eingriffen rechtlich geschützt ist. Der Gesamtinhalt aller
dieser Gesetze definiert den rechtlichen Inhalt der Staatsgewalt, wie er
durch die positive Gesetzgebung eines bestimmten Staates in einem
bestimmten Zeitpunkte fixiert ist. Diese Gesetze bilden den eigentlich
staatsrechtlichen Bestandteil des Verwaltungsrechts. Insoweit
aber der Staat auf die Geltendmachung von Hoheitsrechten verzichtet
und sich prinzipiell auf die gleiche Stufe mit anderen Rechtssubjekten
stellt, schafft sich der Staat für seine auf die Durchführung der staat-
lichen Aufgaben gerichtete "Tätigkeit günstigere oder wenigstens be-
sondere Rechtssätze. Solche Gesetze modifizieren das Privatrecht,
Strafrecht oder Prozeßrecht und setzen spezielle Regeln
an die Steile der allgemeinen. Daß diese speziellen Rechtssätze in be-
sonderen Gesetzen formuliert sind, beruht nicht auf ihrem juristischen
Wesen, sondern auf technischen Gründen der Gesetzgebungskunst, und
auch die privatrechtlichen Gesetze, die Prozeßordnungen und beson-
ders das Strafgesetzbuch enthalten sehr zahlreiche Bestimmungen,
welche mit Rücksicht auf die Verwaltungstätigkeit des Staates die im
allgemeinen herrschenden Rechtsregeln abändern oder ergänzen ').
Beide Kategorien von Gesetzen sind Gesetze im materiellen Sinne
des Wortes, denn sie enthalten Rechtsregeln. Auch wenn sie in der
Form der Verordnung ergehen, sind sie nicht Aeußerungen der Ver-
waltungstätigkeit, sondern Akte der Gesetzgebung; nicht Handlungen
des Staates, sondern Sanktion von Rechtsregeln für die Handlungen
desselben.
IV. Die Fortbildung des öffentlichenRechts durch
die Ver waltung. Die Verwaltung ist nicht bloß Anwendung und
Ausführung, sondern zugleich Fortbildung und Quelle des öffentlichen
1) Vgl. meine Erörterung im Archiv für öffentl. Recht Bd. 2, S. 155 fg.