Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

8 70. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete. 311 
fallen unter den Begriff der Reichsbeamten. Die Begriffsbestimmung, 
welche das Reichsbeamtengesetz $ 1 aufstellt, paßt auf sie vollkommen. 
Die Schutzgewalt ist, wie oben ausgeführt wurde, identisch mit 
der Reichsgewalt; es gibt keine von der Reichsgewalt begrifflich ver- 
schiedene Schutzgebietsgewalt.e. Der Kaiser übt dieselbe als Orgau 
des Reichs und im Namen des Reichs aus; sie ist zwar inhalt- 
lich von den verfassungsmäßigen Präsidialbefugnissen verschieden, 
aber ihr Rechtsgrund ist die Staatsgewalt des Reichs über die Schutz- 
gebiete.e Wäre die Schutzgewalt eine selbständige Gewalt neben der 
Reichsgewalt und mit ihr in der Hand des Kaisers nur durch eine 
Art von Personalunion verbunden, so müßte dasselbe auch vom 
Reichskanzler gelten; er wäre zugleich Reichsminister und Schutzge- 
bietsminister und als letzterer Schutzgebietsbeamter, auf den die Reichs- 
verfassung und das Reichsbeamtengesetz keine Geltung haben würden. 
An solchen Konsequenzen erweist sich die Unrichtigkeit der Theorie. 
Der Dienst in den Schutzgebieten ist sonach Reichsdienst und der 
Kaiser als Organ des Reichs der Dienstherr der Schutzgebietsbeamten !). 
Auf die letzteren war daher von Anfang an das Reichsbeamtengesetz 
anwendbar; denn dasselbe hat keine territoriale Geltung, sondern be- 
trifft das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis der Reichsbeamten; es 
gilt für sie auch dann, wenn sie ihren dienstlichen Wohnsitz im Aus- 
lande haben. Es bedurfte daher keiner gesetzlichen Einführung des- 
selben in den Schutzgebieten. Wegen der Entfernung der Schutz- 
gebiete vom Reichsgebiet, der mit dem tropischen Klima verbundenen 
Gefahren, der besonderen Anforderungen an den Dienst usw. bedurfte 
das Reichsbeamtengesetz aber einiger Ergänzungen und Abänderungen, 
welche durch kaiserliche Verordnungen für einzelne Schutzgebiete fest- 
gestellt und in der Verordnung vom 9. August 1896 (RGBl. 1896 S. 691 ff.) 
zusammengefaßt und auf alle Schutzgebiete ausgedehnt worden sind’). 
Im Art. 1 dieser Verordnung werden das Reichsbeamtengesetz und die 
zur Ergänzung desselben ergangenen Reichsgesetze auf diejenigen 
Beamten für anwendbar erklärt, welche ihr Diensteinkommen aus dem 
Fonds eines Schutzgebietes beziehen, mit gewissen in den nachfolgen- 
den Artikeln enthaltenen anderweitigen Bestimmungen. Für diese 
Beamten ist die Bezeichnung Landesbeamte, Schutzgebietsbeamte, jetzt 
Kolonialbeamte üblich geworden. Dieselben werden von den 
Reichsbeamten unterschieden; sie sind aber nur eine besondere Kate- 
gorie oder Art derselben, welche durch das Kriterium bestimmt ist, 
daß sie ihr Diensteinkommen aus den Fonds eines Schutzgebietes 
(nicht aus der Reichskasse) beziehen und für welche gewisse besondere 
1) Es besteht in dieser Hinsicht kein begrifflicher Unterschied zwischen den Be- 
amten des Reichskolonialamts und den Beamten, welche in den Schutzgebieten ihren 
dienstlichen Wohnsitz haben. 
2) Durch die Verordn. vom 23. Mai 1901 (RGBl. S. 189) ist die Verordn. vom 
9. Aug. 1896 in einigen Punkten abgeändert worden.