Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

186 8 64. Der Begriff der Verwaltung. 
er beschränkt die Handlungsfreiheit der Untertanen durch Ver- 
bote;, zum Teil dagegen verzichtet er auf die Geltendmachung 
seines imperium und stellt sich auf gleiche Stufe mit anderen Rechts- 
subjekten. Dieser Unterscheidung entsprechen die beiden Kategorien 
von Verwaltungsrechtssätzen. Das imperium ist in dem modernen 
zivilisierten Staate keine willkürliche, sondern eine durch Rechtssätze 
bestimmte Gewalt; das ist das Merkmal des Rechtsstaates, daß der 
Staat von seinen Angehörigen keine Leistung und keine Unterlassung 
fordern, ihnen nichts befehlen und nichts verbieten kann, als auf 
Grund eines Rechtssatzes. Diese Rechtsregeln können im Gewohn- 
heitsrecht begründet sein; bei den modernen staatlichen und recht- 
lichen Zuständen sind sie gewöhnlich durch Gesetze sanktioniert. Diese 
Gesetze haben es sämtlich zu tun mit einer Abgrenzung der Staatsge- 
walt. Sie geben die Rechtsvorschriften über die Einwirkungen, welche 
der Staat auf Personen und Vermögen seiner Untergebenen vorneh- 
men darf, und sichern daher zugleich andererseits die Sphäre, welche 
von diesen Eingriffen rechtlich geschützt ist. Der Gesamtinhalt aller 
dieser Gesetze definiert den rechtlichen Inhalt der Staatsgewalt, wie er 
durch die positive Gesetzgebung eines bestimmten Staates in einem 
bestimmten Zeitpunkte fixiert ist. Diese Gesetze bilden den eigentlich 
staatsrechtlichen Bestandteil des Verwaltungsrechts. Insoweit 
aber der Staat auf die Geltendmachung von Hoheitsrechten verzichtet 
und sich prinzipiell auf die gleiche Stufe mit anderen Rechtssubjekten 
stellt, schafft sich der Staat für seine auf die Durchführung der staat- 
lichen Aufgaben gerichtete "Tätigkeit günstigere oder wenigstens be- 
sondere Rechtssätze. Solche Gesetze modifizieren das Privatrecht, 
Strafrecht oder Prozeßrecht und setzen spezielle Regeln 
an die Steile der allgemeinen. Daß diese speziellen Rechtssätze in be- 
sonderen Gesetzen formuliert sind, beruht nicht auf ihrem juristischen 
Wesen, sondern auf technischen Gründen der Gesetzgebungskunst, und 
auch die privatrechtlichen Gesetze, die Prozeßordnungen und beson- 
ders das Strafgesetzbuch enthalten sehr zahlreiche Bestimmungen, 
welche mit Rücksicht auf die Verwaltungstätigkeit des Staates die im 
allgemeinen herrschenden Rechtsregeln abändern oder ergänzen '). 
Beide Kategorien von Gesetzen sind Gesetze im materiellen Sinne 
des Wortes, denn sie enthalten Rechtsregeln. Auch wenn sie in der 
Form der Verordnung ergehen, sind sie nicht Aeußerungen der Ver- 
waltungstätigkeit, sondern Akte der Gesetzgebung; nicht Handlungen 
des Staates, sondern Sanktion von Rechtsregeln für die Handlungen 
desselben. 
IV. Die Fortbildung des öffentlichenRechts durch 
die Ver waltung. Die Verwaltung ist nicht bloß Anwendung und 
Ausführung, sondern zugleich Fortbildung und Quelle des öffentlichen 
1) Vgl. meine Erörterung im Archiv für öffentl. Recht Bd. 2, S. 155 fg.
	        
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