Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

56 855. Der Weg der Gesetzgebung nach der Reichsverfassung. 
zu billigen ist, so kann sie doch nicht als eine Verletzung des Art. 2 
der Reichsverfassung erachtet werden, da der Abdruck im Reichsgesetz- 
blatte dasjenige enthält, was staatsrechtlich derwesentliche Bestand- 
teil eines Reichsgesetzes ist, nämlich den vom Reich erlassenen Ge- 
setzesbefehl, während der Inhalt dieses Befehls freilich aus ander- 
weitigen Druckschriften ermittelt werden muß). 
3. Die Amtshandlung der Gesetzesverkündigung, die Ausführung 
des kaiserlichen Verkündigungsbefehls, liegt dem Reichsminister des 
Kaisers, dem Reichskanzler, ob. Der Reichskanzler allein ist dazu 
staatsrechtlich legitimiert. Da die Verkündigung nur vermittelst 
des Reichsgesetzblattes erfolgen kann, so läßt sich dies auch in der 
Form ausdrücken, daß der Reichskanzler von Rechtswegen der Heraus- 
geber des Reichsgesetzblattes ist’. Daraus ergibt sich zugleich, daß 
der Reichskanzler für den Inhalt des Reichsgesetz- 
blattes verantwortlichist. Das heißt: er darf kein Gesetz 
in demselben abdrucken lassen, von welchem ihm nicht die kaiserliche 
Ausfertigung zugegangen ist, und er hat darüber zu wachen, daß der 
Abdruck fehlerfrei, ohne Zusätze und ohne Auslassungen erfolgt. 
Der Reichskanzler muß daher, um sich nötigenfalls verantworten 
zu können, und damit etwaige Zweifel an der Richtigkeit des 
im Gesetzblatte gelieferten Abdrucks erledigt werden können, für 
die Aufbewahrung der vom Kaiser ausgefertigten Originalgesetzes- 
urkunde Sorge tragen ®). Die Verantwortlichkeit erstreckt sich ferner 
darauf, daß alle vom Kaiser ausgefertigten Gesetze vollständig und 
rechtzeitig im Reichsgesetzblatt abgedruckt werden. 
Durch diese in positiver und negativer Richtung wirkende Ver- 
weniger verbreiteten und darum minder zugänglichen Blatt, als es die preußische 
Gesetzsammlung ist, verkündet worden sind. So verweist z. B. das Gesetz vom 
14. Juni 1868 nicht bloß auf ein preuß. Reglement vom 13. Juni 1825, sondern auch 
auf eine schleswig-holsteinische Verordnung vom 15. Februar 1850, und das Gesetz 
vom 18. Mai 1868, $ 9 auf ein im Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen erlassenes 
Gesetz vom 6. März 1840, ohne daß diese Vorschriften im Bundesgesetzblatt abge- 
druckt worden sind. 
1) Anderer Ansicht Zorn], S. 419, Note 39. 
2) Ausdrücklich anerkannt ist dies in der Verordnung vom 26. Juli 1867, 83 
(Bundesgesetzbl. S. 24): „Die Herausgabe des Bundesgesetzblattes erfolgt im Bureau 
des Bundeskanzlers,* jetzt im Reichsamt desInnern. 
3) Fleischmann, Der Weg der Gesetzgebung in Preußen, S. 96, beschreibt 
das in Preußen beobachtete Verfahren, mit welchem das im Reich beobachtete ver- 
mutlich übereinstimmt, in folgender Weise: „Der Ressortminister ersucht die — zur 
Zeit aus zwei Subalternbeamten aus dem Bureau des Staatsministeriums bestehende 
— Redaktion der Gesetzsammlung schriftlich unter Zufertigung der Originalurkunde 
des Gesetzes und einer beglaubigten Abschrift um den Abdruck. Nicht der Original- 
text, sondern die Abschrift wird dem Drucke zugrunde gelegt, während das Original 
bei der Korrektur durch die Redaktion verglichen wird. Die Urtexte der im Ver- 
laufe eines Jahres veröffentlichten Gesetze werden von der Redaktion gesammelt und 
zu Beginn des der Veröffentlichung folgenden Jahres an das geheime Staatsarchiv 
abgegeben.“
	        
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